Rezension über:

Stephen Ruzicka: Trouble in the West. Egypt and the Persian Empire, 525-332 BC (= Oxford Studies in Early Empires), Oxford: Oxford University Press 2012, XXVI + 320 S., 5 s/w-Abb., 5 Karten, ISBN 978-0-19-976662-8, GBP 45,00
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Rezension von:
Sabine Müller
Institut für Klassische Altertumskunde, Abteilung Alte Geschichte, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
Redaktionelle Betreuung:
Matthias Haake
Empfohlene Zitierweise:
Sabine Müller: Rezension von: Stephen Ruzicka: Trouble in the West. Egypt and the Persian Empire, 525-332 BC, Oxford: Oxford University Press 2012, in: sehepunkte 13 (2013), Nr. 2 [15.02.2013], URL: https://www.sehepunkte.de
/2013/02/21995.html


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Stephen Ruzicka: Trouble in the West

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Stephen Ruzicka, renommierter Experte für Karien unter den Hekatomniden, [1] widmet sich im vorliegenden Band dem Desiderat einer monographischen Spezialstudie zur Geschichte der politischen Beziehungen zwischen Ägypten und dem Perserreich von der Eroberung unter Kambyses II. bis zur Übernahme durch Alexander. [2] Dabei ist es Ruzickas Intention, "Persian imperial history in a broader context" - den Auswirkungen auf die mediterrane Welt -, zu untersuchen (x). Er verortet seine Studie im Rahmen der "new Achaemenid history" (xi), der es ein Anliegen ist, jenseits griechisch-römischer Topoi das Perserreich aufgrund seiner politischen Strukturen und östlichen Zeugnisse zu analysieren.

Vorangestellt ist eine detaillierte Einführung zur Quellenlage, in deren Rahmen Ruzicka besonders auf den Effekt der Perserkriege als einen Faktor der geformten Erinnerung der griechischen Autoren eingeht und zu Recht betont, dass die Griechen für das Perserreich nicht die Bedeutung hatten, die sie sich selbst zuschrieben. Bezüglich Ktesias hätten die aktuellen Zweifel in der Forschung an seiner Vita und dem historischen Wert seiner Persika thematisiert werden können. [3]

Die Ereignisgeschichte wird in 19 Kapiteln von den vermutlichen ersten diplomatischen Kontakten zwischen Ägypten und dem Perserreich unter Kyros II. - Ruzicka hält die bei Hdt. 3,2,1 erwähnte Heiratsverbindung für plausibel - bis zu Alexanders Einmarsch in Ägypten im Jahr 332 behandelt. Das abschließende 20. Kapitel ist einem Resümee und einem knapp skizzierten Ausblick auf die Zeit nach Alexander bis zu den Sasaniden gewidmet. Der Band ist mit einem ausführlichen Anmerkungsteil (227-232), einer Bibliographie (285-306), 5 Schwarzweißabbildungen (die Tetradrachme von Abbildung 4 leider ohne Revers), 5 Karten, einer Liste der ägyptischen und persischen Könige und einer Zeitleiste umfassend ausgestattet.

