Géza Hajós (Hg.): Stadtparks in der österreichischen Monarchie 1765-1918. Studien zur bürgerlichen Entwicklung des urbanen Grüns in Österreich, Ungarn, Kroatien, Slowenien und Krakau aus europäischer Perspektive, Wien: Böhlau 2007, 230 S., 174 Farbabb., ISBN 978-3-205-77638-3, EUR 39,00
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Die österreichische Gartendenkmalpflege ist sehr jung. Geza Hajós, als ihr Mentor, leitete von 1986 bis 2007 über viele Jahre das entsprechende Referat im Bundesdenkmalamt. Im Unterschied zu den klaren Bestimmungen in Deutschland musste er sich mit einem weichen österreichischen Denkmalschutzgesetz auseinandersetzen, das nur 60 Gartenanlagen einem gesetzlichen Schutz unterwirft. Hajós Anliegen war es stets, diesen organisatorischen und auch fachlichen Missständen entschieden entgegenzuwirken. Als Kunsthistoriker griff er dabei zum Mittel des öffentlichen Vortrags und der Publikation. So ist es verständlich, dass er gegen Ende seiner Dienstzeit 2007 noch Publikationen auf den Weg gebracht hat, die als eine Art dienstliches Vermächtnis jahrzehntelanger Forschung im Amt zu werten sind, etwa zu Eisenstadt oder Laxenburg. Diese Bücher stellen somit eine Vielzahl von Themen vor, die nicht abschließend behandelt wurden, sondern neue Fragen aufwerfen.
Als besonderer Verdienst kommt ihm zu, dass er als geborener Ungar stets den Blick auf die historischen Entwicklungen und die Verbindungen des Kaiserreiches Österreich mit den Kronländern warf, die nicht selten moderner als das Mutterland waren. Seinem Engagement ist es zu verdanken, dass sich von 1996 bis 1998 eine internationale Expertengruppe zusammen gefunden hatte, die "Die Stadtanlagen der Monarchie" (Projekt beim Österreichischen Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung) untersuchte. Die Ergebnisse bilden den Grundstock der vorliegenden Publikation. Wenngleich die klassischen Stadtparks damit im Blickfeld stehen, so eröffnet die Lektüre ein weites Spektrum öffentlicher Gartengestaltung, angefangen von Stadt- und Schmuckplätzen an Gebäuden, Botanischen Gärten, Promenaden und gestalteten Spaziergängen, hin zu Waldparks, Kuranlagen, Friedhöfen und Hotelanlagen.
Die Vorbemerkung von Hajós (13-14) ist als Gebrauchsanweisung zu lesen, um einigermaßen den fragmentarischen Charakter des Buches zu verstehen. Ihr folgt eine einleitende Skizze, ebenfalls von Hajós, die chronologisch die Entwicklung des Stadtgrüns aufzeigt (15-20), die zu seinem Kapitel "Die Stadtparks der österreichischen Monarchie von 1765 bis 1867" (21-82) überleitet. Der Abschnitt bezieht sich verstärkt auf Wiener Anlagen, versucht aber auch immer wieder ein Blick auf die gesamteuropäische Entwicklung zu werfen. Einige Stadtparks außerhalb Wiens und in Österreich werden gestreift. Da diese Einleitung einen umfassenden Charakter hat, bleiben Überschneidungen mit späteren Kapiteln nicht aus. Als Ergänzung dazu ist Cordula Loidl-Reischs Aufsatz "Stadtparks in Wien und Österreich 1867-1918" (83-120) zu lesen, der zeitlich dort ansetzt, wo Hajós aufhört. Sinnvollerweise entwickelt sie zunächst eine gartenhistorische Folie, auf der sie die Entwicklung Wiens, "Grüninitiativen und Grüne Institutionen" sowie die Rolle der Gärtner ausbreitet. Dann beschreibt und wertet sie die Wiener Anlagen sowie exemplarisch Objekte in Klagenfurt, Villach, Baden, St. Pölten, Reichenau an der Rax, Linz, Salzburg, Graz und Innsbruck. Dem ungarischen Kunsthistoriker József Sisa gelingt es in dem Beitrag "Städtische Parkanlagen in Ungarn 1867-1918" (121-164) die komplizierte Situation des ungarischen Königreiches thematisch zu fassen und kunsthistorische Linien herauszuarbeiten. So nennt er nicht nur Anlagen in Budapest und Gödöllö, sondern auch in den ehemals ungarischen Gebieten der heutigen Slowakei (Pozsony/Pressburg/Bratislava) und im heutigen Rumänien (Kolozsvár/Klausenburg/Cluj-Napoca und Herkulesfürdö/Herkulesbad/Băile Herculane). Erfreulich ist auch hier, dass er Institutionen, Gärtnereien und Gärtner, sowie der "Frage des Stils" eine besondere Bedeutung zuerkennt.
