Ilaria Hoppe: Die Räume der Regentin. Die Villa Poggio Imperiale zu Florenz, Berlin: Dietrich Reimer Verlag 2012, 344 S., 129 s/w-Abb., 17 Farbatfeln, ISBN 978-3-496-01442-3, EUR 49,00
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Die Erforschung sozialer Geschlechterkonstruktionen und sozialer Praktiken in der Renaissance gehört nicht erst seit heute zu den grundlegenden Untersuchungsfeldern der Kunstgeschichte. [1] In der Fülle von Projekten und Publikationen der letzten Jahre lässt sich aber eine verstärkte Tendenz zur intensiven Auseinandersetzung mit sozialen Rollen beobachten [2], die in Ilaria Hoppes Buch nicht nur wieder aufgegriffen werden, sondern die durch die politisch-historische Situation in Florenz Ende des 16. Jahrhunderts eine besondere Brisanz erhalten.
Die Autorin untersucht die Architektur und Ausstattung der Villa Poggio Imperiale, die im Auftrag Maria Magdalenas von Österreich zwischen 1622 und 1624 erneuert wurde, ein Jahr nachdem die junge Großherzogin der Toskana nach dem Tod ihres Mannes Cosimo II. de' Medici zusammen mit ihrer Schwiegermutter Christina von Lothringen die Regentschaft der Toskana in Vormundschaft für ihren unmündigen Sohn Ferdinando übernommen hatte. Hoppes zentrale Frage kreist um das Themengebiet der höfischen Repräsentation im Kontext weiblicher Rollenbilder und kombiniert somit methodisch Gender Studies mit politischer Ikonografie. Schrittweise entfaltet Hoppe anhand von schriftlichen und bildlichen Quellen die Bedeutungsebenen ihrer Analyse, die im ersten Kapitel unter Raum, Macht und Geschlecht am Hof der Frühen Neuzeit überschrieben ist (11).
Über die Biografie Maria Magdalenas von Österreich nimmt die Autorin bereits eine erste Dekonstruktion des historischen Bildes der österreichischen Erzherzogin als bigotte und verschwendungssüchtige Katholikin zugunsten eines differenzierteren Blicks auf ihren Umgang mit Religion, Politik und den Künsten vor (13).
Die weiteren Ausführungen verdichten das Bild einer strategisch klug handelnden Regentin, welche die Bildsprache höfischer Repräsentation zur Selbststilisierung als heilige Fürstin im Sinne des habsburgischen Monarchie-Verständnisses zu nutzen wusste. Die Patronage und Herrschaftspraxis Maria Magdalenas von Österreich wird somit in dem Buch erstmals in allen ihren Facetten offengelegt und die wichtigen Parallelen zu den anderen habsburgischen Höfen in Madrid und Paris aufzeigt. "Hier [in Madrid] wie in Florenz vereinnahmten die Frauen des Hofes den religiösen Raum, sowohl in physischer als auch sozialer Hinsicht. Sie dehnten so ihre politischen Handlungsräume aus und näherten sich selbst dem Status von Heiligen an." (25)
Der Handlungsraum Maria Magdalenas war durch die Villa Poggio Imperiale topografisch klar abgesteckt. Als Villa Suburbana lag die Architektur erhöht am Rande der Stadt. Der repräsentative Charakter wurde durch die symmetrische Architektur, die auf Giulio Parigi zurückgeht und die traditionelle Formensprache des toskanischen Villenbaus zitiert, und die darauf ausgerichtete monumentale Anfahrt hervorgehoben. Das ikonografische Programm der Bauplastik verwies auf die ursprüngliche Funktion der Villa als Jagd- und Landsitz, doch gleichzeitig war der Bau durch eine Straßenachse mit der Residenz der Medici, dem Palazzo Pitti verbunden. Zusammen mit den antikisierenden Elementen in der Architektur, die auf die kaiserlich-römische Tradition des Villenbaus rekurrierten, ergab sich also eine ambivalente Situation. Der Bau diente typologisch als Rekreationsort, funktionell erfüllte er alle Ansprüche an eine höfische Residenz (77-95).
