Michael Sommer: Die Soldatenkaiser (= Geschichte kompakt - Antike), Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2004, 136 S., ISBN 978-3-534-17477-5, EUR 14,90
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In jüngster Zeit haben vor allem Karl Strobel und Christian Witschel gezeigt, in welchem politischen Spannungsfeld sich die Bürger des 3. Jahrhunderts n. Chr. im Imperium Romanum wiederfanden und Erklärungsmuster und Modelle für die politische und gesellschaftliche Struktur sowie für die Handlungen und Motivationen der jeweiligen Reichsrepräsentanten vorgeschlagen. Das 3. Jahrhundert reizt aufgrund seiner vielfältigen und ständig an der Realität hart geprüften staatlichen Organisationsformen zu Auseinandersetzung und Diskurs. Gerade für das 3. Jahrhundert ist es schwer, auf eigene Einschätzungen weitgehend zu verzichten und die Fakten nicht in den Dienst eigener Thesen zu stellen.
Michael Sommer hat mit seinem Buch, das in der längst etablierten Reihe "Wissen kompakt" erschienen ist, eine Studie vorgelegt, nach der der Leser bestens gerüstet für die Entwicklung eines eigenen Bildes zur Epoche der Soldatenkaiser ist, ohne der Irritation theorienüberfrachteter Ansätze ausgesetzt zu sein. Die Fakten werden präzise dargelegt, die Zusammenhänge sehr kenntnisreich präsentiert und darüber hinaus Anregungen gegeben. Der Band wird dem Anspruch eines Studienbuches voll gerecht.
In vier Kapiteln zuzüglich eines kurzen Einleitungs- und Schlusskapitels schildert der Autor auf insgesamt knapp 130 Seiten den Ablauf des 3. Jahrhunderts: In Kapitel zwei werden die Quellen und ihre Probleme vorgestellt (13-22), im dritten Kapitel (23-70) wird eine gute historische Übersicht der Zeit geboten. Kapitel vier und fünf gilt der strukturellen Analyse. Den Herausforderungen durch die Krise in der alten Ordnung in Kapitel vier (71-92) werden die Antworten der neuen Ordnung in Kapitel fünf (93-122) gegenübergestellt.
Kapitel zwei unterrichtet über die wichtigen schriftlichen Quellen Herodian, Cassius Dio und die Historia Augusta sowie die für diese Zeit ergiebigen Breviarien und Passagen aus Zosimos und Zonaras und verweist aber auf die zentrale Bedeutung numismatischer und archäologischer Zeugnisse.
Das Überblickskapitel zum Drama und seinen Akteuren leitet der Autor mit Commodus und dem Dreikaiserjahr ein, anschließend wird ein Einblick in die zivilen und militärischen Reformen des Septimius Severus gegeben, der durch die Verkleinerung der Provinzterritorien bedrohlich umfangreiche Heeresverbände erfolgreich teilte, durch die Einbeziehung der Provinzialeliten Achtung gewann und durch die Ausgabe großzügiger Donative das Militär förderte, eine Hypothek, die sein Sohn nur durch die erhöhten Erbschafts- und Steuereinnahmen infolge der constitutio Antoniniana einlösen konnte. Im Anschluss an die constitutio Antoniniana erweiterte Alexander Severus das römische Recht auf Reichsrecht, konnte sich allerdings kaum die so notwendigen militärischen Sporen im Kampf gegen das erst jüngst erstarkte Sasanidenreich verdienen. Seit Septimius Severus bildeten neben den überall aufreißenden Fronten die sich immer wieder unter neuen Führern formierenden Heeresverbände die große Gefahr für den amtierenden Kaiser. Durch den Befehl des Maximinus Thrax starben Alexander Severus und seine Mutter, ihre Politik aber führte der erste Soldatenkaiser konsequent fort. Zum letzten Mal in diesem Jahrhundert meldete der Senat in Rom mit der Ernennung von Pupienus und Balbinus erfolgreich Ansprüche in der Mitsprache bei der Nachfolgeregelung an, aber selbst mit Hilfe der Unterstützung Gordians III. konnte sein Einfluss nicht mehr erneuert werden, obwohl Gordian III. beachtliche militärische Erfolge im Donauraum und in Mesopotamien erzielte, bevor er im Kampf gegen Sapor I fiel. Wenig erfolgreich stellte sich Philippus den Persern entgegen, was seine gesamte Regierungszeit von 244-249 belastete. Die Einstellung der Zahlung von Stillhaltegeldern an die Goten kostete ihn Kopf und Thron. Verheerende Niederlagen stellten sich ein, in deren Folge Decius, der Pannonier aus senatorischen Kreisen, umkam. In den Quellen erscheint er als vir vere Romanus. Auffällig ist, dass alle Soldatenkaiser wie Decius die Institution einer dynastischen Herrschaftsfolge betrieben und scheiterten.
