W. Jason Wallace: Catholics, Slaveholders, and the Dilemma of American Evangelicalism, 1835-1860, Notre Dame, IN: University of Notre Dame Press 2010, XII + 201 S., ISBN 978-0-268-04421-3, GBP 25,95
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W. Jason Wallace, Assistant Professor für Geschichte an der Samford University, Alabama, legt mit "Catholics, Slaveholders, and the Dilemma of American Evangelicalism, 1835-1860" eine gute Zusammenfassung des Strebens der Yankee Evangelikalen nach Fortschritt, ihres Kampfes gegen die geistige und körperliche Sklaverei in den USA und ihres letztlichen Scheiterns vor. In der Einleitung zeichnet er gleich zu Beginn ein aussagekräftiges Bild des evangelikalen Dilemmas: 1834 stürmen aufgebrachte Protestanten den Ursulinenkonvent in Charlestown, Massachusetts, und 1835 stürmt ein empörter Mob das Postgebäude in Charleston, South Carolina (7-11). Im Zentrum beider Ereignisse stehen die Evangelikalen der Nordstaaten und ihre Mission, die Vereinigten Staaten in eine evangelikale Republik (149) zu verwandeln. Der Gewaltausbruch in Charlestown richtete sich gegen die Vertreter der geistigen Sklaverei, die Katholiken, während die Ausschreitungen in Charleston von abolitionistischen Pamphleten, die sich in der Post aus dem Norden fanden, ausgelöst worden waren. Sowohl der Katholizismus, als auch die Sklavenhalter der Südstaaten, von denen selbst viele Evangelikale waren, wurden zum Ziel ihrer Glaubensgenossen im Norden, die während der Second Great Awakening mit Hilfe von Reformen ein Königreich Gottes auf Erden errichten wollten. Geprägt durch einen starken Millenarismus und einen modifizierten Calvinismus (33), der die Erbsünde weniger stark betonte, machten sich die Evangelikalen im Norden daran, die beiden Übel zu beseitigen, die der evangelikalen Republik im Weg standen und "initiated a twenty-five year political and religious struggle that culminated with the collapse of the Second Party System and the conflagration of the American Civil War" (1).
In den ersten drei Kapiteln richtet Wallace den Fokus auf das Streben der Evangelikalen nach Fortschritt und der eindeutigen Abgrenzung zum rückwärtsgewandten Europa. Als Francis Wayland 1840 Frankreich besuchte schrieb er an Freunde in den USA, dass er sich, je mehr er von Frankreich sehe, umso puritanischer fühle. In Paris werde zwar Palast nach Palast errichtet, aber im ganzen Land gäbe es keine Eisenbahnen. Der Katholizismus habe das Land gelähmt und alle Hoffnung auf Fortschritt zunichte gemacht (39). [1] Samuel F. B. Morse, der spätere Erfinder des Telegrafen, bezeichnete den Katholizismus als "the antipodes of Democracy", den europäischen Konservatismus als Bedrohung für die amerikanische Demokratie. Katholiken seien "slaves, slave in body and mind", während in den USA gelte, "the Protestant religion and Liberty are identitcal" (53). Hierbei übersah er allerdings einen kleinen Schönheitsfehler: die Skalverei in den Südstaaten, deren evangelikale Herren sich auf die gleiche Bibel beriefen, wie ihre Glaubensbrüder im Norden. Solange diese beiden Übel, der Katholizismus und die Sklaverei, existierten, konnte es kein Königreich Gottes auf Erden geben: "Northern evangelicals believed slavery as incompatible with American virtues as Catholicism [...] slaveholders, like Catholics, shared the position of the northern evangelical other - the outsider who had to be assimilated or reconstructed in order for political Protestantism to reach full maturity" (149).
In den Kapiteln vier und fünf wendet sich Wallace diesen beiden "Außenseitern" und ungleichen Verbündeten zu. Im Süden wurden Katholiken, schon allein aufgrund der Tatsache, dass ihr Anteil an der Bevölkerung viel geringer war als im Norden, weniger als Bedrohung gesehen, eher im Gegenteil, wie Wallace argumentiert. Je heftiger die Attacken der Abolitionisten aus dem Norden wurden, umso eher waren die Evangelikalen im Süden bereit, die Katholiken als Verbündete im Kampf gegen ein falsch verstandenes, auf Fortschritt und Reform basierendes Glaubensmodell zu sehen. Die Sklavenhalter des Südens entwarfen ein hierarchisches, die natürliche Ungleichheit betonendes Gegenmodell zum egalitären Protestantismus des Nordens: "they offered a competing vision of what a Christian republic might look like" (112). Damit fanden sie sich in einer ähnlichen Situation wie die katholische Kirche, die einen evangelikalen amerikanischen Nationalismus ablehnte und aufgrund ihrer jahrhundertelangen Erfahrung der Meinung war, dass "American political conditions were to be valued, but contra the evangelical narrative, they were not to be interpreted as the outworking of the kingdom of God on earth" (150).
