Nina Simone Schepkowski: Johann Ernst Gotzkowsky. Kunstagent und Gemäldesammler im friderizianischen Berlin, Berlin: Akademie Verlag 2009, IX + 594 S., ISBN 978-3-05-004437-8, EUR 89,80
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Johann Ernst Gotzkowski war wohl der bedeutendste Manufakturunternehmer des friderizianischen Preußens und einer der größten Mäzene im Berlin des 18. Jahrhunderts. Schon bald nach der Thronbesteigung Friedrichs des Großen, mit dem er persönlich bekannt war, gründete er eine Fabrik für Bijouteriewaren. Er heiratete die Tochter des reichen Hoflieferanten Blume und überredete diesen, eine Samtmanufaktur nach genuesischem Muster einzurichten und ihm selbst die Leitung zu überlassen. 1753 übernahm er eine nur kümmerliche Seidenmanufaktur in Berlin und etablierte, noch während des Siebenjährigen Krieges, die Berliner Porzellanmanufaktur. Als im Herbst 1760 österreichische und russische Truppen Berlin besetzten, gelang es Gotzkowsky, die der Stadt unter Androhung von Plünderung und Brand auferlegte Kontribution (Brandschatzung) um mehr als die Hälfte zu reduzieren. Den größten Teil dieser geforderten Summe verpflichtete er sich, persönlich durch Wechsel auf Hamburger Kaufleute, innerhalb von zwei Monaten beizubringen. Wir sind über den Geschäftsmann Gotzkowsky dank der historischen bzw. wirtschaftshistorischen Forschungen von Gustav Schmoller, Otto Hintze, Hugo Rachel, Paul Wallich und Stephan Skalweit gut unterrichtet.
Der Großkaufmann war jedoch nicht nur Unternehmer, sondern auch Gemäldesammler und Kunsthändler. Er zählte, so der Hinweis auf dem Buchrücken, "aufgrund seiner weitreichenden Betätigungen im Handel mit Gemälden, Porzellan und Galanteriewaren [...] zu den wichtigsten Akteuren der europäischen Kunsthandelsgeschichte des 18. Jahrhunderts." Dennoch habe sich, von einigen Ausnahmen abgesehen, die kunsthistorische Forschung "kaum mit seinem kulturhistorischen Wirken als königlicher Kunstagent, Sammler, Händler und Mäzen befaßt" (4). Lediglich seine Leistungen für die Königlich Preußische Manufaktur wurden untersucht, auch der Verkauf eines Großteils seiner Gemäldesammlung nach Rußland 1763/64 wurde rekonstruiert, ebenso der heutige Verbleib einiger dieser Gemälde.
Doch wurden längst nicht alle Quellen zu Gotzkowskys Tätigkeit als Händler und Sammler ausgewertet. Diese weltweit zusammengetragen und analysiert zu haben, ist das Verdienst der Arbeit von Nina Simone Schepkowski. Sie tat dies vor allem in der Absicht, "die Sammlung Gotzkowskys in ihrem Umfang und ihrer künstlerischen Zusammensetzung darzustellen", und darüber hinaus dessen "Rolle als Kunstagent und seine umfassenden Gemäldeverkäufe an Friedrich II." aufzuklären - der allerdings zur Trauer seiner Verehrer und zur Freude seiner Gegner bereits 1786 starb, nicht 1789 (so aber 2 und 6).
Um ihre Ziele zu erreichen, hat Schepkowski ihr Buch in vier Kapitel chronologisch klar gegliedert. Das erste Kapitel zeichnet Gotzkowskys Weg vom Galanteriewarenhändler zum Manufakturisten in den Jahren 1710 bis 1756 nach (11-70). Es behandelt die Anfänge des Unternehmers und die der Beziehung zum preußischen König. Das zweite, zentrale Kapitel - es umfasst die Jahre von 1754 bis 1763 - stellt Gotzkowsky als Gemäldesammler und Kunstagent im friderizianischen Berlin vor (71-257). Darin gelingt es Schepkowski auf der Grundlage eines umfassenden Studiums aller erreichbaren Akten und Aufzeichnungen sowie bereits publizierter Literatur, Gotzkowskys Tätigkeit für die Gemäldesammlung Friedrichs des Großen zu rekonstruieren.
Nach einer kurzen Einführung über Friedrich II. als Sammler Alter Meister und über Gotzkowskys Ankäufe für Friedrichs von 1755 bis 1763 entstandene Bildergalerie er kam hier "dem königlichen Wunsch nach Gemälden des italienischen und flämischen Barock mit Werken von Tintoretto, Veronese, Rubens, van Dyck, Reni und Andrea Celesti nach" (96) , bilden die beiden Abschnitte über die Agententätigkeit Gotzkowskys den wichtigsten Teil dieses Kapitels. Sie sollen aufschlüsseln, "woher und über wen" (97) er die Bilder für Friedrichs Galerie erwarb.
