Hans Bots / Eugénie Bots-Estourgie (éds.): Lettres de Madame de Maintenon. Volume I. 1650-1689 (= Bibliothèque des Correspondances, Mémoires et Journaux; 52), Paris: Editions Honoré Champion 2009, X + 891 S., ISBN 978-2-7453-1882-4, EUR 135,00
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Christine Mongenot (éd.): Lettres de Madame de Maintenon. Volume V. 1711-1713, Paris: Editions Honoré Champion 2013
Hans Bots / Eugénie Bots-Estourgie (eds.): Lettres de Madame de Maintenon. Volume III. 1698-1706, Paris: Editions Honoré Champion 2011
Christiane Berkvens-Stevelinck / Hans Bots / Jens Häseler: Les grands intermédiaires culturels de la République des Lettres. Etudes de réseaux de correspondances du XVIe au XVIIIe siècles, Paris: Editions Honoré Champion 2005
Zu keiner Zeit ist das Interesse an den Briefen der Madame de Maintenon verebbt. Seit dem Tod der morganatischen Ehefrau Ludwigs XIV. wurden zahlreiche Editionen realisiert. Initiiert von einer französisch-niederländischen Forschergruppe ist eine neue, vollständige und kritischen Gesamtausgabe ihrer Briefe in sieben Bänden im Verlag Honoré Champion (Paris) geplant. Der erste Band, herausgegeben von dem Forscherpaar Hans Bots und Eugénie Bots-Estourgie, liegt nun vor. Was rechtfertigt ein solches Großprojekt?
Zunächst ist hier schlicht die Tatsache zu nennen, dass bisherige Editionen entweder von Anfang an als Teilausgaben konzipiert worden oder unvollendet geblieben sind - drei Mal wurde der Versuch einer Gesamtedition der Briefe bereits unternommen. [1] Auch weisen die bisherigen Ausgaben fast immer einen zu dürftigen kritischen Apparat auf, und die Authentizität der abgedruckten Briefe ist zum Teil fragwürdig. Die Korrespondenzen der Maintenon finden sich verstreut in ganz Europa - oft in mehrfachen Abschriften. Bis heute sind zudem einige Briefe aus privaten Sammlungen nicht zugänglich; manche Manuskripte gelten als verloren. Die Initiative ist also nicht nur begrüßenswert, sondern stellt schlicht unerlässliche Grundlagenforschung dar.
Die Rollen der Marquise de Maintenon (1635-1719) unterscheiden sich grundlegend von denen anderer Mätressen französischer Könige. Aufgrund ihrer kirchlich, aber nicht öffentlich vollzogenen Eheschließung mit Ludwig XIV. hatte sie einen königinähnlichen Status inne, der zwar nicht deklariert, jedoch auf zeremonieller und symbolischer Ebene deutlich wurde. So führte beispielsweise der Weg in ihre Gemächer, die sie nach dem Tod der Königin Maria Theresia 1683 im Schloss Versailles bezog, über die prachtvolle escalier de la reine.
Aus den 32 Jahren, die sie "offiziell" an der Seite Ludwigs XIV. verbrachte, ist ein umfangreiches Korrespondenzwerk erhalten, dessen Adressaten von Familienangehörigen über höfische Akteure (hohe Schwertadelige und die Staatssekretäre) bis hin zu diplomatischen Akteuren (Botschaftern), den Spitzen der römischen Kurie (Päpste, Kardinäle) und ausländischen Herrschern reichte.
Ihre tragende Rolle in politischen, theologisch-moralischen und höfischen Belangen ist in der Forschung heute zwar unumstritten, hat jedoch bei Zeitgenossen wie Historiographen ein komplexes und widersprüchliches Bild hinterlassen. Gehasst vom Hofchronisten Saint-Simon und verehrt von den Dames de Saint Cyr, hat die Beschäftigung mit der Marquise die Geschichtsschreibung immer wieder polarisiert: Ihr erster Biograph und Herausgeber ihrer Briefe, La Beaumelle, der sie in vorteilhafter Weise darstellte, rief den Widerspruch Voltaires hervor, und die republikanische Geschichtsschreibung schuf der Marquise ihre eigene légende noire. Die nicht immer wissenschaftlichen Versuche einer Rehabilitation oder erneuten Verurteilung reißen nicht ab. [2] Maßgeblich beeinflusst wurden und werden diese Widersprüchlichkeiten von den verschiedenen (Selbst-)Inszenierungen der Madame de Maintenon. Eine von ihnen nimmt nun auch Marc Fumaroli als Aufhänger für sein Vorwort zum vorliegenden Band. Als theologische Legitimation ihrer Rolle der Ehefrau "zur linken Hand" interpretiert er das Portrait des Hofmalers Mignard, das sie als heilige Françoise Romaine darstellt.
Die darauf folgende, differenzierte Einleitung von Hans Bots und Christine Mongenot vermittelt zunächst einige Informationen zur Person, zu Stil und Inhalt ihrer Korrespondenz, sowie eine neue Einschätzung der bedeutendsten Kontroversen der Maintenon-Forschung. Es folgen die Archiv- und Editionsgeschichte der Korrespondenzen, ein knapper Interpretationsansatz der Briefe und Angaben zur Editionsphilologie.
