Robert Bork (ed.): De Re Metallica. The Uses of Metal in the Middle Ages (= AVISTA Studies in the History of Medieval Technology, Science and Art; Vol. 4), Aldershot: Ashgate 2005, xxii + 420 S., 122 b&w ill., ISBN 978-0-7546-5048-5, GBP 55,00
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Ebbe Nyborg / Hannemarie Ravn Jensen / Søren Kaspersen (eds.): Romanesque Art in Scandinavia, Copenhagen: Copenhagen University 2003
Richard Strobel (Red.): Parlerbauten - Architektur, Skulptur, Restaurierung. Internationales Parler-Symposium, Schwäbisch-Gmünd, 17. - 19. Juli 2001, Stuttgart: Theiss 2004
Forschungen zur mittelalterlichen Metallkunst scheinen gerade in jüngster Zeit im Trend zu liegen. Neben dem hier zu besprechenden Sammelband sind die New Yorker Ausstellung "Lions, Dragons, and Other Beasts" von 2006 oder die spektakuläre Neudatierung der kapitolinischen Wölfin durch Anna Maria Carruba zu nennen. [1] Dies lässt darauf hoffen, dass der kunstgeschichtlichen und technologischen Erforschung mittelalterlicher Metallarbeiten auch künftig ein stärkeres Interesse zuteil werden wird.
Die Anthologie geht auf Tagungssektionen zurück, die die "Association Villard de Honnecourt for Interdisciplinary Study of Medieval Technology, Science, and Art" - kurz AVISTA - im Rahmen der jährlich stattfindenden Mittelaltertagungen in Kalamazoo und Leeds organisierte. Der Band folgt der übergeordneten Zielsetzung des Vereins: Ins Leben gerufen von Kunsthistorikern mit Schwerpunkten in der Architekturgeschichte, widmet er sich der interdisziplinären Erforschung mittelalterlicher Kunst über die Disziplingrenzen hinweg, unter besonderer Berücksichtigung technologischer Fragestellungen.
Unter dem Dach des allgemein gehaltenen Oberthemas findet man ein breites Spektrum an Beiträgen, die sich von der Spätantike bis in das 16. Jahrhundert spannen. Schwerpunkte bilden sich bei Studien zu archäologischen Themen aus, die sich mit Fragen des Schmucks, des Münzwesens und der Bewaffnung auseinandersetzen. Unter den stärker kunsthistorisch ausgerichteten Beiträgen ergeben vor allem die architekturgeschichtlichen Forschungen einen zusammenhängenden Komplex, während man etwa die Bronzekunst weitgehend vermisst. So ergibt sich zwar kein repräsentatives Gesamtbild, das war auch gar nicht angestrebt, aber zusammengenommen erlaubt die Anthologie durchaus interessante Einblicke in den gegenwärtigen Stand der Metallforschung.
Der erste Schwerpunkt widmet sich Metallen für den weltlichen Zusammenhang, wie Ringen, Broschen und anderen Schmuckstücken. Es handelt sich vorwiegend um archäologische Beiträge zu Themen aus dem angelsächsischen Bereich sowie Skandinavien. Für den Kunsthistoriker ist neben John Cherrys Studie zum Jagdhorn aus Savernake (113-121), einer Elfenbeinarbeit des 14. Jahrhunderts, die mit Silber aufwändig verziert wurde, vor allem der Artikel von Elisabeth Antoine zu einem Siegelring aus dem dritten Viertel des 13. Jahrhunderts anzuführen (101-111), der 1995 vom Pariser Musée National du Moyen Âge erworben worden war. Er gehörte Guillaume de Flouri, einem Adligen im Heiligen Land. Die besonders qualitätvolle Intagliotechnik lässt auf einen italienischen Goldschmied schließen. Einzigartig für den christlichen Bereich ist die Verwendung einer der jüdischen Mystik entlehnten Inschrift, einer Anrufung des Göttlichen zum Schutz des Trägers, mit Referenzen an das Neue Testament. Der Ring dürfte zugleich als Amulett gedient haben, und so vermutet die Autorin zu Recht, dass der Auftraggeber vor dem Hintergrund seiner Herkunft aus dem Heiligen Land mit der Verknüpfung christlicher und jüdischer Inhalte eine bewusste Wahl traf.