In der Severerfamilie funktionierte die Dynastie in der Tat durch die Frauen, was der Autor vielleicht etwas zu schwach akzentuiert. Die Zeit von der Jahrhundertmitte bis Diokletian war geprägt von vernichtenden Niederlagen gegen die Goten und Sasaniden. Durch die überall bedrohten Grenzen wurden aufgrund der aktuell notwendigen Zusammenführung größerer Truppenverbände Loyalitäten gegenüber einzelnen duces erzeugt, die mittels ihrer so gestärkten Position als Usurpatoren auftraten und mitunter sogar ihr Einflussgebiet konsolidieren konnten wie etwa Postumus, der jedoch nie Anspruch auf Rom erhoben hat. Erst unter Aurelian, der Rückhalt in der plebs urbana und im Heer erfuhr, gelang die Wiedereingliederung der regionalen Sonderreiche in das Imperium. Er nutzte durch Frontbegradigung in strategischer Hinsicht und innenpolitische Maßnahmen die Chance, die politische Lage Roms zu stabilisieren. Seine Ermordung überraschte viele, ein geeigneter Nachfolger war zunächst nicht in Sicht. So übernahm Ulpia Severina eine Zwischenherrschaft, die allerdings ausschließlich numismatisch belegt ist. Die Konflikte in Kleinasien und Gallien, an Rhein- und Donaugrenze beschäftigen die Nachfolger weiterhin, auch Diokletian, dessen Herrschaft nach Sommers Auffassung eine Zäsur markiert.
Mit dem aktuellen Thema Grenzen und Grenzräume leitet Sommer das Kapitel vier "Herausforderungen - Die alte Ordnung in der Krise" ein. Sommer begreift Grenzen als Austauschzonen und eigene Bereiche. Einleuchtend leitet er her, dass an Rhein und Donau aufgrund der Struktur der dort ansässigen Stammeskonföderation von Goten und Germanen keine kohärente Strategie seitens der Römer möglich war (73). Auch mit dem erstarkten Gegner im Osten tat sich Rom schwer, seitdem Ardaschir das vormals parthische Reich unter der Herrschaft der Sasaniden konsolidierte. Hier traten die Römer gegen ein weitgehend dezentralisiertes selbstbewusstes Reich an, dessen Herrscher im 3. Jahrhundert sich in langen Regierungszeiten bewährten. Auf Grund dieser außenpolitischen Konstellation war Rom zu aufreibenden und strapaziösen Maßnahmen an mehreren Fronten gezwungen, woraus fast notwendig Usurpationen resultierten, die ein hohes Risikopotential an Eigendynamik bargen. An den zahlreichen strategischen Krisenherden kam es auf militärische Erfahrung an. Ehrgeizige Senatorensöhne, die ohne Erfahrung im Rahmen ihres cursus honorum eine kurze Militärkarriere im Offiziersrang durchliefen, konnten den Erfolg eines gesamten Feldzuges gefährden, weshalb folgerichtig im Jahr 260 n.Chr. die senatorischen Offiziersstellen abgeschafft wurden. An den Schaltstellen der Kommanden traten nun Ritter auf, die soziale Hierarchie im Heer wurde durchlässiger, so dass militärisches Geschick zum Garanten für eine erfolgreiche Karriere avancierte. Neben den fest stationierten unbeweglichen Truppen wurden seit Gallienus mobile Einheiten eingesetzt und Spezialisten ausgebildet. Aber auch auf zivilem Gebiet gab es Antworten und Lösungsansätze gegen die Krise, die der Autor neben der