Mary Stroll: Calixtus II (1119-1124). A Pope Born to Rule (= Studies in the History of Christian Traditions; Vol. CXVI), Leiden / Boston: Brill 2004, XIX + 540 S., ISBN 978-90-04-13987-9, EUR 158,00
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Der Pontifikat Calixts II. (1119-1124) gehört mit zu den bewegenden Pontifikaten der hochmittelalterlichen Papstgeschichte. Der Name Calixts II. ist jedem Geschichtsstudent durch das Wormser Konkordat bekannt und so verwundert es nicht, dass diesem Papst eine Monographie gewidmet wurde. Etwas sonderbar erscheint jedoch der Zeitpunkt, zu dem Strolls Werk erschien, war doch sechs Jahre zuvor bereits eine umfangreiche Monographie zu diesem Papst aus der Feder von Beate Schilling in der angesehenen Reihe der MGH-Schriften veröffentlicht worden. [1] Einer derartigen Beliebtheit konnte sich in den letzten zehn Jahren allein Gregor VII. erfreuen, der von Cowdrey, Blumenthal und Cantarella monographisch gewürdigt wurde. Auf die Arbeit von Schilling nimmt Stroll bereits im Vorwort Bezug. Deren Monographie wird dabei in eine deutsche Forschungstradition gestellt, die vorrangig das Verhältnis zwischen Reich und Papsttum beleuchte, während Stroll die Wichtigkeit dieses Ansatzes nicht verleugnen möchte, doch "from the perspective of Calixtus" zu einem tieferen Verständnis des Pontifikats zu gelangen versucht (XV).
Stroll ist kein Neuling in der Papstgeschichte, wie ihre Bücher über Innozenz II. belegen. Und so rechnet man bei der Lektüre ihres Buches über Calixt II. mit einem profunden Beitrag, wie es das Vorwort ankündigt. Dazu lässt Stroll zunächst die Lebensstationen des späteren Papstes bis zu seiner Erhebung Revue passieren (3-74). Der Pontifikat wird im folgenden jedoch nicht chronologisch abgearbeitet, sondern zunächst in vier Regionen aufgefächert, England (77-176), Deutschland (179-226), Spanien und Frankreich (229-286) sowie Italien (289-354). Daran schließt sich als thematisches Kapitel das Wormser Konkordat an (357-422). Das letzte Kapitel "Summing Up" (425-479) bietet Ausführungen, die in der bisherigen Systematik nicht unterzubringen waren, wie etwa einen kurzen Abschnitt über Kardinäle und Legaten unter Calixt II. (460-464).
Die Abhängigkeit der Arbeit Strolls von Schilling ist über weite Strecken sehr deutlich. [2] So sind Teile des Kapitels über Guidos Zeit als Erzbischof von Vienne (16-23) im Grunde eine Wiedergabe der Regesten, die sich im Anhang der Arbeit bei Schilling finden. Unzureichende Deutschkenntnisse im angelsächsischen Sprachraum könnten diese Übertragung und Ausformulierung ins Englische rechtfertigen, doch war Papsttumsforschung immer eine international angelegte Disziplin und ist es heute noch, so dass dies kaum zur Rechtfertigung angeführt werden kann. Denn nicht zuletzt angesichts des stolzen Preises von 158 EUR richtet sich das Buch kaum an den Laien, sondern ausschließlich an den Fachmann und Bibliotheken, die derartige Preise noch zu zahlen bereit sind.
Der Kenner wird zu fast allen Begebenheiten im Pontifikat Calixts II. etwas finden, was teilweise auch durch den Stil des Buches bedingt ist: Zu weiten Teilen reiht es die Handlungen Calixts II. auf ein Thema bezogen chronologisch im Stile von Jahrbüchern aneinander. Dies sei am Kapitel über Süditalien verdeutlicht, das mit "Italy and the Normans" (312-328) betitelt ist. Eingangs betont Stroll völlig zurecht, dass Calixt den süditalienischen Verhältnissen große Aufmerksamkeit widmete. Doch auch nach einer allgemeinen Einführung zum besonderen Verhältnis der Päpste zu ihren Lehnsmännern im Süden der Apenninhalbinsel ist - abgesehen von den mehrfach von Stroll betonten ungewöhnlich langen Aufenthalten im Süden - nicht genau zu erkennen, was das Besondere der Süditalienpolitik Calixts II. gewesen ist. Setzte Calixt II. schlicht die Politik seiner Vorgänger fort und bediente sich identischer Instrumente, um diese zu verfolgen, lediglich in intensiverer Weise? Die Linie geht in der Aneinanderreihung von Einzelhandlungen verloren. Von dem Bemühen um eine Zusammenstellung der Einzelbelege zeugt auch die ausgiebige Zitierung der Quellen, die den Anmerkungsapparat bisweilen unnötig aufbläht. Spätestens im Zeitalter der D-MGH scheint es überflüssig, zeilenlang Passagen aus den Scriptoresbänden der MGH zu zitieren, wenn das Zitat allein die im Haupttext getroffene Aussage farbig untermalen soll und eine kritische Auseinandersetzung mit dem Zitat fehlt. Dass der Wald vor lauter Bäumen bisweilen aus dem Blickfeld gerät, wird auch an der Interpretation der Ereignisse durch Stroll deutlich. Denn die in der Zusammenfassung des Buches wiederholte Wertung der Süditalienpolitik Calixts II. als Erfolg, der weit über das hinausging, was seine Vorgänger erreicht hatten (477), wird man kaum teilen wollen. Zwar widmete sich Calixt in der Tat sehr intensiv dem Süden, doch sein Pontifikat endet gerade in Hinblick auf die Normannenpolitik mit einem Fiasko, das Rom etwa in Kalabrien bis zum Ende des 12. Jahrhunderts fast jeden Einfluss genommen hatte. Die in der Tat gut zu belegenden zahlreichen Aktivitäten Calixts II. in Unteritalien und zumal seine Politik gegenüber Roger II. sind keineswegs mit einer erfolgreichen Politik in dieser Region gleichzusetzen, sondern bewirkten langfristig gesehen vielmehr das Gegenteil.
Für die beiden Karten am Ende des Textes, welche die geographische Orientierung erleichtern, ist der Benutzer dankbar. Das Quellenverzeichnis bietet neben der Nennung der Papsturkunden in Italien in zehn (!) Bänden (offensichtlich eine Verwechslung mit der Italia Pontificia) als Kuriosum auch die Arbeit von Barbara Zenker zu den Mitgliedern des Kardinalkollegiums von 1130 bis 1159 als Quelle an. Ein Personen-, Orts- und Sachregister (513-533) erschließt den Band.
Anmerkungen:
[1] Beate Schilling: Guido von Vienne - Papst Calixt II. (= MGH Schriften; 45), Hannover 1998.
[2] Vgl. bereits die Rezension der Arbeit Strolls durch Schilling in DA 62 (2006), 321f.
Jochen Johrendt