Marc Christian Theurer: Bonn - Belgrad - Ost-Berlin. Die Beziehungen der beiden deutschen Staaten zu Jugoslawien im Vergleich 1957-1968, Berlin: Logos Verlag 2007, 344 S., ISBN 978-3-8325-2070-0, EUR 41,50
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Friederike Baer: Zwischen Anlehnung und Abgrenzung. Die Jugoslawienpolitik der DDR 1946 bis 1968 (= Dresdner Historische Studien; Bd. 11), Köln / Weimar / Wien: Böhlau 2009, 327 S., ISBN 978-3-412-20387-0, EUR 37,90
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Stefan Wolle: Aufbruch nach Utopia. Alltag und Herrschaft in der DDR 1961-1971, Berlin: Ch. Links Verlag 2011
Peter E. Fäßler: Durch den 'Eisernen Vorhang'. Die deutsch-deutschen Wirtschaftsbeziehungen 1949-1969, Köln / Weimar / Wien: Böhlau 2006
James Graham Wilson: The Triumph of Improvisation. Gorbachev's Adaptability, Reagan's Engagement, and the End of the Cold War, Ithaca / London: Cornell University Press 2014
Das "blockfreie", gleichwohl sozialistisch ausgerichtete Jugoslawien spielte für die bundesdeutsche und die ostdeutsche Außenpolitik in den 1950er und 1960er Jahren zweimal eine herausgehobene Rolle: 1957, als die DDR diplomatische Beziehungen zu Jugoslawien aufnahm und damit die Bundesrepublik veranlasste, ihre Botschaft in Belgrad zu schließen, und 1968, als Bonn und Belgrad ihre diplomatischen Beziehungen wieder aufleben ließen. Der Abbruch der bundesdeutschen Beziehungen 1957 war der erste Testfall für die 1955 proklamierte Hallstein-Doktrin; deren Wiederaufnahme 1968 war ein wesentlicher Schritt im Entspannungsprozess gegenüber Osteuropa, an dessen Ende die Aufgabe der Hallstein-Doktrin stand. Zwar sind die Beziehungen Bonn-Belgrad und deren Abbruch 1957 bereits gründlich untersucht worden, nicht aber das ostdeutsch-jugoslawische Verhältnis, geschweige denn das Dreiecksverhältnis Bonn-Belgrad-Ost-Berlin in dem Jahrzehnt zwischen 1957 und 1968.
Marc Christian Theurer kann die zweite Lücke mit seiner auf einer breiten Quellengrundlage beruhenden Dissertation schließen. Herangezogen wurden vor allem die Akten beider deutscher Außenministerien im Politischen Archiv des Auswärtigen Amts, die SED-Akten und diverse Nachlässe im Bundesarchiv. Er fragt nach den ostdeutschen Handlungsspielräumen in Jugoslawien, nach den Auswirkungen der Aufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen Ost-Berlin und Belgrad auf der einen und des Abbruchs der diplomatischen Beziehungen zwischen Bonn und Belgrad auf der anderen Seite. Eine wesentliche Rolle spielt dabei die wechselseitige Wahrnehmung des jeweils anderen deutschen Staates in Jugoslawien. Die Arbeit folgt einem chronologischen Aufbau, bei dem in jedem Kapitel die Beziehungen Jugoslawiens zur Bundesrepublik und zur DDR einander gegenübergestellt werden.
Die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Ost-Berlin und Belgrad wird im Einklang mit Beate Ihme-Tuchel auf die Wiederannäherung Jugoslawiens an die Sowjetunion auf der einen und gemeinsamen sowjetischen und ostdeutschen ökonomischen Druck auf der anderen Seite zurückgeführt. [1] Trotz des darauffolgenden Abbruchs der diplomatischen Beziehungen zwischen Bonn und Belgrad blieben die Wirtschaftsbeziehungen weitgehend intakt: Dafür waren nicht nur westdeutsche wirtschaftliche und politische Interessen, sondern auch Druck der USA verantwortlich. Überdies sondierte die Bundesregierung Ende 1958/Anfang 1959 über eine mögliche Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen mit Tito. Damit blieb sie freilich erfolglos, weil Tito die Beziehungen zur DDR aufrechterhalten wollte - nicht aus Wertschätzung für Ost-Berlin, sondern aus Furcht vor einer negativen Reaktion Moskaus.
Die Beziehungen zur DDR blieben trotz des Austauschs von Gesandten unterkühlt, nicht zuletzt infolge des VIII. Parteitags des Bundes der Kommunisten Jugoslawiens (BdKJ) im April 1958, der den Moskauer Führungsanspruch vehement in Frage stellte. Die SED beteiligte sich an vorderster Front an der darauffolgenden Propagandakampagne. Hinzu kam, dass Tito in der im November vom Zaun gebrochenen Berlinkrise eine indifferente Haltung einnahm und auch gegenüber der DDR Wiedergutmachung für die von Jugoslawen im Zweiten Weltkrieg geleistete Zwangsarbeit forderte. Wenngleich sich auch die westdeutsch-jugoslawischen Beziehungen seit dem Scheitern der Wiederannäherung im Februar 1959 verschlechterten, konnte die DDR davon bis Mitte 1961 nicht profitieren.
