Vanja Hug: Die Eremitage in Arlesheim. Ein Englisch-Chinesischer Landschaftsgarten der Spätaufklärung (= Grüne Reihe. Quellen und Forschungen zur Gartenkunst; Bd. 27), Worms: Wernersche Verlagsgesellschaft 2008, 2 Bde., 742 S., zahlr. Abb., ISBN 978-3-88462-270-4, EUR 96,00
Buch im KVK suchen
Bitte geben Sie beim Zitieren dieser Rezension die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.
Diese Rezension erscheint auch in KUNSTFORM.
Julia Burbulla: Allumfassende Ordnung. Gartenkunst und Wissenschaft in Gotha unter Ernst II. von Sachsen-Gotha-Altenburg (1772-1804), Frankfurt a.M. [u.a.]: Peter Lang 2010
Rita Hombach: Landschaftsgärten im Rheinland. Die Erfassung des historischen Bestands und Studien zur Gartenkultur des "langen" 19. Jahrhunderts, Worms: Wernersche Verlagsanstalt 2010
Andrea Siegmund: Der Landschaftsgarten als Gegenwelt. Ein Beitrag zur Theorie der Landschaft im Spannungsfeld von Aufklärung, Empfindsamkeit, Romantik und Gegenaufklärung, Würzburg: Königshausen & Neumann 2011
Mit ihrer umfassenden Untersuchung der Eremitage in Arlesheim gelingt es Vanja Hug, die Geschichte des größten Landschaftsgartens der Schweiz gründlich zu erschließen und mithilfe von reichlich vorhandenem Quellenmaterial anschaulich zu dokumentieren. Damit schafft Hug die Voraussetzung für eine denkmalgerechte Restaurierung der Eremitage, die als Englisch-Chinesischer Landschaftsgarten zu ihrer Zeit einen über die Landesgrenzen hinausreichenden Ruf genoss und 1999 in das Inventar der geschützten Kulturdenkmäler des Kantons Basel-Landschaft aufgenommen worden ist. Die Publikation geht auf Hugs 2007 an der Universität Basel eingereichte Dissertation zurück. Gegliedert in zwei Teile, beinhaltet sie im ersten Band die komplexe Geschichte zur Anlage und Ausstattung der Eremitage, während der zweite Band die wesentlichen textlichen und bildlichen Quellen aufführt.
Eingebunden in einen interdisziplinären Kontext, stellt Hug die vielschichtige Geschichte der Eremitage im Zeitraum von 1785 bis 1844 dar, indem sie kunst-, geistes-, sozial- und religionsgeschichtliche Aspekte ebenso berücksichtigt wie literaturgeschichtliche und philosophische Fragestellungen. Damit unterstreicht die Autorin den Ansatz, dass "[d]er Englische Garten in Arlesheim [...] nicht nur aus kunsthistorischer Sicht, sondern als geistesgeschichtliches Phänomen für die Kultur- und Ideengeschichte von Bedeutung" ist. [1] Mit dem entwicklungsgeschichtlich bedeutsamen Schwerpunkt der Jahre 1785 bis 1792 geht Hug von der Bewegung der Aufklärung aus, deren Einflüsse auf den Ausbau der Eremitage zu einem Landschaftsgarten im englisch-chinesischen Stil einwirken.
Die im ersten Teil enthaltende Untersuchung ist in drei große Kapitel gegliedert und wird durch einen umfangreichen bibliografischen Anhang ergänzt. Nach einer Einführung in die Historie und Strukturen des Fürstbistums Basel erläutert Hug die Grundzüge der Entwicklungsgeschichte und Charakteristik von Landschaftsgärten im Allgemeinen. Ausgehend von den Fragestellungen "Was ist ein Garten?" und "Was ist Natur?" formuliert die Autorin einen kultur- und ideengeschichtlichen Ansatz zum Verständnis der Landschaftsgartenkunst. Vor allem der aus der antiken Literatur tradierte, sinnbildlich verankerte Naturbegriff, der als gesellschaftspolitisches Ideal den frühen Landschaftsgarten geradezu programmatisch bestimmt, prägt auch die Entstehungsgeschichte der Eremitage in Arlesheim vor dem Hintergrund der Spätaufklärung.
Das umfassendste Kapitel beinhaltet die Untersuchung zur "Geschichte und Ausstattung der Eremitage in Arlesheim", die Hug wiederum in sechs Abschnitte unterteilt hat. Zunächst werden die maßgeblichen Persönlichkeiten der Eremitage aufgeführt, angefangen mit Albina von Andlau (1736-1798), die als Initiatorin der Eremitage gilt, über deren Sohn Conrad Carl Friedrich von Andlau (1766-1839), der großen Einfluss auf die revolutionären Entwicklungen im Fürstbistum nimmt, bis hin zu Künstlern wie Pierre-François Pâris (1721-1799?), der vor allem für die Renovierung des zur Eremitage gehörigen Schlosses Birseck verantwortlich zeichnet, und Philippe Jacques de Loutherbourg (1740-1812), der maßgeblich an der künstlerischen Ausstattung der Eremitage mitwirkt. Zu den historiografisch aufgeführten Biografien der Persönlichkeiten liefert Hug umfassendes Quellenmaterial.
