Rezension über:

Georg Gresser: Clemens II. Der erste deutsche Reformpapst, Paderborn: Ferdinand Schöningh 2007, 248 S., ISBN 978-3-506-76329-7, EUR 29,90
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Rezension von:
Markus Knipp
Historisches Seminar, Universität Bonn
Redaktionelle Betreuung:
Jürgen Dendorfer
Empfohlene Zitierweise:
Markus Knipp: Rezension von: Georg Gresser: Clemens II. Der erste deutsche Reformpapst, Paderborn: Ferdinand Schöningh 2007, in: sehepunkte 8 (2008), Nr. 5 [15.05.2008], URL: https://www.sehepunkte.de
/2008/05/13797.html


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Georg Gresser: Clemens II.

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Mit Clemens II. nimmt Georg Gresser den Papst in den Blick, der mit seiner Erhebung im Jahr 1046 die Serie römischer Adelspäpste beendete und die Reihe der "deutschen Reformpäpste" begründete. Dass sich ein Bamberger Kirchenhistoriker diesem Papst zuwendet, überrascht nicht, war Suidger-Clemens doch auch Bischof des Bistums Bamberg, das im Jahr 2007 sein tausendjähriges Bestehen feierte.

In acht Kapiteln stellt der Autor Clemens II. einer breiteren Öffentlichkeit vor. Hierbei folgt Gresser den einzelnen Stationen im Leben Suidgers, räumt aber auch dem historischen Kontext Raum ein.

Gemäß dem biographischen Zugriff widmet sich Gresser nach einer Einleitung dem in den Quellen nur schwer rekonstruierbaren familiären Hintergrund sowie dem frühen Werdegang Suidgers. Dieser führte ihn nicht zuletzt in die Hofkapelle, welche der Autor an dieser Stelle auch hinsichtlich ihrer Bedeutung für die Zeit näher erläutert. Das Kapitel (III) über den Weg ins Bischofsamt beleuchtet zunächst die Geschichte des Bistums Bamberg bis zur Erhebung Suidgers 1040. Für die folgenden Jahre finden sich in den Quellen leider nur drei berichtenswerte Ereignisse: Eine Altarweihe im Bamberger Dom, ein Gütertausch sowie die Gründung des Klosters Theres.

Den inhaltlichen Schwerpunkt der Arbeit bildet das Kapitel (IV) um die Papsterhebung. Hier schildert Gresser die Situation im Rom des Jahres 1046 und die Simonievorwürfe gegen Gregor VI. Es folgt eine Betrachtung über die möglichen Nachfolger des auf der Synode von Sutri abgesetzten Papstes (46-52). Neben den "lokalen" Anwärtern war es wohl vor allem der ambitionierte Erzbischof Adalbert von Hamburg-Bremen, der in Frage kam. Doch statt auf dieses einflussreiche Mitglied der königlichen Reisegesellschaft fiel die Wahl Heinrichs III. auf Suidger, der den König ebenfalls nach Italien begleitet hatte. Gresser greift die Darstellung Adams von Bremen auf und folgert, der Erzbischof selbst habe Suidger vorgeschlagen, da dieser so die "hochfliegenden Pläne Adalberts" (92) viel besser hätte unterstützen können, als er selbst dies als Papst vermocht hätte.

Abgesehen von der Empfehlung Adalberts überrascht die Wahl Suidgers. Gresser konstatiert, dass die Kontakte zwischen dem König und dem Bischof von Bamberg nicht über das übliche Maß hinausgegangen seien und im Vergleich zur Zeit Heinrichs II. und Konrads II. sogar abfielen (50). Als stärkste Unterstützer des Bambergers sieht Gresser die übrigen deutschen Bischöfe, während er den Italienern Vorbehalte gegen den "hochgewachsenen, blonden Hünen aus dem Norden Deutschlands" (53) unterstellt.

Rechtzeitig zur Kaiserkrönung am Weihnachtstag 1046 wurde Suidger als Clemens II. erhoben. Im Januar 1047 folgte die traditionelle Krönungssynode. "Der wichtigste zu behandelnde Punkt war aber natürlich die Reform, konkret die Bekämpfung der Simonie" (60). Im Gegensatz zum ebenfalls erwähnten Rangstreit zwischen Ravenna und Aquileia ist gerade die Behandlung dieses Punktes in den Quellen schwach belegt. Den besten Hinweis finden wir in einem Text Petrus Damianis über von Simonisten gespendete Weihen. Obwohl der hier überlieferte Synodalbeschluss "ein recht gemäßigter [war], der wohl vor allem der pastoralen Situation gerecht zu werden versuchte (64) ", sieht Gresser darin einen deutlichen Beleg für die grundsätzlich reformerische Absicht Clemens II.

Auch nach der Erhebung zum Papst blieb Suidger Bischof von Bamberg. Ein Phänomen, das sich bei den folgenden Päpsten wiederholen sollte. Die Erscheinungsform der papae qui et episcopi wurde vielfach diskutiert und durch Werner Goez einer allgemein anerkannten Interpretation zugeführt. [1] Auch Gresser greift in seinem fünften Kapitel die Einschätzung auf, in der Wahrnehmung der Zeit sei die Sonderrolle des Papstes für die Gesamtkirche in den Vordergrund gerückt.

