Barbara Maria Stafford: Echo Objects. The Cognitive Work of Images, Chicago: University of Chicago Press 2007, 281 S., ISBN 978-0-226-77051-2, USD 45,00
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"Mimesis again!" lautet das wohl überraschendste Kapitel in dem neuen Band von Barbara Stafford. Diese Forderung ist so paradigmatisch gemeint wie sie klingt und erlebt in dem Buch mit dem Titel "Echo Objects" auf eine gleichermaßen spektakuläre wie wissenschaftlich anspruchsvolle Weise eine Wiederkehr. Die in Chicago lehrende Kunsthistorikerin hat damit eine weitere, groß dimensionierte Studie zur Geschichte des Visuellen vorgelegt. Bereits mit dem 1998 auf Deutsch erschienenen Titel "Kunstvolle Wissenschaft" lieferte sie einen ambitionierten Beitrag zu der sich seinerzeit in Europa gerade erst durchsetzenden, als 'Visual Studies' aus Amerika kommenden Bildwissenschaft. Schon in diesem Band über Geschichte und Niedergang der visuellen Bildung stellte die Autorin ihre Fähigkeit unter Beweis, weit voneinander entfernt liegende oder bislang als gegensätzlich begriffene Wissensfelder spielerisch zusammenzudenken. Die Frage nach dem Bild rückte scheinbar Vertrautes und Kanonisches in ein neues Licht. Auch das Buch "Echo Objects" ist von diesem Denkstil getragen und gerade darum muss die dort begründete Rückkehr des Bildes als Abbild verwundern.
"Echo Objects" verdankt sich keiner originären kunst- oder bildgeschichtlichen These. Die Absicht des Buches besteht nicht darin, von einem Phänomen ausgehend nach begrifflichen Bestimmungen zu suchen oder aus der Beobachtung am Gegenstand heraus zu neuen Reflexionen zu gelangen. Aus dieser Perspektive ist der Titel nicht zu verstehen. Der Band verfährt umgekehrt. Als eine Studie über die "kognitive Arbeit der Bilder", so der Untertitel, ist der Band von Ergebnissen der Hirnforschung über die neuronalen Bedingungen der Bildwahrnehmung inspiriert. Grundlegend dafür ist die Entdeckung der sogenannten "Spiegelneuronen", auf deren Grundlage dem Menschen eine vorbewusste, intuitive Nachahmung des Sichtbaren möglich ist. In welcher Weise die Arbeit dieser Spiegelneuronen die Wahrnehmung nicht nur zu einer Kopie des Sichtbaren werden lässt, sondern ihrerseits auch das Sehen selbst zu prägen und sich in die Produktion von Bildern einzuschreiben vermag, ist von den Neurowissenschaften unter Bezugnahme auf die Kunstgeschichte eindrucksvoll zur Diskussion gestellt worden. Besonders im Gedächtnis geblieben ist hierbei die Arbeit von Semir Zeki, der die Gemälde von Claude Monet, bislang stets als Zeugnisse der Beobachtungsleistung eines eminenten Malerauges geschätzt, nun als Selbstbildnis des Gehirns von Monet interpretierte. Barbara Stafford hat diese Anregungen Zekis aus dessen Band "Inner Vision" von 1999 aufgenommen, konsequent verfolgt und universalisiert. Anders als die ebenfalls 1999 von Karl Clausberg vorgelegte "Neuronale Kunstgeschichte" versammelt sie keine Bildgeschichte der Erforschung neuronaler Phänomene. Den Bogen von der urzeitlichen Höhlenmalerei bis zur Videokunst der Gegenwart spannend, stellt ihr Buch vielmehr den Versuch einer Überblicksdarstellung der bildenden Kunst als Geschichte der neuronalen Bildarbeit dar.
Bereits in einer anderen Rezension des Bandes wurde auf die traditionelle dunkle Seite dieser Theorie hingewiesen. Sie drängt sich aus Sicht der Historie der Kunstgeschichte besonders auf und ist in der verdienstvollen interdisziplinären Studie vernachlässigt worden. Die Neurowissenschaften mögen die These, dass der Betrachter im Bild sei, theoretisch auf eine neue Stufe gehoben haben. Doch allzu sehr verbindet sich mit dieser Art Geschichte der Beobachtung auch der unselige Kurzschluss, das Kunstwerk würde die physische oder gar psychische Konstitution des Künstlers abbilden. Auf diese Weise ist es im 19. Jahrhundert immer wieder zu Verdächtigungen gekommen, El Greco, William Turner oder Claude Monet würden malen, wie sie sehen und die Unschärfe ihrer Bilder wäre daher auf einen Sehfehler oder sogar Wahnsinn zurückzuführen. Unter Bezug auf die moderne Neurobiologie diesen kunsthistorisch längst überwundenen Standpunkt renoviert zu haben, ist die Schattenseite des Buches von Barbara Stafford.