Theurer verdeutlicht, dass beide Staaten nicht immer ihren Vormächten bedingungslos folgten. So bezog Bundesaußenminister Gerhard Schröder trotz entsprechender amerikanischer Forderungen Jugoslawien nicht in seine auf die Satelliten Moskaus zielende "Politik der Bewegung" ein, da er an der Politik der Nichtanerkennung der DDR grundsätzlich festhielt. Ulbricht wiederum löste sich aus dem ideologischen Konflikt mit Tito sehr viel langsamer als Chruschtschow. Gleichwohl verbesserten sich die ostdeutsch-jugoslawischen Beziehungen ab 1962, weil Tito sich Moskau wieder annähern wollte und die Bundesregierung nicht bereit war, der jugoslawischen Führung wirtschaftlich entgegenzukommen. Zu einem "Wendepunkt in den ostdeutsch-jugoslawischen Beziehungen" (171) wurde jedoch erst die Vereinbarung über die Abgeltung jugoslawischer Entschädigungsansprüche vom 22. Mai 1963, in der die DDR die Zahlung von 70 Millionen DM in sieben Jahresraten zusicherte.
Dennoch kam es am 16. Juli 1964 noch einmal zu einem westdeutsch-jugoslawischen Wirtschaftsabkommen: Belgrad erkannte in diesem Zusammenhang die Zugehörigkeit West-Berlins zur Bundesrepublik an und gab eine vage Wohlverhaltenserklärung ab, wofür es "weitreichende ökonomische Gegenleistungen" erhielt (180). Dennoch hatte diese Vereinbarung keine negativen Folgen für die ostdeutsch-jugoslawischen Beziehungen, da Tito auch nach dem Sturz von Chruschtschow die Beziehungen zur Sowjetunion nicht gefährden wollte. Wie die Besuche Titos in Ost-Berlin (1965) und Ulbrichts in Belgrad (1966) sowie die damals vereinbarte Statuserhöhung der DDR-Gesandtschaft in eine Botschaft zeigen, erwärmten sich die bilateralen Beziehungen spürbar.
Die bundesdeutsche Jugoslawienpolitik kam erst wieder mit dem Regierungsantritt der Großen Koalition in Bewegung. Denn diese bezog, anders als die Regierung Erhard, Jugoslawien in ihre auf Entspannung zielende Osteuropapolitik ein. Sehr detailliert wird der Weg hin zur Erneuerung der diplomatischen Beziehungen zwischen Bonn und Belgrad analysiert, die schließlich am 31. Januar 1968 erfolgte. Dabei berücksichtigt Theurer den innenpolitischen Kontext der Großen Koalition, indem er zeigt, dass nicht nur Bundeskanzler Kiesinger, sondern auch Außenminister Brandt durch wiederholtes Drängen beim Regierungschef daran einen unübersehbaren Anteil hatte. Was den außenpolitischen Kontext betrifft, so schreibt er zu Recht, dass nach der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Bonn und Bukarest im Januar 1967 Bonn der Zugang zum Ostblock durch die sogenannte "Ulbricht-Doktrin" versperrt wurde; er irrt aber, wenn er diese allein auf Ulbricht zurückführt. Wie neuere Forschungen gezeigt haben, waren sowohl Breschnew als auch Gomułka an deren Formulierung beteiligt.
Aufschlussreich sind in diesem Zusammenhang auch die Darlegungen zur ostdeutschen Reaktion. Ost-Berlin kam es darauf an, dass bei einer Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen Belgrads zu Bonn "eine effektive Durchbrechung der Hallstein-Doktrin in den nichtpaktgebundenen Ländern gewährleistet werden" konnte (273). Außenminister Otto Winzer wurde bei seinem Besuch in Belgrad im Dezember 1967 zwar "ein feierliches Begräbnis der Hallstein-Doktrin" zugesichert (ebd.); ein entsprechendes außenpolitisches Engagement von jugoslawischer Seite blieb jedoch aus. Diese weigerte sich zwar, im Zusammenhang mit der Wiederaufnahme der Beziehungen zur Bundesrepublik eine Erklärung im Sinne des westdeutschen Alleinvertretungsanspruchs abzugeben; das konnte die Bundesrepublik jedoch verschmerzen, da dieses Ereignis keine weiteren Anerkennungserfolge der DDR nach sich zog.
