Rezension über:

Caroline Arscott: William Morris and Edward Burne-Jones. Interlacings, New Haven / London: Yale University Press 2008, 260 S., ISBN 978-0-300-14093-4, GBP 40,00
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Rezension von:
Grischka Petri
Institut für Kunstgeschichte und Archäologie, Universität Bonn / Department of History of Art, University of Glasgow
Redaktionelle Betreuung:
Ekaterini Kepetzis
Empfohlene Zitierweise:
Grischka Petri: Rezension von: Caroline Arscott: William Morris and Edward Burne-Jones. Interlacings, New Haven / London: Yale University Press 2008, in: sehepunkte 10 (2010), Nr. 2 [15.02.2010], URL: https://www.sehepunkte.de
/2010/02/15277.html


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Caroline Arscott: William Morris and Edward Burne-Jones. Interlacings

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In Deutschland ist William Morris (1834-1896) wohl bekannter als Edward Burne-Jones (1833-1898). Die im Kunstmuseum Bern noch von März bis Juli gezeigte Burne-Jones-Retrospektive spielt mit ihrem an Morris angelehnten Titel The Earthly Paradise auf die Freundschaft und gemeinsamen Projekte beider Künstler an. [1] An diesem Punkt will auch das Buch der am Londoner Courtauld Institute tätigen Caroline Arscott ansetzen. Sein Untertitel, "Interlacings" ("Verflechtungen"), kündigt eine doppelte Perspektive der Autorin an, die nach einer Einleitung beiden Künstlern im Wechsel insgesamt acht Kapitel widmet.

Zur Gestaltung vorweg: Der Band ist opulent und durchgehend farbig illustriert. Ein Fehlgriff war aber die Entscheidung für die Schrift Vectora, einer eigentlich für klein gedruckte Fahrpläne gedachten Type, die in der hier verwendeten Größe unruhig und unausgewogen wirkt.

Arscott stellt einleitend fest, dass zwischen Morris und Burne-Jones enge Verbindungen von "Themen, Anspielungen und formalen Strategien" vorliegen. Dies prägte die Leben und die Freundschaft beider Künstler, seit sie sich 1853 als Studenten in Oxford kennenlernten (9). Arscott möchte poetischen Inhalten in den Werken beider Männer nachgehen und dem Verhältnis von Malerei und Design besondere Aufmerksamkeit schenken (9f.).

Im zweiten Kapitel, "Morris: The Gymnasium", bringt Arscott die Ideen von Archibald MacLaren, Morris' und Burne-Jones' Sportlehrer in Oxford, mit den Pflanzenmustern auf verschiedenen Tapeten Morris' in Verbindung. Die Begründung dafür (39) bleibt vage: Die Autorin erkennt ornamentale Qualitäten der Turnübungs-Illustrationen in MacLarens Veröffentlichungen (45), dem sie ein Interesse am Ornament zuspricht, was sie auf Morris rückprojiziert. Arscott will aber ohnehin weniger strikt schlussfolgern, sondern "explore the full range of possible associations" (47), und diese sich selbst zugestandene Freiheit zur Assoziation nutzt sie auch in den folgenden Kapiteln aus.

Die Hauptthese des mit "Burne-Jones: The Perseus Series" überschriebenen Kapitels präsentiert den gepanzerten Körper des Helden als Vehikel der Erneuerung der Heldenerzählung durch moderne Maschinenästhetik (53). Hierzu unternimmt Arscott einen lesenswerten Exkurs in die Geschichte der Waffen- und Panzerungstechnik des viktorianischen England (75-77), auch wenn das Verhältnis zur Kunst Burne-Jones' teilweise ungeklärt bleibt.

Im Kapitel "Morris: Four Walls / Heart and Flesh" überzeugen wie schon in den vorhergehenden Kapiteln (31, 66) vor allem die detaillierten Beobachtungen Arscotts (91). Problematisch sind einmal mehr die Schlussfolgerungen. Dass es in Morris' Designs beispielsweise um "pleasure and pain" gehen soll (92), weil Morris sich entsprechende Handschriftenilluminationen in der British Library angeschaut haben könnte, dürfte - unabhängig von der komplexen Frage der Mittelalterrezeption Morris' - nicht allgemein überzeugen, im Gegensatz zu einigen von Arscotts Interpretationen der Gedichte Morris' (98, 151).

Im Kapitel "Burne-Jones: The Briar Rose Series" führt Arscott eine Metapher ein (105f.), auf die sie immer wieder zurückkommt: diejenige der Zuordnung von Motiven, letztlich sogar der Künstler selbst (153f.), zu den Hautschichten der Epidermis (Burne-Jones) und Dermis (Morris). Wieder einmal fallen exzellente Beobachtungen am einzelnen Werk auf, hier Burne-Jones' St. George, 1873-77, dessen Held einen Schild aus uneindeutigem Material zwischen Haut und Metallpanzer trägt (107f.). Verblüffend ist, dass der Name Morris' in diesem Kapitel kein einziges Mal fällt, obwohl die Ähnlichkeiten zwischen Burne-Jones' Dornenranken, welche den formalen wie narrativen Zusammenhang der vier Gemälde der Dornröschensage (Briar Rose) bilden, und Morris' Tapeten unmittelbar ins Auge springen. Hier werden Erkenntnisperspektiven verschenkt, die eigentlich zum erklärten Thema des Buches gehören.

