Rezension über:

Todd Porterfield / Susan L. Siegfried: Staging Empire. Napoleon, Ingres, and David, University Park, PA: The Pennsylvania State University Press 2006, viii + 287 S., ISBN 978-0-271-02858-3, USD 55,00
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Rezension von:
Melanie Ulz
SFB/FK "Medien und kulturelle Kommunikation", Universität zu Köln
Redaktionelle Betreuung:
Ekaterini Kepetzis
Empfohlene Zitierweise:
Melanie Ulz: Rezension von: Todd Porterfield / Susan L. Siegfried: Staging Empire. Napoleon, Ingres, and David, University Park, PA: The Pennsylvania State University Press 2006, in: sehepunkte 8 (2008), Nr. 3 [15.03.2008], URL: https://www.sehepunkte.de
/2008/03/13324.html


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Todd Porterfield / Susan L. Siegfried: Staging Empire

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Der Körper des Königs diente lange Zeit als Metapher für die Verkörperung der politischen Macht des Staates. Die Dualität dieses Modells visualisierte zuerst das Frontispiz in Thomas Hobbes Leviathan (1651): Der gigantische Körper des Monarchen setzt sich aus den vielen Körpern seiner Untertanen zusammen. Es besteht eine gegenseitige Abhängigkeit, denn ohne Untertanen kann es keinen König geben, ohne König keinen Staat. Die Französische Revolution zerstörte diese Einheit von königlichem Körper und herrschaftlicher Macht durch die Guillotinierung Ludwigs XVI. symbolisch und realiter und errichtete auf den Trümmern der zerschlagenen Herrscherbildnisse neue, eigene (Körper-)Bilder, die als Liberté und Herkules nun die Freiheit und Herrschaft des Volkes allegorisch fassen sollten. In unmittelbarer Folge dieser Umwälzungen wird die Repräsentation Napoleons zur Zeit des Empire zu einer ebenso machtpolitischen wie künstlerischen Herausforderung. Wie konnte es im Frankreich der postrevolutionären Zeit gelingen, einen Herrschaftsanspruch glaubhaft und nachhaltig zu legitimieren, ohne dabei an Repräsentationsparameter der Monarchie anzuknüpfen?

Mit Staging Empire legen Susan Siegfried und Todd Porterfield einen Band vor, der nicht, wie vielfach von der Forschungsliteratur unternommen, die Inszenierung Napoleons als Feldherr und militärischer Führer thematisiert [1], sondern sich ausschließlich der Frage seiner Herrschaftsrepräsentation als Empereur in der Folge der Kaiserkrönung von 1804 zuwendet. Anders als David O'Brien, der zuletzt anhand des Künstlerœuvres von Antoine-Jean Gros die propagandistischen Aspekte napoleonischer Bildproduktion expliziert hat [2], stellt der vorliegende Beitrag zwei konträre künstlerische Bildstrategien exemplarisch in den Mittelpunkt, um auf die spezifische Problematik napoleonischer Herrschaftsinszenierung hinzuweisen: Im ersten Teil (25-112) geht es um Jean-Auguste-Dominique Ingres' Herrscherporträt Napoléon Ier sur le trône impérial en costume de sacre (1806) und im zweiten Teil (115-169) um Jacques-Louis Davids Krönungsbild Le Sacre (1808), welches heute zu den meist beachtetsten Gemälden des Louvre zählt. Trotz der zeitlichen Nähe zueinander könnten beide Bilder kaum unterschiedlicher sein: Ingres inszeniert Napoleon als Ganzkörperporträt in Krönungsrobe mit den Insignien der kaiserlichen Macht ausgestattet auf dem Thron sitzend. Le Sacre hingegen ist ein mehrfiguriges Historiengemälde, das die Ereignisse um die Krönung Josephines im Anschluss an Napoleons Selbstkrönung in der Kathedrale von Notre-Dame mit lebensgroßem Bildpersonal in Szene setzt. Während es sich bei Davids Gemälde um eine staatliche Auftragsarbeit an den renommierten Künstler handelt, konnte der noch am Anfang seiner Karriere stehende Ingres auf einen Ankauf des heute im Musée de l'Armée in Vergessenheit geratenen Gemäldes nur spekulieren.