Für die Charakterisierung Clemens II. als Reformer zieht Gresser im Zusammenhang mit der Darstellung der päpstlichen "Amtsgeschäfte" (Kapitel VI) eine Urkunde für Cluny heran. Wie seine reformorientierten Nachfolger, aber auch wie seine stadtadeligen Vorgänger bestätigte der Papst dem Kloster seine alten Freiheiten. Inwieweit diese Bestätigung den Papst von seinen nur bedingt der Reform verdächtigen Vorgängern abhob, bleibt ebenso undeutlich wie die Einschätzung, der Papst wäre zum Schutz des Klosters persönlich nach Cluny geeilt, hätte er nur länger gelebt (95).

Gresser verweist weiter auf einen Briefwechsel zwischen Petrus Damiani und Clemens II. Der Eremit klagt über die Bischöfe von Fano, Osimo und Pesaro, die "ihr Amt in reformfeindlicher Haltung übel ausgebeutet" hatten (95). Den Bischof von Fano, den Gregor VI. deshalb noch des Amtes enthoben hatte, setzte Clemens II. wieder ein. Hierfür wurde er, wie Gresser feststellt, von Petrus Damiani heftig kritisiert. Die in ihrer Grundstruktur häufig anzutreffende Argumentation, der Papst wäre hier sicher noch reformerisch tätig geworden, wenn er länger gelebt hätte (98, 103f.), erscheint methodisch schwierig.

Im siebten Kapitel greift Gresser die Diskussion um eine Ermordung Clemens II. durch den ihm feindlich gesinnten stadtrömischen Adel auf. Die ältere Theorie von einer Vergiftung konnte bei pathologischen Untersuchungen 1958 nicht bestätigt werden. Unter Annahme einer heute nicht mehr nachweisbaren Pflanzenvergiftung (112) schließt Gresser zum frühen Tod des Papstes: "Schuld daran waren seine Widersacher [...], die einen blonden Bischof aus dem Norden [...], gerne beseitigt sehen wollten. Mag der letzte Beweis für die Ermordung des Papstes auch mit Hilfe naturwissenschaftlicher Methoden heute nicht mehr zu erbringen sein, aus historischer Perspektive erscheint sie mehr als wahrscheinlich" (155).

Überlegungen zur Stabilisierung des noch jungen Bistums Bamberg mit Hilfe der päpstlichen Grablege stellt Gresser im achten Kapitel deren kunsthistorische Einordnung voran. Und auch das reiche Nachleben des Papstes, etwa in der lokalen Dichtung wird gewürdigt. Schließlich diskutiert Gresser die ausgebliebene Heiligsprechung Clemens II. Obwohl "der arme Papst" "den heldenhaften Kampf gegen die Häretiker, Simonisten und Nikolaiten" "mit dem Leben bezahlen" musste (128), blieb ein entsprechendes Verfahren aus. Neben den ungünstigen Umständen der Zeit führt der Autor an, dass das Gerücht um die Ermordung des Papstes durch die Reformfeinde, also sein heiligenmäßiges Martyrium, erst sehr viel später aufgekommen sei (128).

Dem darstellenden Teil ist ein umfangreicher Anhang (157-208) beigegeben, der zahlreiche, sonst verstreut liegende Quellen zu Clemens II. zusammenträgt. Den Abschluss bilden die Anmerkungen sowie der Quellen- und Literaturapparat; ein Register fehlt leider.

Mit seiner Arbeit stößt Georg Gresser in eine Lücke der modernen Geschichtsschreibung. Während die Geschichte der Päpste aus der Zeit des sogenannten Investiturstreits intensiv aufgearbeitet wurde, stehen für die Zeit des "Reformpapsttums" meist nur überblicksartige Untersuchungen zur Verfügung. Diesen Mangel unternimmt es Gresser für Clemens II. abzuhelfen, wobei ihn die teilweise mehr als dürftige Quellenlage für seine Schlussfolgerungen immer wieder zu Spekulationen oder methodisch gewagten Parallelen verleitet. Auch kann das Buch die Ehrerbietung, die der Bamberger Historiker seinem Untersuchungsgegenstand entgegenbringt, nicht verleugnen, was vielleicht auch dazu beigetragen hat, Clemens II. eine wegweisende Funktion für die weitere Entwicklung zuzusprechen (129, 153ff), die sich in den Quellen oft nur in Andeutungen finden lässt.


Anmerkung:

[1] Werner Goez: Papa qui et episcopus. Zum Selbstverständnis des Reformpapsttums im 11. Jahrhundert, in: AHP 8 (1970), 27-59. Dass sich diese Ansicht durchgesetzt hat, zeigt z.B. Wilfried Hartmann: Der Investiturstreit, 2. Auflage, München 1996 (EDG; Bd. 21), 84.

Markus Knipp