Man kann "Echo Objects" in eine Problemgeschichte der Rezeptionsästhetik einordnen oder mit dem Gedanken spielen, dass durch ein größeres Interesse seitens der Neurowissenschaften für die Geschichte der Kunstgeschichte und ihrer Methoden die Hirnforschung in andere Bahnen gelenkt worden wäre. Das größte Echo jedoch muss die hier begründete Renaissance der Mimesis mit Blick auf die jüngste Entwicklungs- und Ideengeschichte der Bildforschung auslösen. Es ist zu früh und in der Sache wohl auch nicht fruchtbar, bereits Maßstäbe zur Bewertung dieses jüngsten Paradigmas der Wissenschaftsgeschichte festlegen zu wollen. Befremdet von der "Bildwissenschaft", wie sie ein vor einiger Zeit erschienener Sammelband mit Porträts bedeutender Kunsthistoriker in Anführungszeichen setzte, wird die Kunstgeschichte rückblickend nicht einmal die Legitimität des sogenannten "iconic turn" anerkennen. Eines jedoch ist bereits jetzt sicher. Die ab Mitte der 1990er Jahre fächerübergreifend gestellte und gehörte Frage nach dem Bild ist bei aller Gegensätzlichkeit der Disziplinen und Gegenstände in einem Punkt zu einer Antwort gekommen. Bilder sind nicht als Illustrationen oder Abbildungen von Erkenntnis und Geschichte zu begreifen, sondern müssen selbst als erkenntnis- und geschichtsbildend angesehen werden. Diese Grundlage der kunsthistorischen Bildforschung ist als These und Ergebnis in den letzten Jahren so oft geäußert worden, dass inzwischen Langeweile damit erzeugt und allein dadurch schon der Ruf nach einem neuen und die Wissenschaftswelt erneut erschütternden 'turn' laut zu werden scheint. Auch "Echo Objects" gipfelt in dem Ruf nach einem neuen 'turn'. Nach der Wiederkehr der Bilder die Wiederkehr der Abbilder? Der Preis dafür wäre zu hoch. Er würde der Kunstgeschichte nicht zuletzt die Möglichkeit eigenständiger interdisziplinärer Arbeit rauben, die als Bildforschung besonders sinnvoll begründet werden kann. Auch als Grundlage einer immer wieder geforderten Selbstbesinnung der Kunstgeschichte, die sich in dieser interdisziplinären Bildforschung scheinbar verloren hätte, ist der von Barbara Stafford ausgerufene "cognitive turn" wohl ungeeignet. Auch eine neurowissenschaftliche Konzeption des Mimetischen bedeutet eine Verkürzung der Phänomene auf Reaktionen. Wer dem Echo folgt, schreitet rückwärts.
Es gibt Bände über Kunstgeschichte, die allein durch ihre schlüssige Bildauswahl einleuchten und deren Gedankengang schon beim bloßen Durchblättern "durchschaut" werden kann. Ikonologische Analysen haben diese Qualität, "Echo Objects" hat sie nicht. Zumindest auf den ersten Blick wirkt die Bebilderung beliebig, es fehlen visuelle Argumentationen wie Bildvergleiche oder Vergrößerungen von Details. Doch dieser Verzicht und die an Buntheit grenzende Lebhaftigkeit der Abbildungen haben Methode. In dem Versuch, eine für die Wahrnehmungsforschung zweifellos fundamentale These bildgeschichtlich in großem Stil zu befragen und mit möglichst gegensätzlichen visuellen Objekten zu konfrontieren, liegt trotz aller theoretischen Einwände der besondere Reiz dieses Textes. Der bewährte spielerische Denkstil von Barbara Stafford ist ein Leseerlebnis. Als bislang umfassendste Auseinandersetzung mit diesem Thema ist der Band zudem in Bezug auf die Geschichte der Bildforschung in den Neurowissenschaften ein wertvolles wissenschaftsgeschichtliches Spiegelbild.
Jörg Probst