Yolanda Rodríguez Pérez: The Dutch Revolt through Spanish Eyes. Self and Other in historical and literary texts of Golden Age Spain (c. 1548-1673) (= Hispanic Studies: Culture and Ideas; Bd. 16), Frankfurt a.M. [u.a.]: Peter Lang 2008, 346 S., 2 Farb- und 6 s/w-Abb., ISBN 978-3-03911-136-7, EUR 59,90
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Markus Reinbold: Philipp II. von Spanien. Machtpolitik und Glaubenskampf, Gleichen: Muster-Schmidt 2009
Die Autorin des hier zu besprechenden Bandes lehrt Literaturgeschichte an der Universität Utrecht. Sie ist ausgewiesene Spezialistin für die Beziehungen zwischen Spanien und den Niederlanden in der frühen Neuzeit, vor allem im Bereich literarischer Quellen. Das Werk, ursprünglich ihre Dissertation, erschien in insgesamt drei Auflagen in niederländischer Sprache in den Jahren 2003 und 2005. Schon allein dieser Verkaufserfolg scheint eine englische Ausgabe zu rechtfertigen. Denn es besteht die berechtigte Hoffnung, dass die grundsätzlich interessanten Ergebnisse der für die vorliegende Edition überarbeiteten Studie nun von einem größeren Kreis an Rezipientinnen und Rezipienten zur Kenntnis genommen werden können.
Rodríguez Pérez hat, so unglaublich es klingt, tatsächlich ein Desiderat der Forschung ausgemacht. Denn während das Bild von den Spaniern in den Niederlanden relativ gut erforscht ist, konnte dies bis zu den Untersuchungen der Autorin für das Bild der Spanier von den Niederlanden und deren Bewohnern nicht behauptet werden. Zusätzlich erarbeitete Rodríguez Pérez auch, wie sich die Spanier selbst in den von ihr behandelten Quellen sahen. Ihre Quellenbasis besteht dabei hauptsächlich aus zwölf wichtigen Kriegschroniken, verfasst von spanischen Autoren, und über hundert so genannten Relaciones und Avisos, also grob gesprochen Flugblättern, die über die Ereignisse in den Niederlanden berichten. Dazu kommen noch um die 35 spanische Theaterstücke, die sich vor allem mit dem Krieg der Niederländer gegen die Spanier auseinandersetzen. Die Quellenauswahl ist ausreichend gewichtet, um wirklich zu aussagekräftigen Ergebnissen über das bei den Spaniern herrschende oder von den einzelnen Autoren erzeugte Bild über die Niederlande zu kommen.
Nach ihrer Einleitung, in der sie besonders ihren Forschungsansatz und die Quellenbasis erläutert sowie die Periodisierung erklärt, widmet sich Rodríguez Pérez in insgesamt sechs Hauptkapiteln ihrem Thema. Das erste schildert das Bild der Niederlande in spanischen Texten vor dem Beginn des Aufstandes. Einen großen Abschnitt nehmen hier die Beschreibungen von Calvete de Estrella und Vicente Álvarez über den Aufenthalt von Philipp II. in den Niederlanden 1549 und 1550 ein. Der Thronfolger brach zwar schon 1548 aus Spanien auf, kam aber erst 1549 in seinen künftigen niederländischen Herrschaftsgebieten an. Es ist hier nicht ganz verständlich, warum die Autorin den Eindruck erweckt, der Prinz wäre schon 1548 in den Niederlanden gewesen (38). Vielleicht ist das aber auch nur eine Unschärfe in der englischen Übersetzung. Die Niederlande wurden damals mehrheitlich positiv gesehen, was nicht wundert, bedenkt man, dass beide Autoren Propagandaschriften verfassten, die die engen Bindungen des spanischen Thronfolgers zu seinen künftigen Untertanen zeigen sollten. Terminologisch ist die Verfasserin nicht immer ganz präzise, schreibt sie doch beispielsweise, das Heilige Römische Reich und Italien wären von den Autoren nicht so genau geschildert worden wie die Niederlande (39-40). Abgesehen davon, dass das so nicht stimmt, bereiste Philipp II. Territorien in Reichsitalien sowie im heutigen Österreich und Deutschland, allesamt damals, ebenso wie die Niederlande, Bestandteile und Lehen des Heiligen Römischen Reichs. Auch sonst mangelt es der Autorin manchmal an Kenntnissen größerer Zusammenhänge. Mehrmals weist sie beispielsweise darauf hin, dass den Spaniern der hohe Alkoholkonsum in den Niederlanden auffiel und negativ kommentiert wurde (so 48). Dies bemerkten spanische Beobachter jedoch im Zusammenhang mit allen Bewohnern des Heiligen Römischen Reichs. Die angebliche Trunksucht der Reichsbewohner ist in spanischen Quellen ein ganz allgemeiner Topos, der nicht nur auf die Niederländer angewandt wurde, wie ich selbst vor einigen Jahren geschrieben habe. [1]