Eine Schlüsselposition für Gotzkowskys Kunsthandel und seine Bildereinkäufe kam Karl Heinrich von Heineken zu, seines Zeichens Dresdner Generalinspektor. Er war, wie Schepkowski zeigt (103-112, 118), "der entscheidende Mittler für die umfangreichen Gemäldeankäufe Gotzkowskys auf dem europäischen Kunstmarkt und den damit verbundenen Weiterverkäufen an Friedrich den Großen" (97f.). Offenbar konnten die beiden ihre Handelsbeziehung geheim halten. Denn weder Friedrich noch Graf Heinrich von Brühl, der dem preußischen König ebenbürtige, wenn nicht überlegene Sammler und sächsische Premierminister, hätten von dieser sächsisch-preußischen Kunsthandelsverbindung gewusst. Dies erscheint allerdings wenig wahrscheinlich.
Durch Heineken gelangten neun Gemälde aus dem Bildervorrat des sächsischen Monarchen August III. an Friedrich II. Wie sind diese Verkäufe zu bewerten? "Sieht man von dem Umstand ab, daß es sich bei den Gemälden um Werke handelte, die angeblich dem sächsischen Kurfürsten nicht würdig und ausrangiert waren, gleichzeitig aber in Potsdam als Meisterwerke angesehen wurden, so verdeutlicht dies den unterschiedlichen Umgang mit Kunst im Rahmen höfischer Repräsentation." (111f.) Hier hätte man sich doch mehr als diesen Satz, hätte man sich eine tiefere inhaltliche, über die reine Rekonstruktion der Sammlung hinausgehende Auseinandersetzung mit Friedrich als Sammler und Gotzkowsky als Sammler-Händler gewünscht.
Um für Friedrich Alte Meister zu erwerben, verschaffte sich Gotzkowsky - wiederum mit Hilfe des gut vernetzten Heineken - auch Zugang zu den Kunstmärkten in Italien und Holland. Schepkowski entwirft hier (119-165) ein für die fernere Forschung wertvolles Panorama der Kunsthandelsszene in Florenz, Rom und Venedig. Aufschlussreich etwa ist die vorgestellte Vermittlung der von Gotzkowsky aus dem Palazzo Labia in Venedig erworbenen Gemälde durch Antonio Maria Zanetti (156-159).
Im Weiteren bietet die Arbeit noch Ausführungen über Matthias Oesterreich, den königlich-preußischen Gemäldeinspektor (und Schwiegersohn Heinekens), über die Gemälde Antoine Pesnes in Gotzkowskis Sammlung, zu Gotzkowskys Ankauftätigkeit in Holland und zur Bedeutung der Reproduktionsgrafik für dessen Gemäldehandel. Was dem Leser in diesem Kapitel deutlich wird, allerdings ohne dass Schepkowski dazu explizit etwas sagt, ist, dass Friedrich nach anderen Kriterien sammelte als Gotzkowsky kaufte.
Das dritte Kapitel, 1756-1763, beschäftigt sich kurz mit Gotzkowskys allerdings sattsam bekannter Rolle im Siebenjährigen Krieg (258-269), mit dem Aufbau der Berliner Porzellanmanufaktur bis zu ihrem Verkauf an Friedrich den Großen (274-301), und schließlich mit dem Börsencrash von 1763 in Amsterdam (302-310), der für Gotzkowsky schwerwiegende Folgen hatte: Er musste, auch dies ist gut bekannt, Ende Januar 1764 Konkurs anmelden.
Im vierten Kapitel führt Schepkowski vor, wer von diesem Konkurs des Großkaufmanns und Gemäldehändlers profitierte: zuerst die russische Zarin Katharina die Große, die aus der Konkursmasse den Löwenanteil der bedeutenden Gemälde erwarb, dann aber auch Friedrich der Große, der für das nach dem Siebenjährigen Krieg neu errichtete Neue Palais in Potsdam wichtige Bilder aus Gotzkowskys Sammlung übernahm. Anschließend folgen, gegründet auf die Studien Christoph Martin Vogtherrs, Ausführungen über die "Réflexions critiques sur les différentes écoles de peinture" des Marquis d'Argens (388-394).
Schepkowkis Fazit zu dem Großkaufmann, Gemäldehändler und -sammler: "Aus welchem Nutzen heraus Gotzkowsky sein umfangreiches Bilderkabinett auch aufgebaut hat - aus Sammlertrieb oder Besitzerinstinkt, Bedürfnis nach sozialem Prestige oder ästhetischem Vergnügen, aus wirtschaftlichem Gewinn oder persönlichem Machtstreben" - dies hätte man gerne gewusst, aber über den Mann selbst und auch über sein Verhältnis zu Friedrich dem Großen erfahren wir leider kaum etwas Neues -, "er war einer der einflussreichsten Akteure der europäischen Kunst-, Kunstgewerbe- und Kunsthandelsgeschichte des 18. Jahrhunderts." Der umfangreiche und sehr nützliche Aktenanhang hilft diese Aussage zu untermauern. Schepkowski hat ein auf immensem Quellenstudium basierendes Buch vorgelegt, das eine feste Grundlage für weitergehende Analysen bildet.
Jürgen Luh