Das sechste Kapitel, "Morris: The Primitive", will der Frage nachgehen, wie Morris' politische Ansichten seine Kunst prägten, ist aber eher ein - keineswegs langweiliger - Essay über Ornamenttheorien und Tätowierungen der Maori, die mit Morris-Designs verglichen werden. Ob all das, was Arscott zu den Maori sagt, ebenso für Morris gilt, darf angezweifelt werden, auch wenn die Autorin theoretische Positionen von Alois Riegl und Gottfried Semper bis Owen Jones und Henry Balfour bemüht.

In dem den Buchuntertitel aufnehmenden Kapitel "Burne-Jones's View of Morris (Interlacings)" synthetisiert Arscott ihren Vergleich beider Künstler und stellt die These auf, Morris sei für Burne-Jones ein alternatives Ideal gewesen (156). Sie argumentiert mit Konzepten von Körper und Haut, Panzerungen, Ornament und Tätowierung, aber dichter als in den vorhergehenden Kapiteln. Bemerkungen zum Verhältnis von Dekoration und Erzählung im viktorianischen Ästhetizismus (156f.) und konkrete Untersuchungen zu Zeichnungen Burne-Jones', die auf einem Jahrmarkt auftretende Schausteller mit Ganzkörpertätowierungen zeigen (159-163), bieten greifbare Zusammenhänge.

Im Kapitel "Morris: The River" vergleicht Arscott die Fläche des Designs mit der Wasserfläche, in welcher der Angler fischen geht. Sie betrachtet dazu die nach Flüssen benannten Morris-Designs (177) und geht anschließend auf das Angeln als Hobby Morris' und die Parallele von Angeln, Jagd und Krieg ein. Angeln und künstlerische Aktivität zeigten viele gemeinsame notwendige Fertigkeiten. Tiefe und Oberfläche seien eine Parallele von Angeln und ornamentaler Gestaltung (185-189). Das inhaltliche Fazit dieses Kapitels, das noch an mehreren Themen entlang mäandert, bleibt freilich trübe.

Das vielleicht beste Kapitel, "Burne-Jones: Stained Glass", nimmt die Glasmalereien in Saint Philip in Birmingham zum Ausgangspunkt. Arscott greift die zeitgenössische Gegenüberstellung von "pictorial art" und "decorative art" auf, um die Glasmalerei als ideales Medium für deren Synthese zu analysieren (207). Die Bleifassungen sieht sie als Burne-Jones' Schaffen befreiendes Gestaltungselement (210), dessen ästhetische Funktionsweise sie anregend diskutiert (214). Die Glasmalerei erscheint hier als (Er-)Lösung für die künstlerischen Probleme Burne-Jones', Farbe und Dunkel zu kombinieren und sich an Morris' lebendiger Ornamentik abzuarbeiten.

Trotz der anregenden Abschnitte und ausgezeichneten Beobachtungen wird das Buch seinem Titelthema und dem einleitend formulierten Programm unter dem Strich nicht gerecht. Bis auf kurze Passagen (212) werden weder die gemeinsamen Vorhaben beider Künstler für Morris, Marshall, Faulkner & Co. (nach 1875 Morris & Co.) noch die gemeinsamen Buchgestaltungsprojekte thematisiert. Die "interlacings" werden ausschließlich in abstrakten Konzepten gesucht. Diese werden nicht aus den Werken entwickelt, sondern nach Bedarf aus dem reichhaltigen Fundus der viktorianischen Kulturgeschichte und ihren Visualisierungen oder sogar unter Rückgriff auf Freud und Lacan (48, 67). Während Tiefe und Raum psychoanalytisch gedeutet werden, bleiben zeitgenössische Debatten etwa zur Flachheit des Japonismus' als Konkurrenzdesign zu Morris unberücksichtigt. Weniger eine "hermeneutic complexity" [2] denn eine irritierende Assoziationsfreiheit führt dazu, dass eine wirklich kohärente These zum Verhältnis beider Künstler nicht aufgestellt wird. Das mag auch daran liegen, dass fünf Kapitel Umarbeitungen von Vorträgen oder Aufsätzen sind, was zwar nicht unüblich ist, aber der Darstellung des Gesamtzusammenhangs schadet.

Positiv fallen die detaillierten Beobachtungen der Autorin auf, die es außerdem versteht, einen weiten Bogen der viktorianischen Kulturgeschichte zu spannen. Ein Buch von Caroline Arscott über Tätowierungen im England des 19. Jahrhunderts und deren Wechselwirkungen mit Hochkunst und ästhetischer Theorie würde ich gern lesen. Wenn es um Morris oder Burne-Jones geht, können die "interlacings" indes nur punktuell überzeugen.


Anmerkungen:

[1] Edward Burne-Jones. Das Irdische Paradies, Ausst.-Kat. Kunstmuseum Bern / Staatsgalerie Stuttgart, Ostfildern 2009.

[2] Imogen Hart: Review of 'William Morris & Edward Burne-Jones: Interlacings' by Caroline Arscott, in: Visual Culture in Britain 10 (2009), 208-210, hier 209; http://dx.doi.org/10.1080/14714780902925192.

Grischka Petri