Es ist nicht besonders erstaunlich, dass sich das Image der Niederländer in spanischen Texten nach dem Beginn des Aufstandes gegen die Herrschaft Philipps II. rapide verschlechterte. Rodríguez Pérez zieht hier vor allem Kriegschroniken heran, so jene von Alonso de Ulloa (1569), Pedro Cornejo (1581), Bernardino de Mendoza (1592), Antonio Trillo (1592) und Martín Antonio Del Río (1601). Etwas verwunderlich ist, dass sie nur die Originalversionen dieser Chroniken verwendet und nicht auf moderne Editionen hinweist, die noch im Buchhandel erhältlich sind. Beispielsweise erwähnt sie zwar die Edition von Del Río aus dem Jahr 2003 (56, Anmerkung 13) [2], zitiert das Werk aber nachher nur nach der Originalversion, die in wenigen Exemplaren erhalten ist. Es ist also äußerst mühevoll, die Angaben der Autorin zu überprüfen.
Die weiteren Kapitel des Buches schildern das Auf und Ab des Bildes der Niederlande in spanischen Quellen während des 17. Jahrhunderts. Kapitel 3 widmet sich den Jahren des Waffenstillstandes zwischen den beiden Kriegsparteien (1609-1621), Kapitel 4 den Kriegsjahren zwischen 1621 und 1648, Kapitel 5 den Jahren bis 1673, als zunehmend andere Länder wie Frankreich oder England in das Rampenlicht der spanischen Autoren rückten. Das letzte Kapitel widmet sich den Beschreibungen der Niederlande bei dem modernen und in Spanien sehr populären Autor historischer Romane Arturo Pérez-Reverte, dessen Kapitän Diego Alatriste im 17. Jahrhundert einige seiner Abenteuer in den Niederlanden besteht. Es ist ein origineller Ansatz, den Quellen von Pérez-Reverete im Zusammenhang mit dem vorliegenden Buch nachzuspüren.
Das Werk ist insgesamt sehr lesenswert, obwohl ihm manches Mal eine gründlichere historische Kontextualisierung zu wünschen gewesen wäre. Vielleicht ist das von einer Literaturwissenschaftlerin auch nicht zu verlangen. Die ohnedies selten vorkommenden deutschsprachigen Titel zitiert sie leider nahezu immer fehlerhaft. Als Beispiel genüge der Hinweis auf ein Buch des im Dezember 2009 viel zu früh verstorbenen Historikers Peer Schmidt von der Universität Erfurt (327). Korrektes Zitieren sollte in allen Wissenschaftsdisziplinen zum Standard gehören.
Anmerkungen:
[1] Friedrich Edelmayer: Söldner und Pensionäre. Das Netzwerk Philipps II. im Heiligen Römischen Reich (= Studien zur Geschichte und Kultur der Iberischen und Iberoamerikanischen Länder / Estudios sobre Historia y Cultura de los Países Ibéricos e Iberoamericanos, Bd. 7), Wien / München 2002, 52-55.
[2] Martín Antonio Del Río: Die Chronik über Don Juan de Austria und den Krieg in den Niederlanden (1576-1578) . La crónica sobre don Juan de Austria y la Guerra en los Países Bajos (1576-1578). Herausg. v. Miguel Ángel Echevarría Bacigalupe unter Mitarb. v. Friedrich Edelmayer (= Studien zur Geschichte und Kultur der Iberischen und Iberoamerikanischen Länder / Estudios sobre Historia y Cultura de los Países Ibéricos e Iberoamericanos, Bd. 8), Wien / München 2003. Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass in der Zwischenzeit auch das Buch von Trillo neu ediert wurde: Antonio Trillo: Geschichte des Aufstandes und der Kriege in den Niederlanden / Historia de la rebelión y guerras de Flandes. Herausg. v. Miguel Ángel Echevarría Bacigalupe unter Mitarb. v. Friedrich Edelmayer (= Studien zur Geschichte und Kultur der Iberischen und Iberoamerikanischen Länder / Estudios sobre Historia y Cultura de los Países Ibéricos e Iberoamericanos, Bd. 11), Wien / München 2008.
Friedrich Edelmayer