Alexis Oepen: Villa und christlicher Kult auf der Iberischen Halbinsel in Spätantike und Westgotenzeit (= Spätantike - Frühes Christentum - Byzanz. Kunst im ersten Jahrtausend. Reihe B: Studien und Perspektiven; Bd. 35), Wiesbaden: Reichert Verlag 2012, 589 S., 61 Bildtafeln, ISBN 978-3-89500-857-3, EUR 148,00
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Alexis Oepens Villa und christlicher Kult auf der Iberischen Halbinsel, die Publikation seiner Münchner Doktorarbeit, behandelt ein bedeutendes Phänomen, dem man sich bisher nicht zusammenfassend gewidmet hat: den Kirchenbauten beziehungsweise kleineren christlichen Kultbauten der Region im ländlichen Kontext. Der Schwerpunkt des Buchs liegt in der umfassenden Darstellung und kritischen Diskussion der einzelnen Monumente, die der Autor in detailreicher Grundlagenarbeit für die Forschung erschließt.
In der Einführung (13-26) stellt Alexis Oepen zunächst den Rahmen des Themas vor und stellt heraus, dass frühe Kirchenbauten in Hispanien aufgrund der Baukontinuität in den Städten besser im ländlichen Gebiet zu fassen sind (15). Auf Landsitzen oder in dörflichen Ansiedlungen errichteten Villenbesitzer in privater Initiative Oratorien und kleine Kirchen, die immer auch über einen eigenen Klerus verfügten, der die Sakramente spendete (21). Nach einer ausführlichen Besprechung der Forschungsgeschichte (27-44), die den Schwerpunkt auf die Forschung zu den spätantiken hispanischen Villen im Zusammenhang mit christlicher Religionsausübung ab 1944 legt, wendet sich der Autor in einem eigenen Kapitel einer entscheidenden und interessanten Frage für das Thema zu, dem Phänomen der Eigenkirchen (45-60). Als Eigenkirche wird eine Kirchenstiftung bezeichnet, die dem jeweiligen stiftenden Grundherren unterstand und diesem, neben spirituellen Vorteilen, auch materielle Einkünfte brachte. Eigenkirchen wurden häufig von Privatpersonen gestiftet, wie Oepen schreibt nicht zuletzt deshalb, weil es sich um die "vorteilhafteste Kapitalanlage der Zeit" handelte (49). Da die Eigenkirchen jedoch auch über einen eigenen Klerus verfügten, der rechtlich und wirtschaftlich häufig vom Grundherren abhängig war, entstanden Konflikte mit den Bischöfen in den Städten, die ihre geistliche Autorität beeinträchtigt sahen. Ausführlich behandelt der Autor im Folgenden die relevanten hispanischen Konzilien und Synoden, die zwischen dem frühen 4. und dem späten 7. Jahrhundert. stattfanden, in Bezug auf ihre Beschlüsse zu Kirchenstiftungen und ihrer Verwaltung im Zusammenhang mit Villen beziehungsweise im ländlichen Umfeld (61-85). Zahlreiche Synoden diskutierten Streitfragen zwischen Bischöfen und weltlichen Stiftern, bei denen es häufig auch um die finanzielle Verwaltung und Ausstattung der ländlichen Kirchen ging. Es folgen kürzere Kapitel zu den Eigenkirchen in den weltlichen Gesetzestexten (86-92) und zu den literarischen und epigrafischen Quellen (93ff.). Insgesamt ist der historische Hintergrund damit ausführlich besprochen und dargestellt. Dieser ist, besonders im Phänomen der Eigenkirche, von hoher Relevanz für die dargestellten Befunde, bei denen es sich in vielen Fällen um Eigenkirchen gehandelt haben wird, wie Oepen herausstellt (45).