Im folgenden Abschnitt erläutert die Autorin den Zustand und die Genese der Eremitage im 18. Jahrhundert. Dabei konzentriert sie sich auf die "Anregung und Gründe zur Anlegung der Eremitage" (172) sowie die "Organisation der Anlegung und Gestaltung des Gartens" (179), der den Typus des Englischen Landschaftsstils verkörpert und weiterhin charakteristische Merkmale eines empfindsamen Gartens und eines "Jardin anglo-chinois" miteinander vereinigt. Darüber hinaus erörtert Hug die "Einflüsse anderer Gartenanlagen der Eremitage" (186), deren unmittelbare Vorbilder der Jardin de Monceau bei Paris sowie der Englisch-Chinesische Garten in Etupes bei Montbéliard sind. Letztere Anlage, die Anfang 1770 als Sommerresidenz des württembergischen Herzogs Carl Eugen im französischen Stil angelegt wurde, erhielt in einem weiteren Teil die Form und Ausstattung eines Englisch-Chinesischen Gartens, dessen Grundzüge eindeutige Parallelen zur Ausstattung der Eremitage in Arlesheim aufweisen.
Großzügig erläutert Hug die "Ausstattung von 1785 bis 1792" (189), deren einzelne Staffagen entsprechend des Rundganges in den Beschreibungen der Eremitage aufgeführt werden. Die detaillierten Darstellungen der Grotten, Ruinen, Monumente sowie der Brücken, des Weihers und der Wege sind quellengeschichtlich präzise aufgearbeitet und enthalten zahlreiche Verweise auf Schrift- und Bildzeugnisse. Die Fülle der Staffagen verdeutlicht den Charakter der Anlage der Eremitage, die als emblematisch geprägter "Jardin anglo-chinois gewissermaßen die Welt im Kleinen" (186) abbildet. Anschließend beschreibt Hug den Zustand und die Genese der Eremitage im 19. Jahrhundert, insbesondere ihre Zerstörung und den Wiederaufbau und führt darüber hinaus die Ausstattung von 1812 bis 1844 detailliert auf.
Der zweite Teil der Publikation beinhaltet unter anderem zahlreiche "Beschreibungen der Eremitage in Reiseberichten und anderen literarischen Zeugnissen" sowie die grafischen Darstellungen zur Eremitage. Mit dem Anhang stellt sich Hug erstmalig der Herausforderung, alle bekannten Beschreibungen der Eremitage aus dem Zeitraum von 1785 bis 1837 in chronologischer Folge aufzuführen. Eingeschlossen sind - neben Garten- und Reisebeschreibungen - fiktive, erzählende und poetische Literatur sowie weiterhin politisch-historisch-statistische Werke. Die Fülle des Quellenmaterials ermöglicht einen eigenen Zugang zur Eremitage in Arlesheim, die historisch nahezu lückenlos dokumentiert und damit in bemerkenswerter Komplexität überliefert ist.
Eben diese Tatsache, die eine denkmalgerechte Instandsetzung und Erhaltung geradezu vorbildlich ermöglicht, arbeitet Vanja Hug präzise und anschaulich heraus. Ausführliche Fußnoten und umfangreiche Quellenangaben vervollständigen den wissenschaftlichen Anspruch der Arbeit. Abbildungen der historischen Pläne und Ansichten bereichern die wissenschaftliche Untersuchung. Eine umfassende Bibliografie der ungedruckten und gedruckten Quellen sowie der Sekundärliteratur rundet die Arbeit ab. Insgesamt gelingt es Vanja Hug mit ihrer Arbeit, die komplexe Geschichte der Eremitage in Arlesheim in interdisziplinärer Weise aufzuarbeiten und anschaulich darzustellen. Ihre Publikation versteht sich nicht nur als Handbuch für die Gartendenkmalpflege in Arlesheim, sondern darüber hinaus als vorbildliche Arbeit für gartenhistorische Untersuchungen, die als Leitwerk für die Denkmalpflege dienen.
Anmerkung:
[1] Hans-Rudolf Heyer: Die Kunstdenkmäler des Kantons Basel-Landschaft, Bd. 1, Der Bezirk Alresheim, in: Die Kunstdenkmäler der Schweiz, Bd. 57, Basel 1969, 183.
Sonja Geurts