militärischen Neuorganisation in Kapitel fünf vorstellt. Vgl. dazu die ausführliche Studie von Peter Eich, der die neue tragende Rolle der Ritter betonte, deren Verhältnis zum Kaiser zugleich von direkter Abhängigkeit wie von stärkerer Distanz als die Beziehung der Senatoren zum Kaiser gekennzeichnet ist. Die Ausbildung von Spezialisten wie Juristen und Verwaltungsfachleuten, z.B. die Verschmelzung des Provinzstatthalters mit dem Finanzprokurator, führten zu einem neuen Typus des Statthalters. Die verbesserte Effizienz der Verwaltung diente u.a. der Erhöhung und Stabilisierung der Steuereinnahmen. Alle Maßnahmen konnten in den Augen der Römer aber nur greifen, wenn sie auch religiös abgesichert waren. Nach wie vor wurde der Grund für Misserfolge in der gestörten Kommunikation zwischen Göttern und Menschen gesucht. Daraus erklären sich die zahlreichen Versuche der Kaiser, das Einvernehmen mit den Göttern wiederherzustellen und auch die Motivation, sich gezielt unter einen Schutzgott zu stellen, das Verhältnis zu personalisieren und sich damit zu legitimieren.
Abschließend resümiert der Autor die Leistungen des 3. Jahrhunderts, die durch neue Kommandostrukturen und auf Spezialisierung ausgerichtete Bewaffnung der Soldaten völlig gewandelte Organisation des Militärs, die Ausbildung von Spezialisten auch auf zivilem Gebiet und das reformierte Steuersystem in Reaktion auf die desolate Finanzlage. Die Legitimation der Herrschaft, die durch das Ausbleiben militärischer Erfolge bröckelte, wurde zunehmend durch die charismatische Überhöhung des Kaisers gesucht, was sich in der Verdichtung von Kaisertiteln und Beinamen sowie der Rolle der Insignien niederschlug. So tiefgreifend einzelne Krisenphänomene auch regional und temporär gewesen sein mögen, sie lassen sich keinesfalls zu einer umfassenden Krise bündeln. Zeugen für ein Krisenbewusstsein wie es sich in der Briefliteratur des Bischofs Cyprian von Karthago zeigt, finden sich nur vereinzelt. Die grundlegenden Bedürfnisse, Sicherheit materieller Lebensverhältnisse und Abwehr auswärtiger Bedrohungen, lagen in der Verantwortung des Kaisers. Konnten diese Bedürfnisse in den ersten beiden Jahrhunderten noch weitgehend befriedigt werden, so änderte sich dies nun fundamental. Auch Konstantin experimentierte mit Formen der Herrschaft, besaß einen scharfen Blick für das politisch Machbare und reagierte auf die Anforderungen der Zeit wie einst der Begründer des Prinzipats. Konstantins Herrschaft war im Ergebnis ebenso stabil wie die des Augustus, was in beiden Fällen aus den vorherigen Entscheidungsphasen und der Suche nach Orientierung resultiert. Indem der Autor das Werk mit dem Prinzipat des Augustus einleitet und bis auf Konstantin blickt, macht er einmal mehr deutlich, dass das 3. Jahrhundert nicht isoliert betrachtet werden kann. Mit seiner Studie ist die Reihe der Studienbücher um einen ebenso knappen wie sachkundigen Band erweitert, der als Einführungslektüre zum 3. Jahrhundert Lehrenden wie Lernenden unbedingt anzuempfehlen ist.
Meret Strothmann