Ein kleinerer Abschnitt versammelt Beiträge zu Reliquiaren und liturgischen Objekten. Michael Ryan widmet sich eucharistischen Gefäßen und der Architektur im frühmittelalterlichen Irland (125-145). Er gelangt dabei zu der Feststellung, dass Größe und Form der Gefäße allgemeine Rückschlüsse auf die Funktion erlauben. Wenn Ryan dann aber einen Überblick über die zeitgenössische Architektur anschließt, wird doch nur deutlich, dass die bekannten Beispiele keine unmittelbaren Hinweise auf die Verwendung der Kelche und die damit zusammenhängende Liturgie erlauben.
Etwas überraschend findet man in dem Band einen Beitrag zur Essener Goldenen Madonna von Karen Blough (147-162). Die Autorin rückt die Madonna in einen engen Zusammenhang mit der Äbtissin Mathilde und den Ottonen. Sie sieht bei Mathilde eine übergreifende Betonung ihres königlichen Status, den sie auch an anderen Werken, wie dem älteren Mathildenkreuz ausmacht. Die von ihr in Auftrag gegebenen Werke seien eine Visualisierung des königlichen Status der Abtei (155). Allerdings fragt sich, warum Blough weder die Hildesheimer Goldene Madonna noch die Paderborner Imad-Madonna erwähnt und daher nicht die Frage nach den möglichen Zusammenhängen stellt. Klar ist, dass die Essener Madonna kein isoliertes Phänomen war und somit nicht allein aus der persönlichen Einstellung einer Äbtissin heraus erklärt werden kann.
Sally J. Cornelison behandelt Lorenzo Ghibertis Schrein der drei Märtyrer in Santa Maria degli Angeli in Florenz (163-179). Ungewöhnlich für einen Reliquienschrein ist schon das Material Bronze. Cornelison führt dies auf die örtliche Tradition in Florenz zurück, wo man Bronze für wichtige öffentliche Aufträge bevorzugt einsetzte. Eigentümlich sind auch der feste Standort und die fehlende Sichtbarkeit der Reliquien, so dass es den Gläubigen unmöglich war, auch nur zu bestimmten Anlässen der Reliquien ansichtig zu werden. Hinzu kommt, dass so der Zugang auch für die Kleriker eingeschränkt war, eine Eigentümlichkeit, die die Autorin - ausgehend vom bürgerlichen Auftraggeber - mit den Gräbern von Laien in Bezug setzt. Besonderes Gewicht wird den möglichen antiken Vorbildern eingeräumt, so vor allem den Engeln auf der Frontseite, die einen Kranz halten. Cornelison glaubt, in dem Sarkophag in der Trenta Kapelle von San Frediano in Lucca das vermutliche Vorbild gefunden zu haben, wo um 1416 die Gebeine des hl. Richard in einem spätantiken Sarkophag ihre Aufstellung fanden. In der Motivik zwar durchaus ähnlich, steht Ghibertis Werk doch qualitativ weit über dem in Lucca und weist in der Auffassung und in den Details zudem deutliche Unterschiede auf. Es handelt sich - dies räumt auch Cornelison ein - um ein Motiv, das in der antiken Kunst häufiger vorkommt, und so könnte Ghiberti ohne weiteres auch auf ein anderes Vorbild zurückgegriffen haben.
