Rezension über:

Patrick O'Flanagan: Port Cities of Atlantic Iberia, c. 1500-1900, Aldershot: Ashgate 2008, xvii + 332 S., ISBN 978-0-7546-6109-2, GBP 75,00
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Rezension von:
Niels Wiecker
Historisches Seminar, Universität Hamburg / Berlin
Redaktionelle Betreuung:
Julia A. Schmidt-Funke
Empfohlene Zitierweise:
Niels Wiecker: Rezension von: Patrick O'Flanagan: Port Cities of Atlantic Iberia, c. 1500-1900, Aldershot: Ashgate 2008, in: sehepunkte 9 (2009), Nr. 11 [15.11.2009], URL: https://www.sehepunkte.de
/2009/11/15355.html


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Patrick O'Flanagan: Port Cities of Atlantic Iberia, c. 1500-1900

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Bereits seit Jahrzehnten befasst sich die Forschung eingehend mit den Häfen der Iberischen Halbinsel. Nach einer ersten Welle quantifizierender Studien, die sich in den 1960er und 1970er Jahren auf Warenverkehr und Schiffsbewegungen vor allem in den großen Atlantikhäfen Sevilla und Cádiz konzentrierte, folgten zwei Strömungen, die sich mit der wirtschaftlichen Entwicklung des Hinterlandes der Häfen und mit den Händlereliten in den Hafenstädten befassten. Für Portugal entstanden vergleichbare Studien mit einiger Verzögerung, was vor allem der schwierigen Quellenlage durch das Erdbeben von 1755 geschuldet sein dürfte. Trotz dieser Fülle von Publikationen gibt es bisher keine vergleichenden oder synthetisierenden Veröffentlichungen, die die Häfen der Iberischen Halbinsel in ihrer Gesamtheit betrachten.

Partick O'Flanagan legt nun erstmals einen solchen Überblick für die spanischen und portugiesischen Häfen an der Atlantikküste vor. Er betrachtet auf Grundlage der vorhandenen Literatur die wichtigsten atlantischen Hafenstädte beider Länder zwischen 1500 und 1900. Als Ausgangspunkt formuliert er die Frage, wie sich deren wechselnde Funktionen auf ihre urbanen Entwicklungen auswirkten. Der Band ist klar gegliedert und beginnt mit einem umfassenden Literaturüberblick, der angesichts der Materialfülle notgedrungen aufzählenden Charakter hat. Es folgt ein kondensierter Überblick über die westeuropäische Expansion.

Im Hauptteil des Buches unterscheidet der O'Flanagan große Metropolhäfen und kleinere, zweitrangige Häfen. Zu den Metropolhäfen zählt er Sevilla, Cádiz und Lissabon, die die iberischen Brückenköpfe für den Handel mit Iberoamerika bildeten. Die geographischen Gegebenheiten der drei Häfen werden eingehend behandelt und die sich daraus ergebenden Vor- und Nachteile besprochen. Anschließend wird die Entwicklung der Städte mit Blick auf den Hafen nachverfolgt. O'Flanagan konzentriert sich dabei auf Handelsströme, auf den Aufbau der staatlichen Handelsverwaltung mit ihrem umfangreichen Behördenapparat und auf die urbane Entwicklung, während die Sozialgeschichte eine untergeordnete Rolle spielt. Er beschreibt Sevillas raschen Aufstieg im 16. Jahrhundert, der eng verbunden war mit Spaniens "Goldenem Zeitalter", und auch den Niedergang der Stadt, als der Flusshafen zunehmend versandete und an der Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert von Cádiz abgelöst wurde. Die herausragende Rolle dieser beiden Hafenstädte beruhte nach Meinung des Verfassers auf ihrem Monopol für den Kolonialhandel, demzufolge der gesamte Austausch zwischen Spanien und Hispanoamerika über diese Häfen abgewickelt werden musste. Für Lissabon macht O'Flanagan deutlich, dass es die Funktion als Hauptstadt war, die es von den spanischen Hafenstädten unterschied. Dieser Status sicherte der Stadt im Gegensatz zu Cádiz auch noch nach der Unabhängigkeit der iberoamerikanischen Gebiete im 19. Jahrhundert die führende Position in Portugal.

Auf knappen zehn Seiten behandelt O'Flanagan zusätzlich die Kanaren, die Azoren und Madeira, die er als Außenposten der großen Metropolhäfen versteht. Sie hatten vor allem geostrategische und nautische Bedeutung, doch echte Schwergewichte im Atlantikhandel waren sie mangels eigener wirtschaftlicher Bedeutung nicht. Den Abschluss bildet eine Betrachtung Kastiliens und seiner nördlichen Häfen. Auch wenn sich die Zuordnung dieses Abschnitts zu den großen Metropolhäfen nicht erschließt, wäre eine Untersuchung der spanischen Exportwirtschaft ohne einen Blick auf die Wollproduktion Kastiliens unvollständig.

Zu den zweitrangigen Atlantikhäfen zählt O'Flanagan Porto, La Coruña, Santander und Bilbao. Auch für diese findet sich jeweils eine geographische Einführung und anschließend eine Beschreibung der weiteren Entwicklung von Stadt und Hafen. Porto handelte ab dem 18. Jahrhundert überwiegend Portwein mit Nordeuropa und verdankt diesem Produkt seinen Aufstieg. La Coruña und Santander stiegen erst spät im 18. Jahrhundert zu bedeutenden Atlantikhäfen auf, als die spanische Krone das Monopol für Cádiz zu lockern begann und weitere Häfen für den Handel mit Iberoamerika zuließ. Dagegen verfügte Bilbao schon seit dem 16. Jahrhundert über einen bedeutenden Hafen, da der Großteil der spanischen Woll- und Eisenausfuhren nach Nordeuropa von hier aus Spanien verließ.

Man wird in diesem Band nichts finden, was nicht schon an anderer Stelle geschrieben wurde. O'Flanagan vertraut fest auf den Forschungsstand. Sein Ziel ist es nicht, diesen kritisch zu hinterfragen, sondern vielmehr, ihn möglichst korrekt und prägnant wiederzugeben. Dementsprechend folgen auch die Schwerpunkte in den jeweiligen Kapiteln der Literaturlage. Innerhalb jedes Kapitels wird nur der gerade behandelte Hafen angesprochen, während Querverweise oder gar Vergleiche zwischen den Häfen ausbleiben. Erst in der Zusammenfassung am Ende des Bandes wagt der Verfasser eine Analyse der geschilderten Entwicklungen.

Das große Verdienst von O'Flanagan ist es, eine mittlerweile fast unüberschaubare Fülle an Einzelstudien verschiedenster Sprachen zusammengetragen zu haben und daraus einen gut lesbaren Überblick über die Geschichte der Atlantikhäfen Spaniens und Portugals geschaffen zu haben. Angesichts des nach wie vor von nationalen Schranken begrenzten Forschungsstandes gelingt O'Flanagan dabei die kleine Sensation, spanische und portugiesische Häfen gleichgewichtig nebeneinander zu stellen. Der Leser bekommt eine verlässliche Einführung und ein grundsolides Referenzwerk - allerdings beeinträchtigt durch einige falsche Schreibweisen - zu den behandelten Häfen, das für einen ersten Zugang hervorragend geeignet ist und es künftigen Forschern wesentlich erleichtern wird, sich in der Materialfülle zu orientieren. Gut ausgewählte Illustrationen, ein umfassendes Literaturverzeichnis und ein Register runden den Band ab.

Niels Wiecker