Helmuth Schneider: Geschichte der antiken Technik (= C.H. Beck Wissen; Nr. 2432), München: C.H.Beck 2007, 128 S., 18 s/w-Abb., ISBN 978-3-406-53632-8, EUR 7,90
Buch im KVK suchen
Bitte geben Sie beim Zitieren dieser Rezension die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.
Nino Luraghi: The Ancient Messenians. Constructions of Ethnicity and Memory, Cambridge: Cambridge University Press 2008
Ingemar König: Der römische Staat. Ein Handbuch, Stuttgart: Reclam 2007
Edward Bispham: From Asculum to Actium. The Municipalization of Italy from the Social War to Augustus, Oxford: Oxford University Press 2007
Bei dem zu besprechenden Buch handelt es sich um eine Einführungs- und Überblickslektüre zur antiken Technik, die sich entsprechend der Vorgaben der Reihe "C. H. Beck Wissen" an Studierende und historisch interessierte Laien richtet. Es sei aber schon an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass es der Verfasser Helmuth Schneider, ein ausgewiesener Kenner der Materie, schafft, auch den mit der Antike längst vertrauten Rezipienten zu fesseln. Hierbei zeigt sich sein Ansatz als äußerst gewinnbringend, auf knapp 100 Seiten Fließtext die antike Technik in einer longue durée-Struktur vom archaischen Griechenland bis zur Spätantike schwerpunktmäßig zu verfolgen und dabei die einzelnen Themen gegliedert aufeinander aufbauend, detailreich aber bündig vorzustellen. Didaktisch geschickt führt er den Leser, der die technischen Errungenschaften der modernen Welt mittlerweile als selbstverständlich ansieht, in die im Vergleich dazu technikarme, allerdings nicht technikfeindliche Welt der Antike (13-18), wobei er die antike Technik in den Kontext der politischen Entwicklung als eine Form von zivilisatorischem Katalysator einbindet (22-25).
Schneider erreicht sein Ziel, die Antike als Epoche innerhalb der Technikgeschichte darzustellen, durch eine punktuelle Betrachtung der Unterschiede, aber auch Gemeinsamkeiten bzw. Kontinuitäten der vorindustriellen Zeiträume von der neolithischen Revolution bis hin zum Mittelalter. Dabei macht er Innovationsschübe in der Ressourcengewinnung und -nutzung und in den Arbeitsprozessen aus (6-10). Gleichzeitig grenzt er den griechisch-römischen Kulturraum nicht nur klimatisch und geographisch (10-12), sondern auch technisch und zivilisatorisch von den Hochkulturen Ägyptens und des Vorderen Orients ab (21-25). In Schneiders Darstellung kommt deutlich zum Ausdruck, wie sehr die Antike durch die kulturelle und wirtschaftliche Einbindung des mediterranen Raums von der technischen Entwicklung der Hochkulturen profitiert hat. Hierbei steht vor allem der Handel im Vordergrund, bedingt durch die relative Ressourcenarmut der griechischen Siedlungskammern (12).
Schneider beschreibt in einzelnen Kapiteln den technischen Fortschritt innerhalb der Felder ziviler und militärischer Anwendung, wobei er von der Landwirtschaft bis zum Straßenbau die Innovationen gemäß ihrer Epochenentwicklung verfolgt. Durchgängig hält er die Energiequellen innerhalb der Arbeitsprozesse im Blick, d.h. menschliche und tierische Arbeitskraft, Wasserkraft und thermische Energie (26-30), auch im Zusammenhang mit den Auswirkungen auf die Umwelt (30). So verweist er bei den technischen Erfindungen wie z. B. der Schraube (40f.) oder neuen Erkenntnissen wie dem Hebelgesetz (100-102) nicht nur auf die Effizienzsteigerung, sondern auch auf die Entlastung der menschlichen oder tierischen Arbeitskraft. Ein weiterer Schwerpunkt ist Schneiders Präsentation der "Träger des technischen Fortschritts" (19) bzw. "technische Elite" (19), die er - neben den Verfassern der Fachliteratur (116-120) - als die Architekten und Mechaniker im griechisch-römischen Kulturraum identifiziert (20). Ihnen ist die Entwicklung der Automatentechnik zu verdanken, die spätestens im Hellenismus in die Neuzeit weisende Formen annimmt (102-106).
Auch beim durchgängigen Einsatz des antiken Quellenmaterials zeigt sich die Souveränität des Autors, wenngleich für den zwar an Technik-, Umwelt- und Wirtschaftsgeschichte interessierten, jedoch mit der antiken Literatur noch nicht so vertrauten Rezipientenkreis genaue Stellenangaben wünschenswert gewesen wären. Dem vorgegebenen beschränkten Raum ist sicherlich auch der Umstand geschuldet, einige Themen nur sehr knapp abzuhandeln. Doch da die Entwicklung von der Papyrusrolle zum Codex als technischer Fortschritt zu Recht von Schneider mit der Erfindung des Buchdrucks in der Neuzeit gleichgesetzt wird (100), hätte man zum hochspannenden Thema "Die Kommunikation - Schrift und Buch" mehr als 3 1/2 Seiten erwarten dürfen; insbesondere, da die Überlieferungsgeschichte antiker Quellentexte den Wechsel zum Codex als erste große Abschriftenhürde ansieht. Ein weiterer nützlicher Hinweis in Richtung Wissenschaftsgeschichte wäre der Aspekt der unfreien Arbeit gewesen: Dass es sich bei der menschlichen Arbeitskraft in den antiken Epochen zum überwiegenden Teil um unfreie Arbeit handelt, kommt in der vorliegenden Darstellung meines Erachtens zu kurz. Gerade hier liegt aber die Argumentationsbasis der älteren Forschung, die der Antike durch das Vorhandensein unfreier Arbeitskräfte fälschlicherweise einen gewissen Unwillen zur technischen Entwicklung unterstellt, da die Notwendigkeit der Arbeitserleichterung nicht gesehen worden sei. [1] Schneider entkräftet mit seiner Darstellung der vielfältigen Innovationen diese Argumentation, auch wenn er es leider für die anvisierte Leserschaft nicht deutlich macht. Doch das alles schmälert den Wert der ausgezeichneten Darstellung nicht, es zeigt höchstens, dass beim Leser noch Bedarf nach mehr besteht. [2]
Anmerkungen:
[1] Vgl. H. Schneider: Einführung in die antike Technikgeschichte, Darmstadt 1992, 22-30.
[2] Für eine folgende, zweite Auflage sei angemerkt, dass die Atomzahlen in den chemischen Formeln (61) alle nach oben verrutscht sind. Des Weiteren sollte man SiO2 als Siliciumdioxid bezeichnen, Na2CO3 bezeichnet als chemische Formel nicht Soda/Natriumcarbonat (Formel: Na2CO3 * 10 H2O) sondern ein wasserfreies Natriumcarbonat bzw. calciniertes Soda.
Iris Samotta