Am kohärentesten erscheint das Kapitel zur Verwendung von Metall in der mittelalterlichen Architektur. Carl F. Barnes stellt die Frage nach Villard de Honnecourt und Metall (245-253). Der mittelalterliche Architekt hatte - so konstatiert Barnes zu Recht - alle Materialien, deren Eigenschaften und ihr Zusammenwirken zu verstehen. Nun bemerkt der Autor, dass an keiner Stelle von Villards Büchlein Metall eine nennenswerte Rolle spielt oder ein erkennbares Interesse hierfür festzustellen ist. Auf seinen Illustrationen zum Mauerwerk fehlt Metall ebenfalls. Am Beispiel der Zeichnung der Außenseite der Umgangskapellen der Kathedrale von Reims wird deutlich, dass Villard zwar zeigt, wie die einzelnen Teile geformt sind, aber nicht die Metallklammern, die das Ganze zusammenhalten. Wir erhalten also keine Informationen zur Verwendung von Metall in der Architektur. Barnes sieht darin die Möglichkeit, dass Villard kein Architekt war, sondern in Wirklichkeit vielleicht als Metallarbeiter ausgebildet wurde. Als Beispiel nennt er seine Zeichnung einer Kreuzgruppe, die aus Metall gewesen sein könnte. Hier liefert Villard eine genaue Beobachtung der plastischen Wirkung des so genannten Muldenfaltenstils. Zwei Fragen stellen sich: Entwickelt man diese Überlegungen weiter, fallen die Steinbildwerke im Skizzenbuch ins Auge (auch die besagte Kreuzgruppe dürfte eher aus Stein geformt gewesen sein), und man fragt sich, ob Villard nicht eher eine Ausbildung als Bildhauer genossen haben könnte. Darüber hinaus wäre auch zu überlegen, ob die Metallteile nicht einfach weggelassen wurden, weil Vollständigkeit im modernen Sinne gar nicht angestrebt war und die konstruktiv wichtigen Metallverbindungen nicht als wesentlich im Sinne des Büchleins erachtet wurden.
Jennifer S. Alexander liefert einen Überblick über den Gebrauch von Verbindungen aus gegossenem Blei in der mittelalterlichen Bautechnik (255-265), vor allem im englischen Bereich. Dabei kann die Autorin von der guten Quellenlage profitieren: Interessant ist, dass Blei offenbar schon im 10. Jahrhundert Verwendung fand, belegt zum Beispiel für das Kreuz, das aus Lindisfarne nach Durham kam. Dort wurde der Kopf mit Hilfe von Blei wieder angebracht. Alexander fasst die wichtigsten Befunde aus der Bauforschung und den Schriftquellen zusammen, geordnet nach den wichtigsten Vorkommen, wie Gewölbeverbindungen, Maßwerkfenster oder en delit-Dienste. Sie liefert auf diese Weise einen willkommenen Ausgangspunkt für weitere Forschungen. Bedauerlich ist lediglich der fehlende Bezug zu den Tendenzen im restlichen Europa und hier insbesondere Frankreich; ein Vergleich damit könnte die Entwicklungen auf der Insel nicht ganz so isoliert erscheinen lassen.
Im Unterschied zu Alexander gehen Sabine Lepsky und Norbert Nussbaum exemplarisch vor, indem sie den Gebrauch von Metall an der ehemaligen Zisterzienserkirche in Altenberg als Teilergebnis eines umfangreicheren Forschungsprojekts vorstellen (267-278). Sie liefern dabei einen wertvollen Einblick in den Gebrauch von Klammern, Zugankern und Fenstereisen. Für den hohen Stand der technologischen Entwicklung beim Bau des Altenberger Domes spricht, dass man die Eisenstücke in standardisierten Längen vorgefertigt zu haben scheint. Eine weitere interessante Beobachtung ist, dass sich die Stäbe im Bereich der Obergadenfenster an den jeweils benachbarten Fenstern berühren, was darauf hindeutet, dass die Erbauer von Altenberg offenbar eine Fensterfolge errichten wollten, ähnlich der in der Pariser Sainte Chapelle oder am Kölner Dom. Dies macht nicht nur deutlich, welche Bedeutung der Verwendung von Metall für die spätmittelalterliche Architektur einzuräumen ist, sondern auch wie wichtig der genaue Blick darauf für die Bewertung der Gesamtarchitektur ist.
Insgesamt versammelt der Band zahlreiche interessante Beiträge zur Verwendung von Metall im Mittelalter, vor allem im Abschnitt zur Architektur. Es bleibt deshalb zu hoffen, dass diese Studien in den einzelnen Teildisziplinen Anregungen für weitere Forschungen vermitteln werden, denn noch ist unser Wissensstand über die Verwendung von Metall in der mittelalterlichen Kunst in weiten Bereichen allzu fragmentarisch.
Anmerkung:
[1] Peter Barnet / Pete Dandridge (Hgg.): Lions, Dragons & Other Beasts: Aquamanilia of the Middle Ages - Vessels for Church and Table, New Haven / London 2006; Anna Maria Carruba: La Lupa Capitolina: Un Bronzo Medievale. E pur si muove: Collana di novità critiche, 1. Rom 2006.
Gerhard Lutz