Rezension über:

Paul Fridolin Kehr: Ausgewählte Schriften. Herausgegeben von Rudolf Hiestand (= Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen. Philologisch-Historische Klasse. Dritte Folge; Nr. 250), Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2005, 1418 S., 2 Teilbände, ISBN 978-3-525-82522-8, EUR 298,00
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Rezension von:
Francesco Roberg
Fachgebiet Mittelalterliche Geschichte und Forschungsinstitut Lichtbildarchiv älterer Originalurkunden, Philipps-Universität, Marburg
Redaktionelle Betreuung:
Harald Winkel
Empfohlene Zitierweise:
Francesco Roberg: Rezension von: Paul Fridolin Kehr: Ausgewählte Schriften. Herausgegeben von Rudolf Hiestand, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2005, in: sehepunkte 8 (2008), Nr. 1 [15.01.2008], URL: https://www.sehepunkte.de
/2008/01/12825.html


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Paul Fridolin Kehr: Ausgewählte Schriften

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Mehr anzuzeigen als zu besprechen im eigentlichen Sinne sind die bereits 2005 in zwei mächtigen Bänden erschienenen ausgewählten Schriften Paul Fridolin Kehrs. Initiative und Durchführung des Unternehmens sind Rudolf Hiestand zu danken, der freilich von unterschiedlicher Seite unterstützt wurde (XVII-XVIII).

Kehr, der - zeitweise gleichzeitig - Generaldirektor der preußischen Staatsarchive, Direktor des Preußischen Historischen Instituts, des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Deutsche Geschichte und Vorsitzender der Zentraldirektion der Monumenta Germaniae Historica war, hat zudem 1896 das Göttinger Papsturkundenwerk ins Werk gesetzt. Die hundertste Wiederkehr von dessen Gründung bildet den Anlass für das Unternehmen (IX). Ungeachtet der enormen Arbeitsbelastung als Wissenschaftsorganisator alten Stils, der auf dem Höhepunkt seiner Laufbahn eine wohl einzigartige Machtfülle in seiner Person vereinte, entfaltete Kehr eine immense Publikationstätigkeit, die einer den Bänden beigegebenen Paul-Kehr-Bibliographie zufolge (siehe unten) nicht weniger als 401 zu Lebzeiten des Autors veröffentlichte Arbeiten zählt. Damit ist zugleich die wohl größte Schwierigkeit eines solchen Vorhabens angedeutet, das notwendigerweise eine Auswahl treffen muss, die bei dieser Menge an Material um so schwieriger ausgefallen sein dürfte. Die vorliegende Zusammenstellung folgt zwei unterschiedlichen Gesichtspunkten: Sie sollte zunächst "jenen weniger bekannten Kehr in seiner Arbeitsweise und in seinen bleibenden Beiträgen zur Geschichte des Papsttums und zur Geschichte der abendländischen Reiche des Hochmittelalters zeigen" (IX). Aufgenommen wurden ferner, "wenn auch in strenger Auswahl", einige kleinere Beiträge, "soweit sie durch ihre Fragestellung oder durch die in ihnen veröffentlichten Urkunden bis heute wichtig sind" (X). Dass eine Auswahl in vielen Fällen eine sorgfältige Einzelentscheidung voraussetzt und immer diskutabel ist, braucht kaum erwähnt zu werden und sei im Folgenden ausgeklammert, zumal sie an anderer Stelle ausführlich diskutiert worden ist [1].

Die aufgenommenen 46 Arbeiten Kehrs, also etwas mehr als ein Zehntel seines Werkes, werden - wie oftmals bei solchen Unternehmen - in gegenüber dem Ort der Erstpublikation in Satzspiegel und Type unveränderter Form wiederabgedruckt; sie bieten sowohl die ursprüngliche wie auch eine neue, auf die beiden Bände bezogene Paginierung. Wer jemals eine Aufsatzsammlung benutzt hat, die nur eine neue Paginierung aufweist, weiß diese Entscheidung des Herausgebers zu schätzen. Die Beiträge sind in sechs Gruppen geordnet, die sich nach Themen bzw. Betreffen der jeweiligen Aufsätze definieren. Sie seien im Folgenden wegen des hohen Informationswertes mitgeteilt: Den Anfang machen fünf Aufsätze rund um das Thema "Papsturkundenwerk und Germania Sacra" (Bd. 1, 3-72). Es handelt sich weniger um inhaltliche denn eher programmatische Beiträge, in denen sich Kehr etwa in dem klassischen Aufsatz "Ueber den Plan einer kritischen Ausgabe der Papsturkunden bis Innocenz III." äußert, oder aber Anzeigen und Vorbemerkungen zu und in bereits erschienenen Bänden des Unternehmens. Die Gruppe "Papsttum und Diplomatik" (Bd. 1, 75-388) versammelt elf einschlägige Arbeiten zum Oberthema, darunter den grundlegenden und bis heute nicht ersetzten über "Scrinium und Palatium. Zur Geschichte des päpstlichen Kanzleiwesens im XI. Jahrhundert". Eine weitere Gruppe erstreckt sich über den ersten und zweiten Teilband (Bd.1, 391-670; Bd. 2, 671-849). Sie umfasst 17 Beiträge zum Thema "Italien", die von der Breite der Interessen des Autors zeugen; vier von ihnen sind formal Rezensionen, doch steuerte Kehr immer wieder eigene wichtige Detailbeobachtungen bei. Den zweiten Teilband setzt eine Gruppe zum Thema "Spanien" fort (Bd. 2, 853-1087). Sie enthält unter anderem den mit zwölf Tafeln ausgestatteten Band über "Die ältesten Papsturkunden Spaniens". Dem Oberthema "Deutschland" ist die letzte Gruppe gewidmet, in der acht Studien in der Hauptsache zu diplomatisch-historischen Detailfragen zusammengefasst sind (Bd. 2, 1091-1299). Eine sechste, mit der Überschrift "Rückblick" betitelte Sektion bietet die 1940 erschienenen "Italienischen(n) Erinnerungen". Sie fallen insofern inhaltlich aus dem Rahmen, sind aber dennoch als eindrucksvolles autobiographisches und wissenschaftshistorisches Zeugnis hochwillkommen (Bd. 2, 1303-1327).

Besonders dankbar ist man für den umfangreichen Anhang, der zunächst aus der bereits 1992 erschienenen Paul-Kehr-Bibliographie von Stefan Weiß besteht. Gerne wird man sie nicht nur als Zusammenstellung der Werke von, sondern auch über Kehr sowie ihm gewidmete Festschriften benutzen (1331-1394); daran an schließen sich "Korrekturen und Nachträge", die ebenfalls Stefan Weiß verdankt werden (1395-1397). Besonders wertvoll ist das von Rudolf Hiestand besorgte Verzeichnis der in den nachgedruckten Schriften Kehrs enthaltenen edierten Urkunden nach Päpsten, Herrschern und sonstigen Ausstellern (1399-1403) wie auch die sich anschließende Zusammenstellung der JL- bzw. JK- und JE-Nummern (1404-1418). Zumal diese beiden Appendices erhöhen den Wert der Bände beträchtlich. Solcher Aufsatzsammlungen hätte man gerne mehr.


Anmerkung:

[1] Dieter Girgensohn: Schriften Paul Fridolin Kehrs in einer neuen Sammlung, in: Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken 86 (2006), 597-626; vgl. ferner Benoît-Michel Tock, in: Francia 33/1 (2006), 175-177.

Francesco Roberg