Marcus Giebeler / Jürgen Siggemann / Stephanie Zibell (Hgg.): Grabfeld 71. Professorengräber auf dem Mainzer Hauptfriedhof seit 1946 (= Beiträge zur Geschichte der Universität Mainz. Neue Folge; Bd. 9), Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2012, 128 S., ISBN 978-3-515-10105-9, EUR 32,00
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Gelehrte, Professoren, Wissenschaftler - sie alle sind von jeher ein Thema innerhalb der universitären und wissenschaftsgeschichtlichen Erinnerungskultur. Die Darstellung erfolgt dabei in unterschiedlichster Form. Das Halten einer Laudatio anlässlich eines Jubiläums, der Nachruf in Fachzeitschriften, die Widmung von Tagungsbänden, prosopographische Übersichtswerke in Form von beispielsweise Professorenkatalogen - dies sind alles Möglichkeiten, das wissenschaftliche Wirken und das private Leben einer oder mehrerer Personen zu würdigen und der (akademischen) Öffentlichkeit zu präsentieren. Die Beschäftigung mit dem letzten Ruheort von Professoren, so dieser existent und bekannt ist, scheint aber weithin nicht zu den üblichen Mitteln der Erinnerungsarbeit zu zählen. [1] Aus diesem Grund sticht der hier zu besprechende Band über die Professorengräber auf dem Mainzer Hauptfriedhof auch aus der gängigen Literatur heraus und bringt auf den ersten Blick einen Hauch von Innovation in die allseits bekannten Spielarten der Biographieforschung und deren Präsentation. Dieses Alleinstellungsmerkmal, so viel sei an dieser Stelle bereits gesagt, konnten die Autoren, die dem Forschungsverbund Universitätsgeschichte Mainz (FVUG) angehören, leider nicht ausnutzen.
In einer kurzen Einführung wird dem Leser die Geschichte des Zustandekommens eines eigenen Grabfeldes für die Professoren näher gebracht, was sich scheinbar gar nicht so einfach bewerkstelligen ließ, da die Quellenlage Lücken aufweist. Das Thema einer kollektiven Professorenruhestätte stand erstmals im Jahre 1949 auf dem Programm der Mainzer Senatssitzungen und führte schließlich 1950/1951 zu einem Beschluss zwischen Universität und Stadt. Die Vereinbarungen dazu sind allerdings nicht auffindbar, was nach Ansicht der Autoren vermuten lässt, dass es eine schriftliche Abmachung nie gegeben hat. Bis in die frühen 1990er Jahre wurde Professoren (und ihren Angehörigen) angeboten, sich auf diesem professoralen Grabfeld beisetzen zu lassen. Dass es letztlich nur 67 Grabstellen geworden sind, liegt daran, dass lediglich die Professoren der Gründungslehrstühle dieses Recht besaßen. Weiterhin ließ das Interesse von Seiten der Stadt und der Universität mit dem Wandel des gesellschaftlichen Ansehens der Professoren nach. Diesen "konnte es durchaus zugetraut werden, ihre letzte Ruhestätte neben Nichtakademikern zu finden." (9) Das Grabfeld wird heute nicht mehr neu belegt und mit dem Ende der Laufzeit abgeräumt, woraus die Autoren die Motivation für den Band zogen, "um einerseits an den Bestattungsort selbst, andererseits aber auch an die dort beigesetzten Personen zu erinnern." (9)
Von den 67 Biographien, die im Band vorgestellt werden, sind zwei noch lebende Professoren mit einbezogen worden, deren Ehefrauen früh verstarben und auf dem Grabfeld beigesetzt wurden. Die Artikel sind kurz gehalten und jeweils mit einer Fotografie des Grabsteins versehen. Nahezu bei allen Personen werden die biographischen Grundangaben, wie Lebensdaten, Herkunft, Schulausbildung, Studium, Dissertation und Habilitation und die Tätigkeiten bis zur ersten Professur aufgeführt. Am Ende des Bandes findet sich zu jeder Person noch eine kurze Auswahl an weiterführender Literatur oder der Hinweis auf Internetressourcen. Wer auf ausführlichere Biographien gehofft hat, wird bereits in der Einleitung auf den wenig umfangreichen Inhalt hingewiesen: "Ganz bewusst verzichten die Herausgeber dieses Bändchens darauf, die wissenschaftlichen Leistungen der Verstorbenen zu bewerten. Gleiches gilt für deren politische Überzeugungen sowie die daraus resultierenden Wege oder Irrwege." (9) Beim Lesen der Beiträge ist aber schnell erkennbar, dass diese selbst vorgegebene Richtlinie mehr oder weniger ernsthaft verfolgt wurde. So wird beispielsweise der Zeitraum 1933-1945 bei den Verstorbenen unterschiedlich repräsentiert. Nach einem nicht erkennbaren Muster werden hier Angaben über anti-nationalsozialistische Haltungen, Mitgliedschaften in der NSDAP oder sonstiger NS-Institutionen mit dem Verschweigen von NS-Verwicklungen vermischt. [2] Ähnlich, aber in geringerem Umfang, verhält es sich mit der wissenschaftlichen Würdigung der jeweiligen Person.
Auch wenn in der Einleitung auf die relativ kurzen Artikel hingewiesen wird und ausführliche biographische Untersuchungen nicht angekündigt sind, bleibt doch nach dem Lesen des Bandes ein unbefriedigter Eindruck zurück. Zumal sich nach der Lektüre die Frage stellt, warum das Vorhaben nicht, wie es innerhalb der Biographieforschung mittlerweile immer häufiger der Fall ist, in elektronischer Form umgesetzt wurde. Dieser Punkt drängt sich nochmals verstärkt auf, wenn man den Internetauftritt [3] der FVUG betrachtet, wo die Mainzer durchaus Beispiele zeigen, wie sich auch online Forschungsergebnisse präsentieren lassen. Somit wäre z. B. zumindest die Vernetzung mit anderen Portalen möglich gewesen und es wäre leichter, die Biographien Schritt für Schritt zu ergänzen, um doch noch eine umfassende Würdigung der Personen fertig zu stellen. Zu guter Letzt müssen sich die Herausgeber noch die Frage gefallen lassen, weshalb eine kunsthistorische Auswertung der Grabsteine nicht stattgefunden hat, da doch dieser Punkt selbst in der Einleitung als "recht interessant" (10) angesehen wird. Zumindest dies hätte doch die Möglichkeit gegeben, sich von einer herkömmlichen Aneinanderreihung von Biographien abzuheben und die Besonderheit der Thematik zu unterstreichen. So bleibt letztlich der etwas ernüchternde Eindruck zurück, dass die Veröffentlichung, wie sie nun vorliegt, zu früh vorgenommen wurde. Der durchaus gegebene positive Informationsgewinn über möglicherweise weniger bekannte Professoren, die noch nicht in den typischen (Online-) Nachschlagewerken wie Wikipedia oder der Deutschen Biographie zu finden sind, kann über diesen Gesamteindruck leider nicht hinwegtäuschen.
Anmerkungen:
[1] Ausnahmen sind u. a.: Christian Oelsner: Bergakademische Professorengräber auf Freiberger Friedhöfen, Freiberg 2006; Hans Georg Gundel: Professorengräber auf dem alten Friedhof in Gießen, Gießen 1979.
[2] Vgl. dazu Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945, 2. Aufl., Frankfurt am Main 2007.
[3] http://www.forschungsverbund-universitaetsgeschichte.uni-mainz.de [Abgerufen am 17.07.12]
Matthias Glasow