Der vorliegende Band 1 beinhaltet die Briefe der Marquise aus den Jahren 1650 bis 1689. In diese Periode fallen ihre ersten Reisen nach Paris, wo sie die intellektuelle Elite der Pariser Gesellschaft frequentierte und ihren ersten Ehemann, den Dichter Paul Scarron, kennen lernte und 1652 heiratete. Entscheidend für sie wurde die Protektion der damaligen Mätresse Ludwigs XIV., Athanaïs de Montespan. Sie verschaffte der früh Verwitweten eine königliche Pension und machte sie zur Gouvernante ihrer später legitimierten Kinder mit dem König. Im Jahr 1680 wurde sie schließlich bei Hofe als seconde dame d'atour de la Dauphine eingeführt. Die königliche Schenkung der terre de Maintenon gab ihr den hierfür notwendigen adeligen Stand als Marquise. Auch wurde der Grundstein für Saint Cyr gelegt, Maintenons berühmtes Internat für junge Damen aus dem verarmten Adel. Nach dem Tod der Königin Maria Theresia folgte im selben Jahr (1683) die morganatische Heirat mit Ludwig XIV.
Aus diesen Jahren sind 671 ausschließlich französische Briefe von Madame de Maintenon an etwa 60 Personen beiderlei Geschlechts erhalten; lediglich zwei sind vor 1660 datiert, während die meisten, rund 400 Briefe, aus den 1680er Jahren stammen. Sie richten sich mehrheitlich an Familienangehörige wie ihren Bruder Charles d'Aubigné oder ihren Cousin Philippe de Villette, an die Leiterinnen von Saint Cyr sowie an ihren Beichtvater, den Abbé François Gobelin. Inhaltlich liegen daher die Schwerpunkte in diesem ersten Band auf ihrer Tätigkeit als "Brokerin" königlicher Patronage, der Führung von Saint Cyr und der Diskussion theologischer Fragen. Daneben gewinnt der Leser einen Einblick in den Alltag einer Person, die sich in unmittelbarer Nähe des Herrschers befindet.
Dass die Marquise vom Bittbrief bis hin zur Diskussion politischer und theologischer Inhalte alle Register beherrschte, wird bereits in diesem ersten Band deutlich. In ihren Briefen zeigen sich ihre umfassende Bildung, ihre Sozialisierung nach dem Ideal der honnêteté, insbesondere aber ihre detaillierten Kenntnisse des Hoflebens und der "politischen Angelegenheiten", der affaires. Was das literarische Niveau der Briefe anbelangt, so werden diese häufig mit jenen ihrer Zeitgenossin Madame de Sévigné verglichen. [3]
Ein ausführlicher textkritischer Apparat macht die vorliegende Ausgabe äußerst leserfreundlich. Zu jedem Brief werden die Archivangaben des Autographs und sämtlicher Abschriften sowie frühere Editionen aufgeführt. Auch eventuelle Fälschungen werden dann aufgeführt, wenn die Herausgeber sie für geeignet hielten, den historiographischen "Mythos" um Madame de Maintenon nachvollziehbar zu machen. Fehlende Datierungen konnten in den meisten Fällen rekonstruiert werden. Die Sprache wurde hinsichtlich grammatikalischer und lexikaler Orthographie sowie Interpunktion nach modernen Regeln korrigiert.
Ein weiterer Service für den Leser sind eine Chronologie von 1635 bis 1685 mit einem Fokus auf die Ereignisse, die Madame de Maintenon betreffen, eine Auswahlbibliographie sowie eine Liste aller Adressaten. Die Ausgabe wird durch ein umfassendes Register aller erwähnten Personen abgerundet, wobei - ebenfalls sehr hilfreich - die Seite, auf der die biographische Information erscheint, jeweils fett gedruckt wird. Ein vollständiges Register der Personen, Orte und Themen der gesamten Edition soll am Ende des siebten Bandes folgen. Nicht zuletzt dank ausführlicher Erläuterungen des historischen Kontextes und der erwähnten Personen sowie Querverweisen zwischen den Briefen bietet sich die Edition geradezu als Grundlage wissenschaftlicher Arbeiten an.
Nur eine Analyse der Briefe der Madame de Maintenon selbst, so die Herausgeber, könne Legenden und Widersprüchen der Historiographie entgegenwirken. Dies ist sicherlich richtig, auch wenn die Briefe keine "source d'information fiable sur les pensées et les sentiments de Madame de Maintenon" (8) darstellen, sondern vielmehr Normen, Praktiken und Konventionen der schriftlichen Konversationskunst des ausgehenden 17. Jahrhunderts reflektieren.
Anmerkungen:
[1] Lettres de Madame de Maintenon, hrsg. von Laurent Angliviel de la Beaumelle, Glasgow 1752-1756, 9 Bände; Correspondance générale de Madame de Maintenon, hrsg. von Théophile Lavallée, Paris 1854-1857, 5 Bände; Lettres, hrsg. von Marcel Langlois, Paris 1935-1939, Band 2-5.
[2] Jüngst wieder eine Rehabilitation: Veronica Buckley: The Secret Wife of Louis XIV. Françoise d'Aubigné. Madame de Maintenon, New York 2009.
[3] Beispielsweise: Correspondance de Madame de Maintenon et de la princesse des Ursins. 1709: une année tragique, hrsg. von Marcel Loyau, Paris 2002, 21; und auch wieder auf dem Klappentext der vorliegenden Edition.
Corina Bastian