Dieser Anspruch wurde durch die Disposition der Räume im Inneren und ihre symmetrische Gruppierung in Frauengemach und den männlichen Trakt für den kleinen Thronfolger und die reiche Kunst- und Preziosensammlung anschaulich gemacht, deren Reichtum mit dem Mäzenatentum der Medici konkurrierte. Er äußerte sich aber insbesondere in der malerischen Ausstattung, die programmatisch das Selbstverständnis Maria Magdalenas von Herrschaft anschaulich macht. In deren Zentrum stand nicht so sehr das Erbe der Medici, sondern der Rekurs auf die Pietas Austriaca und damit auf die eigene kaiserliche Herkunft der Monarchin und die durch ihre Dynastie verkörperte translatio imperii, die unmittelbar auf den Sohn Ferdinando übertragen wurde. In diesem Sinne führt das ikonografische Programm der wandfesten Dekoration in dem Frauengemach, das die Autorin anhand des bisher unveröffentlichten Inventars der Villa von 1625 umfassend untersucht, auf die Selbststilisierung Maria Magdalenas als eine von Gottes Gnaden berufene Herrscherin hin (230). Der Freskenzyklus, der im Wesentlichen von Matteo Roselli und seiner Werkstatt ausgeführt wurde, zeigt Themen berühmter Frauen aus der Antike, dem Alten und dem Neuen Testament und entfaltet somit schrittweise von Raum zu Raum die Idee der heiligen Fürstin nach dem Vorbild des weiblichen Tugendkanons. Dies erscheint auf den ersten Blick folgerichtig, doch verdichtet sich das Bild einer mit Kalkül vorgehenden Regentin durch den Blick auf das Bildprogramm in den Räumen des Thronfolgers Ferdinand. Erst hier, in den monumentalen Historienszenen, die dem Leben der deutschen Kaiser gewidmet sind, zeigt sich die Essenz der politischen Vorstellungen Maria Magadalenas von Österreich, die in der Gestalt ihres Sohnes verkörpert wurde. Dieser erscheint als "Erbe und Teilhaber einer stirps regia et beata, dessen männliche und weibliche Mitglieder mit den ihnen jeweils zur Verfügung stehenden Mitteln den in der Allegorie der Decke formulierten Herrschaftsauftrag erfüllten: die Verteidigung der Einheit von Reich und Kirche gegen Ungläubige und Abtrünnige" (232).
Angesichts dieses universalen Herrschaftsanspruchs habsburgischer Prägung verwundert es nicht, dass das Memorialprogramm für den verstorbenene Ehemann Cosimo II. in der Volticina, das Hoppe erstmals als Ruhmesgalerie deutet, eher bescheiden ausfällt und sich nahtlos in das Gesamtprogramm einfügt. Szenen, wie die Gewährung des Asyls eines muselmanischen Fürsten durch Cosimo II. de' Medici und die Einnahme der Festung Glimur in Südanatolien durch die Truppen des von Ferdinando I. gegründeten Stephansorden, stehen in bezeichnender Weise im Einklang mit den Intentionen der habsburgischen Reichspolitik (201).
Es ist das große Verdienst dieser Arbeit, das Bild von der weiblichen Regentschaft in Florenz zu Beginn des 17. Jahrhunderts einer subtilen Bedeutungsverschiebung unterzogen zu haben. Dies wirft nicht nur ein neues Licht auf die Mediceisch-Habsburgische Politik im Großherzogtum der Toskana sondern stellt auch die Frage nach der Florentiner Kunstproduktion im Zeitalter des Barock in neuer Weise.
Anmerkungen:
[1] Zu den umfassenden Monografien gehört Margaret L. King: Women in the Renaissance, Chicago 1991.
[2] Frauen des Hauses Medici. Politik, Mäzenatentum, Rollenbilder (1512-1743), hg. von Christina Strunck, Petersberg 2011. Frauen in der frühen Neuzeit. Lebensentwürfe in Kunst und Literatur, hg. von Anne-Marie Bonnet und Barbara Schellewald, Köln / Weimar / Wien 2004. Beyond Isabella. Secular woman patrons of art in Renaissance Italy, hg. von Sheryl E. Reiss, Kirksville 2001.
Claudia Steinhardt-Hirsch