Theurer hat eine sehr solide Studie vorgelegt, die das Beziehungsgeflecht Bonn-Belgrad-Ost-Berlin überzeugend als ungleichgewichtiges Dreiecksverhältnis darstellt: Denn Jugoslawien behandelte die DDR als sowjetischen Satelliten, begriff die Bundesrepublik aber insofern als souverän, als sich diese nicht bedingungslos den USA unterordnete. Etwas rätselhaft bleibt mitunter die Motivation Titos, der zwischen dem Anlehnungsbedürfnis an Moskau und dem Bestreben nach möglichst großer Eigenständigkeit schwankte. Das insgesamt positive Bild wird durch den manchmal etwas gestelzten Stil und die sehr kleinteilige, rein chronologische Gliederung ein wenig beeinträchtigt. Vielleicht wäre es sinnvoll gewesen, etwas grundsätzlicher auf die Konstanten und die Belastungen in dem Beziehungsdreieck einzugehen - etwa auf die Rolle der Wirtschaft, die Rolle der Ideologie, die Problematik der Exilkroaten in der Bundesrepublik und die Wiedergutmachungsforderungen.
Friederike Baer beschränkt sich auf die bilateralen Beziehungen DDR-Jugoslawien zwischen 1946 und 1968. Auf der Grundlage der Akten des DDR-Außenministeriums und der SED untersucht sie die "politische Motivation und Handlungsmöglichkeiten der DDR gegenüber dem Balkanland" (14), die durch den Einfluss der Sowjetunion und der Bundesrepublik ebenso begrenzt wurden wie durch die zeitweilige ideologische Auseinandersetzung zwischen Moskau und Belgrad. Auch sie gliedert ihre Arbeit chronologisch und setzt, nach einer Skizze der Vorgeschichte, mit der Verbannung Jugoslawiens aus dem sich bildenden Ostblock im Jahre 1948 ein. Die erste Phase reicht bis zum Tod Stalins 1953, daran schließt sich die Zeit bis 1957 an, in der es vor allem um die Anbahnung der Beziehungen zwischen Ost-Berlin und Belgrad ging. Wenngleich sie zahlreiche Akten aus diesem Zeitraum paraphrasiert, bleibt auch sie bei der schon von Beate Ihme-Tuchel vorgelegten Interpretation. Deutlich wird, dass Tito die Bundesregierung mit diesem Schritt nicht unnötig vor den Kopf stoßen wollte, aber auch das war bereits bekannt. Baer entscheidet sich, ebenso wie Theurer, die nächste Zäsur mit dem Regierungsabkommen zwischen der DDR und Jugoslawien vom Mai 1963 zu setzen; dass dies dann zu einer Wende in den bilateralen Beziehungen führte, wird allerdings nicht klar herausgearbeitet. Daran schließt die letzte Phase an, die mit der Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen Bundesrepublik-Jugoslawien endet. Anders als Theurer, der zu Recht darauf verweist, dass die ostdeutsche Führung über dieses Ereignis zwar äußerlich triumphierte, intern aber sehr viel verhaltener urteilte, sieht Baer darin "einen Sieg über die Hallstein-Doktrin und einen Meilenstein für das Erlangen weltweiter Anerkennung" und geht damit der Ost-Berliner Propaganda auf den Leim. Dieser Erfolg habe "zum einen auf den Wandel der bundesrepublikanischen Ostpolitik der Großen Koalition, zum anderen jedoch auch auf der unermüdlichen und gezielten Jugoslawienpolitik der DDR" beruht (295). Dem ist entgegenzuhalten, dass es ohne die ostpolitische Neuorientierung der Großen Koalition sicher nicht zu diesem Schritt gekommen wäre; die DDR hatte daran keinen Anteil.
Insgesamt ist die Arbeit von Frau Baer aus mehreren Gründen enttäuschend. Erstens referiert sie bei ihrem Versuch, die unterschiedliche innenpolitische Entwicklung der beiden Staaten zu skizzieren, über lange Strecken hinweg Bekanntes auf eine wenig instruktive Weise. Zweitens übernimmt sie in ihren Ausführungen zum Charakter und zu den Aufgaben der DDR-Außenpolitik unreflektiert die Begrifflichkeit der DDR-Literatur. Drittens erschöpft sich ihre Leistung oftmals in einer ermüdenden Paraphrasierung der vorgefundenen Akten, wobei manchmal, so etwa wenn sie sich zu den Wirtschaftsbeziehungen zwischen 1957 und 1963 äußert, unklar bleibt, ob sie verstanden hat, um was es dabei ging. Damit hängt, viertens, eine völlig unzureichende sprachliche Darbietung des Stoffes zusammen. Die Arbeit ist umständlich formuliert, enthält zahlreiche Stilblüten - so sollte "nach den Vorstellungen Ulbrichts in der DDR ein überhebliches Modell des Sozialismus entwickelt werden" (175) - sowie grammatikalisch und syntaktisch fehlerhafte Sätze. Frau Baer wird so dem Thema in keiner Weise gerecht.
Anmerkung:
[1] Beate Ihme-Tuchel: Das Bemühen der SED um die diplomatische Anerkennung durch Jugoslawien, in: ZfG 42 (1994), 695-702.
Hermann Wentker