John D. Grainger: The Syrian Wars (= Mnemosyne. Supplements - History and Archeology of Classical Antiquity; Vol. 320), Leiden / Boston: Brill 2010, XVII + 447 S., ISBN 978-90-04-18050-5, EUR 135,00
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John D. Graingers jüngste Monographie ist einerseits mehr, anderseits weniger als der Titel verspricht. Mehr insofern, als die "Syrischen Kriege" breit in den historischen Kontext eingebettet werden, denn von den insgesamt 20 Kapiteln (inklusive Prologue und Epilogue) beschäftigen sich 11 mit der jeweiligen Vorgeschichte bzw. den Zwischenkriegszeiten und lediglich 136 Seiten entfallen auf die eigentlichen Kriege - damit bietet Grainger einen Überblick über die wesentlichen Aspekte der ptolemäischen und seleukidischen Geschichte von deren Beginn bis ans Ende des 2. Jahrhunderts v. Chr. Weniger insofern, als neben dieser größeren Breite eine bemerkenswert deutliche Zurückhaltung gegenüber neuerer - v.a. nicht-englischsprachiger - Literatur zu bemerken ist. Besonders misslich ist dies in Bezug auf die neueren Untersuchungen zu den Datierungsproblemen der seleukidischen Spätphase [1], aber auch in Bezug auf ältere Untersuchungen zu einzelnen Kriegen oder Kriegsschauplätzen. [2] Grainger bewegt sich zuweilen auf dem Forschungsstand vor 1980. Selbst zentrale neuere Arbeiten, die im Literaturverzeichnis angegeben bzw. gelegentlich zitiert werden und wesentliche neuere Ansätze zu zentralen Aspekten enthalten [3], werden nicht in dem Umfang genutzt - oder auch kritisch beleuchtet - wie es wünschenswert gewesen wäre. Dennoch bieten sowohl der generelle Zugriff als auch diverse Einzelbeobachtungen viele interessante neue Ansätze, die die Lektüre lohnenswert machen.
Die große Breite der Darstellung ergibt sich zum einen aus Graingers Feststellung, dass die Syrischen Kriege "the central diplomatic and political and military factor in international affairs in the Hellenistic world from 301 to 128 8 [...]" (419) waren, zum anderen aus der Tatsache, dass Grainger nicht nur - wie üblich - die ersten sechs Syrischen Kriege behandelt, sondern auch die folgenden Auseinandersetzungen zwischen Seleukiden und Ptolemäern bzw. auf syrischem Boden als drei weitere Syrische Kriege zählt. Da die Syrischen Kriege zudem nicht nur Syrien als Kriegsschauplatz umfassten, ergibt sich zwangsläufig ein breites historisches Tableau. Die Einbeziehung der seleukidsch-ptolemäischen Verwicklungen nach 168 ist sicher gerechtfertigt, waren sie doch eine Folge der vorangegangenen Syrischen Kriege. Ob man aber nahezu alle politischen, diplomatischen und militärischen Maßnahmen der Seleukiden und Ptolemäer so deutlich auf die Konfliktsituation zwischen den beiden Dynastien zurückführen muss, wie dies Grainger macht (etwa 115, 145), scheint dann aber doch fraglich. Über die Ereignisse im Osten des seleukidischen und im Süden des ptolemäischen Herrschaftsgebietes sind wir viel zu schlecht informiert, als dass wir deren Relevanz für die Entscheidungen der Könige richtig abschätzen könnten.