Charakteristisch für beide Bilder ist, dass sie für die Repräsentation Napoleons nicht so sehr auf die (meta-)physische Präsenz des herrscherlichen Körpers setzen, sondern in Ingres' Bild ganz im Gegenteil dieser unter der schweren, ausladenden Robe weitestgehend negiert wird zugunsten einer Inszenierung der Herrschaftsinsignien Szepter, Main de Justice und imperialem Thron. Das Haupt Napoleons wirkt merkwürdig isoliert, als hätte man den vormals abgetrennten Kopf des Königs auf einer Ansammlung von sorgfältig drapierten Stoffbahnen nun wieder oben aufgesetzt. Sein Gesicht suggeriert zudem durch seine an Antlitzbilder erinnernde Flächigkeit einen fast ikonischen Gebrauch. Insgesamt findet eine deutliche Verschiebung der Herrschaftssymbolik vom Körper auf die Dinge hin statt, unter deren Last der überladene Napoleon kaum auszumachen ist und zur bloßen Staffage erstarrt.

In Davids Gemälde äußert sich ein vergleichbares Misstrauen gegenüber dem Körper des Herrschers zugunsten einer Inszenierung des Ereignishaften: Die Fokussierung auf den performativen Akt der Inthronisierung, der ganz auf die Darstellung des Massenspektakels setzt, aber nicht mehr als ein "simulacrum of election" (139) sein kann, wie Porterfield betont. Der Zugang zum Bild wird den Betrachtenden als mögliches Eintreten in das Bild - wie bereits ein zeitgenössischer Kritiker anmerkte ("on marche dans ce tableau") - und damit als unmittelbare Teilnahme am Geschehen suggeriert (123). Die Last napoleonischer Herrschaft scheint hingegen auf Josephine übertragen worden zu sein, die im Beisein ihres Hofstaates demütig die Krone entgegen nimmt. Mit der Inszenierung der Krönung seiner Frau gelingt es Napoleon von den Herrschaftsrepräsentationen der Monarchie auf Distanz zu gehen und eine 'eigene' Tradition zu entwickeln. Diese Feminisierung der Herrschaft kann jedoch nicht über die Misogynie des Empire hinwegtäuschen: Die erste Aufgabe der Kaiserin war es einen Thronfolger zu gebären, um dadurch die napoleonische Herrschaft abzusichern. David unternimmt daher alles, um Josephine als 'gebärfähige', junge Frau darzustellen. Das Rouge ihrer Wangen und die Weisheit ihrer Haut sollen zudem Gerüchten ihrer creolischen Herkunft entgegenwirken und ihr eine einwandfreie 'rassische' Identität verleihen.

Insgesamt unterscheidet sich der erste Teil des Buches (Siegfried), trotz der produktiven Verklammerung beider Bilder, durch einen stärker rezeptionsgeschichtlichen Ansatz vom zweiten Teil (Porterfield), der einen Zugang über performanztheoretische Ansätze (Austin, Butler, Derrida) produktiv macht. Mit der Frage nach whiteness im Porträt von Josephine knüpft Porterfield zwar an seine eigenen kolonialpolitischen Untersuchungen an, eine stärkere Auseinandersetzung mit der Kategorie race im Hinblick auf die Körperpolitik des Empire wäre jedoch sicherlich für die Kontextualisierung beider Bilder von Interesse gewesen. [3] Trotzdem ist Staging Empire ein materialreicher, mit vielen Farbtafeln und Quellenanhang ausgestatteter Bildband, der gerade durch die Zuspitzung auf zwei so unterschiedliche Gemälde napoleonischer Herrschaftsinszenierung einen spannenden Einblick in das komplexe Umfeld rezeptionsgeschichtlicher, staats- und kunstpolitischer Fragestellungen der napoleonischen Zeit gibt. Dies gelingt, da die AutorInnen nicht so sehr auf einen künstlerbiografischen Ansatz setzen, sondern die individuellen Lösungsstrategien in den historisch-politischen Kontext stellen und als "landmark-paintings" des Empire betrachten.


Anmerkungen:

[1] Christopher Prendergast: Napoleon and History Painting. Antoine-Jean Gros's La Bataille d'Eylau, Oxford 1997; vgl. Susan Locke Siegfried: Naked History: The Rhetoric of Military Painting in Postrevolutionary France, in: Art Bulletin, 75, 2, 1993, 235-258.

[2] David J. O'Brien: After the Revolution. Antoine-Jean Gros - Painting and Propaganda Under Napoleon, University Park, Pennsylvania 2006.

[3] Todd Porterfield: The Allure of Empire. Art in the Service of French Imperialism 1798-1836, Princeton (New Jersey) 1998; vgl. Darcy Grimaldo Grigsby: Extremities. Painting Empire in Post-Revolutionary France, New Haven und London 2002; Melanie Ulz: Napoleon and his Colonised 'Others'. The Demise of Citizenship in Post-Revolutionary and Napoleonic History Paintings, in: Anna Clark / Stefan Dudink / Karen Hagemann (Hgg.): Representing Masculinity. Citizenship in Modern Western Political Culture, New York 2007.

Melanie Ulz