In Bojana und Mladen Obad Šćitarocis "Stadtparks in Kroatien 1867-1918" (165-194) fällt der Blick auf ausgewählte Orte wie beispielsweise Zagreb (Agram), Ossjek (Esseg), Split (Spalato), Zadar (Zara), Pula (Pola), Rijeka (Fiume), Karlovac, Sibenic (Sebenico), Kurparks wie Varazdin und Kurorte an der Adria wie Opatija (Abbazia). Von Alenka Kolšek, deren Andenken auch das Buch gewidmet ist, stammt der Beitrag über "Die Stadtparks in Slowenien 1864-1918" (195-216): Das sind die Stadtparks in Laibach (Ljubljana), Marburg (Maribor), Cilli (Celju) und Pettau (Ptju), sowie die Kurparks in Rohtisch-Sauerbrunn (Rogaški Slatini), Bad Neuhaus (Dobrini), Römerbad nächst Tüffer (Rimske Toplice pri Laskem), Veldes (Bled), Bad Radein (Radenci) und der Garten des Hotels Palace in Portorose (Portoroz).
"Die Stadtparks in Krakau 1850-1918" (217-226) werden von Wojciech Bałus vorgestellt. Sein Text basiert auf eigenen Forschungen und einer von ihm vor Jahren ausgerichteten internationalen Tagung, deren Ergebnisse im Unterschied zu seiner Habilitation (Krakau zwischen Tradition und Wegen in die Moderne, Stuttgart 2003) noch nicht publiziert sind.
In der Regel folgt den einzelnen Beiträgen eine Literaturauswahl. Bedauerlich ist, dass neuere Studien - vor allem bei den Überblicken - nur punktuell [1] und beispielsweise Werke wie Wilhelm Beyers "Die neue Muse oder der Nationalgarten" (Wien 1784) gar nicht eingeflossen sind.
Die Auflistung der Beiträge zeigt schon, dass die zeitliche Einteilung "nicht immer eindeutige Zäsuren der Entwicklungen" darstellt (14). Freimütig bekennt der Herausgeber auch: "Die wissenschaftliche Tiefe und Ausführlichkeit dieser Abhandlungen ist zwar unterschiedlich, aber sie wurden [...] als eigenständige Studien nicht verändert" (15). Diese Ehrlichkeit spricht für den Herausgeber, doch lässt sich nur schwer ein roter Faden aus den Beiträgen herausarbeiten: So verspricht denn der Buchtitel mehr als er einhält, denn die überaus wichtigen Anlagen Böhmen und Mährens fehlen komplett. Aus Galizien greift man nur Krakau heraus, lässt aber andere Orte wie Lemberg außen vor, so dass die Konzentration auf einen einzelnen Ort nicht repräsentativ ist. Unverständlich ist auch, warum man sich an heutige Grenzen hält und nicht die historische Einteilung wählt. So muss man die Geschichte des heutigen Staates Kroatien auf der Folie des Herzogtums Krain, Dalmatiens, Slawoniens und des Küstenlandes Istrien lesen. Diese Differenzierung würde somit nicht nur den historischen Hintergründen stärker Rechnung tragen, sondern gleichsam auch auf Naturräume verweisen, die - speziell im Fall der Gärten an der "Österreichischen Riviera" - fassbarer gewesen wären.
Das weitgehende Ausschalten der historischen Hintergründe zugunsten der Gegenwart mag pragmatischen Gesichtspunkten geschuldet sein. Auf der Ebene der Kunstgeschichte lässt diese Herangehensweise viele Wünsche offen. Insofern wären strengere Vorgaben des Herausgebers wünschenswert gewesen. Nichtsdestoweniger ist mit dem Buch ein Einstieg gelungen, sich mehr mit der Gartengeschichte der k.u.k.-Monarchie auseinanderzusetzen.
Anmerkung:
[1] Zu nennen wären z.B.: Werner Adams / Joachim Bauer: Vom Botanischen Garten zum Großstadtgrün, Köln 2001; Aloys Bernatzky: Beiträge zum Frankfurter Stadtgrün, 1985; Iwona Biúkowska: Natura i miasto, Wrocław 2006; Sylvia Butenschön: Geschichte des Dresdner Stadtgrüns, Berlin 2007; Peter Clark: The European City and Green Space, Ashgate 2006; Angela Schwarz (Hg.): Der Park in der Metropole, Bielefeld 2005.
Marcus Köhler