Von den vielen interessanten Einzelbeobachtungen sollen hier nur einige Erwähnung finden: Erstens: Seleukos I. habe es unterlassen, Ptolemaios I. nach dessen Besetzung Koilesyriens anzugreifen, weil er über schwächere sowie für längere Belagerungen ungeeignete Truppen verfügt habe (35). Zweitens: Die in der Seleukis nach dem Tod Seleukos' I. aufflammenden Konflikte seien nur von geringer Bedeutung gewesen, weil Antiochos I. sonst nicht so schnell in Kleinasien hätte sein können (77). Drittens: Der Friede sei stets nur zwischen den beteiligten Königen abgeschlossen worden und habe solange gegolten bis einer von ihnen starb (89). Viertens: Die Maßnahmen Philipps V. nach dem Geheimabkommen mit Antiochos III. hätten stärker darauf abgezielt, nicht die ptolemäischen Besitzungen unter Kontrolle zu bringen, sondern für einen späteren Konflikt mit Antiochos III. gerüstet zu sein (252). Fünftens: Die spätere Koalition zwischen Aitolern und Antiochos III. wäre so vielleicht nicht möglich gewesen, wenn Antiochos III. die bei Panion auf ptolemäischer Seite kämpfenden Aitoler nicht weitgehend unbehelligt gelassen hätte (260). Sechstens: Der ptolemäische Überfall auf Arados sei ein Versuch gewesen, in den Friedensvertrag von Apameia mit aufgenommen zu werden (277). Siebtens: Spätestens nach dem 6. Syrischen Krieg sei es nicht mehr um die Herrschaft in Koile-Syrien gegangen, sondern um die Vereinigung der beiden Reiche. Achtens: Die Ehe zwischen Ptolemaios VIII. und Kleopatra III. sei von großer politischer Bedeutung gewesen, weil sie als einzige Tochter seines Bruders politisch zu wertvoll gewesen sei, als dass sie ein anderer hätte ehelichen dürfen (356). Neuntens: Die Eskalation der Ereignisse in Judaia führt Grainger darauf zurück, dass die Seleukiden zwar einerseits das harte ptolemäische Abgabensystem beibehalten, aber andererseits mit der lockeren seleukidischen Administration verbunden hätten (418).
Viele dieser Deutungen wird man kritisch hinterfragen können, sie bieten aber in jedem Fall neue Aspekte bzw. verleihen älteren Deutungsansätzen neues Gewicht. Diesen interessanten Interpretationsansätzen steht jedoch eine Vielzahl von Beispielen entgegen, in denen eine Rezeption der neueren Forschung gut getan hätte: So kann man über die Ereignisse in Babylon während des Laodike-Krieges dank der zunehmenden keilschriftlichen Zeugnisse inzwischen mehr sagen als Grainger vermuten lässt (v.a. durch Babylonian Chronicles of the Hellenistic Period 11; vgl. 162). Auch das große Vertrauen gegenüber der Rekonstruktion der baktrischen Geschichte von Frank Holt [4] wäre durch einen Blick in die laufenden Diskussionen vielleicht nicht so hoch gewesen (179 und passim). Zuweilen bleiben die Äußerungen aber auch zu knapp und sind daher missverständlich - etwa zur Plünderung des Jerusalemer Tempels durch Antiochos IV. (313). Schließlich ist vieles sehr spekulativ, was angesichts der zum Teil beklagenswerten Quellenlage zwar nachvollziehbar ist, aber gelegentlich doch zu sehr luftigen Vermutungen führt. Das gilt vor allem für die immer wieder eingestreuten Überlegungen zu den potentiellen Machtverhältnissen am Hof, über die wir in der Regel viel zu schlecht unterrichtet sind, aber beispielsweise auch für die Überlegungen zur Ankunft von Alexander Balas in Ake-Ptolemais (331).
Insgesamt ergibt sich somit ein sehr zwiespältiges Bild. Die Einbeziehung der Ereignisse des weiteren 2. Jahrhunderts, die Bewertung der Kriege für das Handeln der beteiligten Akteure und der Blick auf die Friedenszeiten geben wichtige Impulse für eine neue Perspektive. Eine stärkere Einbeziehung der jüngeren Forschung hätte dem Buch aber die wünschenswerte Aktualität verliehen können.
Anmerkungen:
[1] Hier seien vor allem Kay Ehling: Untersuchungen zur Geschichte der späten Seleukiden (164-63 v. Chr.). Vom Tode des Antiochos IV. bis zur Einrichtung der Provinz Syria unter Pompeius, Stuttgart 2008 und Oliver Hoover: A Revised Chronology for the Late Seleucids at Antioch (121/0-64 BC), Historia 56, 2007, 280 ff. erwähnt, die jeweils eine sehr unterschiedliche Chronologie bieten.
[2] Allein schon das von Thomas Fischer: Seleukiden und Makkabäer, Bochum 1980 bereit gestellt Kartenmaterial wäre eine Bereicherung gewesen.
[3] Angesichts der Bedeutung, die Grainger der Geschichte von Arados zugesteht, setzt er sich bemerkenswert wenig mit Frédérique Duyrat, Arados hellénistique. étude historique et monétaire, Beirut 2005 auseinander.
[4] Frank Holt: Thundering Zeus. The Making of Hellenistic Bactria, California 1999.
Peter Franz Mittag