Lange vor den Evangelikalen in den USA hatte sich die katholische Kirche mit Fragen der Beziehung von Staat und Kirche sowie der Sklaverei beschäftigt, wie Wallace betont. Dies, sowie die eigenen Erfahrungen in Amerika, wo sich die Katholiken entlang der Nationalitäten der Einwanderer spalteten, führte dazu, dass die Bischöfe möglichst versuchten, die Kirche aus dem Sezessionskonflikt herauszuhalten (113). Neutral konnte man allerdings doch nicht bleiben, wollte man sich gegen die Angriffe der Evangelikalen verteidigen. Der zum Katholizismus konvertierte Publizist Orestes Brownson argumentierte "Protestantism perpuated its own version of tyranny", da Protestanten den Staat über die Kirche stellten (118). Außerdem war Brownson davon überzeugt, dass die Sklaverei eine lokale Angelegenheit sei, und die Regierung in Washington nichts angehe. Wallace weist auch darauf hin, dass "the Catholic approach to slavery had its origins in antiquity and the early church, and this meant that from the Catholic perspective, American evangelicals were latecomers to moral arguments surrounding the slavery controversy" (118). Auch wenn die Katholiken den radikalen Abolitionismus des Nordens aus anderen Gründen ablehnten als die Evangelikalen im Süden (119-122), boten sie, genauso wie diese, einen durchdachten Gegenentwurf zur evangelikalen Republik des Nordens. An diesen beiden Konfliktpunkten, der Spaltung der Protestanten selbst, und dem Erstarken des Katholizismus in der amerikanischen Gesellschaft, scheiterten die Yankee Evangelikalen, sie legten jedoch den Grundstein für die Selbstwahrnehmung der Evangelikalen und ihrer Bedeutung für das öffentliche Leben in den USA bis heute, so Wallace (152).
Wallace' gut lesbares Werk fasst das Dilemma des Evangelikalismus in den USA in den Jahrzehnten vor dem Bürgerkrieg gekonnt zusammen, hat aber leider auch einige Schwachstellen. Der Autor verweist meist auf ältere Werke der Forschung und trägt kaum eigene, neue Erkenntnisse bei. Besonders auffällig ist dies in Bezug auf die Ausführungen zum Katholizismus. Das einzige aktuellere hierzu zitierte Werk ist Gerald Fogartys "Commonwealth Catholicism" (2001). [2] Zur Problematik "Katholizismus und Sklavenfrage" verweist Wallace auf die Dissertation von Edward Capizzi an der University of Notre Dame (1998) und Madleine Hook Rices "American Catholic Opinion on the Slavery Controversy" (1944). [3] Er versäumt den Blick über den Atlantik auf Michael Hochgeschwenders einschlägiges "Wahrheit, Einheit, Ordnung, Die Sklavenfrage und der amerikanische Katholizismus 1835-1870" (2006). [4] Hochgeschwenders Werk geht nicht nur tiefer als die von Wallace für diesen Forschungsbereich attestierte Argumentationsweise, "the argument tends to run that the Catholic hierarchy was 'too conservative' to deal with the social implications of slavery" (144), sondern wird sonst auch in den USA rezipiert; fand und findet es sich doch auf der Lektüreliste von Kursen an der University of Notre Dame. [5] Trotz dieser Schwächen ist das vorliegende Werk besonders Neueinsteigern in die Thematik zu empfehlen.
Anmerkungen:
[1] Eine ähnliche Argumentation findet sich knapp 30 Jahre später bei Mark Twain. In seinem 1869 publizierten Reisebericht The Innocents Abroad, or The New Pilgrims' Progress über seine Vergnügungsreise 1867 nach Europa und in das Heilige Land, beschreibt er Italien als vom Katholizismus korrumpiert; das einzig Positive seien die Eisenbahnen.
[2] Gerald P. Fogarty SJ: Commonwealth Catholicism. A History of the Catholic Church in Virginia, Notre Dame, Indiana 2001.
[3] Edward Capizzi: A Development of Doctrine: The Challenge of Slavery to Moral Theology (PhD Diss University of Notre Dame 1998), Madleine Hook Rice: American Catholic Opinion on the Slavery Controversy, New York 1944.
[4] Michael Hochgeschwender: Wahrheit, Einheit, Ordnung. Die Sklavenfrage und der amerikanische Katholizismus 1835-1870, Paderborn 2006.
[5] Vgl. https://history.nd.edu/graduate-programs/courses/archives/fall-2011/ (28.11.2011).
John Andreas Fuchs