Sandra Schramke: Kybernetische Szenografie. Charles und Ray Eames - Ausstellungsarchitektur 1959-1965 (= Szenografie & Szenologie; Bd. 3), Bielefeld: transcript 2010, 184 S., ISBN 978-3-8376-1508-1, EUR 24,80
Buch im KVK suchen
Bitte geben Sie beim Zitieren dieser Rezension die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.
Diese Rezension erscheint auch in KUNSTFORM.
Tanja Jankowiak: Architektur und Tod. Zum architektonischen Umgang mit Sterben, Tod und Trauer. Eine Kulturgeschichte, München: Wilhelm Fink 2010
Christoph Hölz: Der Civil-Ingenieur Franz Jakob Kreuter. Tradition und Moderne 1813-1889. Hrsg. in Zusammenarbeit mit dem Förderkreis Roseninsel Starnberger See e.V., München / Berlin: Deutscher Kunstverlag 2003
Juliane Schwoch: Die spätromanische Bauzier des Mainzer Domes, Regensburg: Schnell & Steiner 2010
Das Designerehepaar Charles und Ray Eames gestaltete Ende der 1950er- und bis in die Mitte der 1960er-Jahre einige nationale und firmenbezogene Architekturpavillons auf Welt- und Länderausstellungen in Brüssel, Moskau, Seattle und New York. Auftraggeber waren entweder die US-amerikanische Regierung, vertreten durch die USIA (United States Information Agency) oder die Büromaschinen- bzw. Computerfirma IBM. In der beginnenden Zeit des Kalten Krieges zwischen der USA und der Sowjetunion wurden die Weltausstellungen als Arena genutzt, um die politischen Machtsysteme von Kapitalismus und Sozialismus gegeneinander antreten zu lassen. Besonders seit der Beförderung der sowjetischen Raumschiffkapsel "Sputnik" ins All 1957 war ein regelrechter technischer Wettlauf zwischen den beiden Staaten ausgebrochen. Die Eames entwickelten nun in ihren Ausstellungsarchitekturen neuartige Multimedia-Präsentationen, die einmal inhaltlich, dann aber vor allem auch informationstechnologisch die Fortschrittlichkeit der USA demonstrieren sollten.
In dem vorliegenden Buch, das 2009 als Dissertation an der Bauhaus-Universität Weimar eingereicht wurde, versucht Sandra Schramke, diese Ausstellungsarchitektur der Eames unter den Aspekten einer Medientheorie und Informationsästhetik zu analysieren. Als zentralen Begriff in diesem Zusammenhang setzt sie die "Kybernetik", 1948 von Nobert Wiener als mathematischer Terminus für Steuerungs- und Kommunikationsverfahren eingeführt [1] und inzwischen von den Medien- und Kulturwissenschaften fast inflationär vereinnahmt. Bereits die einleitenden Fragestellungen der Autorin lassen die inzwischen ausgetretenen Pfade einer medientheoretischen Bildwissenschaft erahnen, die sich mit dem Schlagwort des "iconic turns" etabliert hat. Das Hauptaugenmerk wird also nicht auf die eigentliche künstlerisch-gestalterische Arbeit der Eames gelegt, sondern vielmehr wird untersucht, mit welchen informationstechnologischen Steuerungsverfahren die Designer ihre Architekturen und vor allem Ausstellungsräume als Kommunikationsmittel einsetzten und wie dabei der Wahrnehmungsapparat des Betrachters einbezogen und beeinflusst wurde (20). Dieses Vorgehen als "Szenografie", also als Inszenierung in Raum und Zeit und mit entsprechenden Kommunikationsmitteln, zu charakterisieren, ist gut nachvollziehbar, wird jedoch in der Untersuchung von Sandra Schramke leider nicht konsequent als Paradigma und roter Faden verwendet.
Stattdessen verliert sich die Autorin in den unterschiedlichen theoretischen Ansätzen einer strukturalistisch-linguistisch bis postmodern eingefärbten Medien- und Bildwissenschaft, angefangen bei Wolfgang Metzger, Max Bense, Claude Shannon, Marshall McLuhan, Abraham A. Moles, Michel Foucault, Roland Barthes, Gilles Deleuze bis zu Niklas Luhmann, Paul Virilio und Gottfried Böhm. Das postmoderne "Who is Who" mag hier vertreten sein und hat sicherlich jeweils für sich genommen einen interessanten medientheoretischen Ansatz zu bieten. Nur in dem vorliegenden Fall der Anwendung auf die Ausstellungsarchitektur der Eames mit ihren Multimedia-Präsentationen greift das zusammengestellte Konglomerat der Theoretiker und ihrer entsprechenden Diskurse nicht. Auch die öfters erwähnte Kinotheorie von Gilles Deleuze kann nicht entsprechend fruchtbar gemacht werden (136).
Die einleitende historische Darstellung der Eames-Ausstellungspavillons mit ihren Projektionswänden, Rauminstallationen und Filmen wie "Glimpes of the USA" (Nationalausstellung in Moskau, 1959) oder "Think" (Weltausstellung in New York, 1964) fällt dürftig und lückenhaft aus. Hier hätte man sich mehr Information gewünscht, wie sie z.B. in dem Aufsatz von Beatriz Colomina zur Multimedia-Architektur der Eames bereits 2003 geliefert worden ist. [2] An dieser Stelle sei auch erwähnt, dass die Qualität der dokumentierenden, kleinformatigen Abbildungen ziemlich schlecht ist und diese deshalb nur wenig zur Veranschaulichung des Gesagten beitragen.
Das Fazit von Sandra Schramke legt die wichtigen Aspekte der neuartigen Informationsästhetik und kybernetischen Strategie der Designer Eames offen: Simultanpräsentationen auf groß dimensionierten Leinwänden, Einbeziehung der spezifischen Raumtypologien der Ausstellungsarchitekturen, Schnitt- und Montagetechniken aus der Kinematografie und vor allem die Anwendung der Projektionsfläche als "Interface", die die virtuelle Welt des Internets bereits vorwegzunehmen scheint. Allerdings fallen im Fazit einige Passagen durch fast wortwörtliche Wiederholungen auf (163f.), dies mindert natürlich die Effektivität des Ergebnisses. Eine Konzentration auf weniger, dafür passendere theoretische Ansätze wäre vielleicht besser gewesen, um dem Kommunikationsdesign der Eames in den 50er- und 60er-Jahren gerecht zu werden.
Anmerkungen:
[1] Norbert Wiener: Cybernetics or Control and Communication in the Animal and the Machine, New York 1948.
[2] Beatriz Colomina: Die Multimedia-Architektur der Eames. In: Arch+ 35 (2003), Heft 164/ 165: Das Arsenal der Architektur, 86-95.
Stefanie Lieb