Es folgt der Hauptteil der Arbeit, der Überblick über die Monumente - die Einträge zu den 64 einzelnen Fundplätzen nehmen die Seiten 96-471 ein. Die Abfolge der Monumente ist regional gegliedert. Verweise am Anfang der Einträge weisen auf die entsprechenden Abbildungen im Tafelteil hin. Eine Überblickskarte zu Beginn des Tafelteils bildet die Lage der einzelnen Fundorte ab - hier wäre es praktisch gewesen, die Nummerierung auch bei den einzelnen Katalogeinträgen zu ergänzen, damit man diese auf der Karte leichter findet. Zu jedem Eintrag finden sich Abbildungen, zumeist Grundrisse, die jedoch aufgrund des jeweiligen Forschungsstands in der Qualität schwanken. Die einzelnen Monumente werden ausführlich, sorgfältig und kritisch diskutiert. Darunter befinden sich Fundplätze wie Milreu, wo ein älterer Grabbau in eine christliche Kirche umgewandelt wurde, Herdade de Torre de Palma, ein großer Landsitz, der über eine Basilika mit Doppelapsis verfügte, die Villa von Cercadilla bei Cordoba, wo ein repräsentativer Landsitz in einer späteren Nutzungsphase unter anderem ein Bischofsgrab beherbergte, oder auch die bedeutende Anlage von Carranque mit aufwändigem Stiftermausoleum im direkten Umfeld einer spätantiken Villa. Auch unbekanntere Befunde werden gründlich vorgestellt, zudem betrachtet Oepen ab und an auch größere Regionen im Zusammenhang, wie Galicien. Die Behandlung der einzelnen Anlagen ist in der Darstellung der Quellen und der kritischen Behandlung des Befunds vorbildlich.
Die Schlussbetrachtung (472-490) fasst wichtige Ergebnisse in der Analyse der einzelnen Monumente zusammen und zeigt in Einzelfällen Parallelen zu Bauten anderer Regionen auf. Die behandelten Denkmäler zeigen grundsätzlich ein heterogenes Bild, was mit der jeweils spezifischen Situation im Umfeld der Stiftungen zu erklären ist. Oepen stellt fest, dass sich ländliche Kirchen in Hispanien immer in direktem Bezug zu Villen und Dörfern befanden, und somit die Initiative zu ihrer Errichtung in der Regel von Familien oder Einzelpersonen ausging (472). Bei allen in Hispanien erhaltenen Monumenten waren die Kulträume immer auch von außen zu betreten, und wurden somit wohl nicht exklusiv von den Familien genutzt, sondern auch von anderen Gutsbewohnern oder der ländlichen Bevölkerung (483). Wie Oepen herausarbeitet, scheint in der frühen Gründungsphase im 4. und 5. Jahrhundert die Deposition von Reliquien, in Verbindung häufig mit einem Stiftergrab, der hauptsächliche Beweggrund für die Errichtung der Bauten gewesen zu sein, während vor allem ab dem 6. Jahrhundert auch größere Kirchen im Umfeld der Villen entstanden (489).
Oepens Arbeit wird durch die umfassende und quellenkritische Vorlage der archäologischen Befunde sicher eine wichtige Grundlage für Archäologen werden, die zur Spätantike, der Westgotenzeit und dem Frühmittelalter auf der Iberischen Halbinsel arbeiten. Dabei verfolgt das Buch keine spezifische Fragestellung, die anhand einzelner Monumente diskutiert und argumentiert würde, sondern legt in beeindruckender Fülle die Informationen zu den Befunden vor und diskutiert diese überwiegend im Einzelfall. Zusammen mit der kritischen Darstellung der Forschungsgeschichte und des rechts- und religionshistorischen Kontexts lässt das Werk kaum Wünsche offen, was die Darlegung des Datenmaterials zum christlichen Kult im Kontext hispanischer Villenanlagen angeht. Oepens Buch ist daher ein wichtiger Beitrag in der Grundlagenarbeit zur Christlichen Archäologie der Iberischen Halbinsel.
Ralf Bockmann