Bezüglich der inhaltlichen Gewichtung fällt auf, dass ein deutlicher Schwerpunkt der Behandlung auf der Zeit zwischen dem Inaros-Aufstand und der Rückeroberung Ägyptens unter Artaxerxes III. liegt, jener Spanne, die Ruzickas Spezialgebiet darstellt. So ist diesem zeitlichen Abschnitt mit den Kapiteln 4 bis 18 (35-198) ein breiter Raum gewährt. Da die Ausführungen entsprechend fundiert die Kenntnis des Experten zeigen, ist dies kein Kritikpunkt, sondern durchaus ein Gewinn, doch erscheint in Relation die Behandlung der bedeutenden Ereignisse der Eroberung Ägyptens durch Kambyses II. und der Konsolidierung unter Dareios I. mit jeweils nur einem Kapitel (14-34) als recht knapp. So hätten die - kurz erwähnten - Negativtraditionen zu Kambyses (18), wie sie Herodot von ägyptischen Priestern übermittelt wurden (3,10,3: Unheilsschilderung des Regens in Theben; 3,25-26: Katastrophe der Feldzüge gegen die Äthiopier und Ammonier; 3,27,1-30,1: Apismord), eingehender diskutiert und kontextualisiert werden können. [4] Bezüglich der Udjahorresnet-Inschrift hätte die reiche und vielgestaltige Forschungsdebatte um das Ausmaß seiner Kollaboration - Spekulationen über ein Überlaufen des ägyptischen Flottenkommandanten zur persischen Seite bereits während der Seeschlacht von Pelusion; kritische Haltung zum tendenziösen Charakter der naophoren Inschrift; Überlegungen, inwieweit seine Statue nicht zufällig kopflos erhalten blieb - erwähnt werden können. [5] Auch Kambyses' Abgrenzung von der memoria des Amasis in Saïs - bei Herodot zum Wahnsinnsakt der Mumienschändung entstellt (3,16,1-2) - kann politisch als Versuch der Anlehnung an den von Amasis gestürzten Pharao Apries im Sinne legitimierender Rachepropaganda gedeutet werden. [6] Die kritische Behandlung dieser Aspekte der Anfangsphase der persischen Oberhoheit über Ägypten fehlt ebenso wie die Deutung der Kodifikation ägyptischer Gesetze durch Dareios I. in ihrem politischen Gehalt und ihrer Auslegung durch die griechische Tradition. [7]

Einige Wertungen und Interpretationen sind zudem als problematisch zu bezeichnen. So sollte man Dareios' altpersische Version der Inschriften auf den Nilkanalstelen, die seine Leistung rühmt, dass er, ein Perser, Ägypten in Besitz genommen und durch den Bau des Kanals eine Verbindung zwischen Persien und Ägypten hergestellt habe (DZc § 3), nicht als "boastful" (xxiv, vgl. 25) bezeichnen, sondern vielmehr im Rahmen der Ideologie des Messens mit den Vorgängern und der Exzellenz des von Auramazdah einzig Auserwählten verorten. Auch zeigte Dareios sich nicht als 'god-king of Egypt' (24), ebenso wie die Pharaonen nicht als lebende Götter, sondern als "Bild des Horus auf dem Thron" galten.

Bezüglich Mediens fehlt der Hinweis, dass die griechische Vorstellung eines zentralisierten Reichs als Vorgänger des Perserreichs in Teilen der aktuellen Forschung angezweifelt wird. So geht die Tendenz dahin, auf Basis von assyrischen und babylonischen Zeugnissen sowie §§ 24, 33-34 der Behistun-Inschrift von einer losen Konföderation von Gentilverbänden auszugehen. [8] Nicht minder überholt ist die These, dass Alexander als "anti-Persian king" und "liberator of Egypt from Persian control" (208) von den Ägyptern begeistert empfangen worden sei. Dies wird in den Quellen teilweise zwar so dargestellt (Curt. 4,7,1-2; Diod. 17,49,2), jedoch in der Forschung überwiegend als makedonische Propaganda beurteilt. [9] Es gilt, hinter die Blendfassade konstruierter Imageregelung zu sehen: auf die politischen Strukturen. Aktuelle Positionen lauten daher, Alexander sei "the last of the Achaemenids" gewesen, [10] die eroberten Ethnien hätten keinen großen Unterschied zwischen seiner Herrschaft und der vorangegangenen der Achaimeniden gesehen; [11] Alexander habe sich im Perserreich nicht als Befreier vom "Joch" der Achaimeniden verstanden oder geriert, sondern sei bestens mit den Erfordernissen des persischen Königtums vertraut gewesen. [12] Angesichts der langen Geschichte persisch-makedonischer Beziehungen, die nicht zuletzt dank einer knapp dreißigjährigen persischen Oberhoheit und der achaimenidischen Unterstützung des Argeaden Alexander I. zu einigem persischen Einfluss zumindest auf die makedonische höfische Kultur und herrschaftliche Repräsentation geführt haben wird, [13] ist dies verständlich.

Ruzickas Schlussfolgerung: "It was in fact the Persian-Egyptian struggle that opened the way for the Macedonian enterprise across the Aegean and in doing so sealed the fate of the Persian Empire" (211), erscheint etwas konstruiert. So ist der Hintergrund von Philipps Aufstieg und der makedonischen Expansion bis Perinthos, wo er 341/40 v. Chr. an das Interessengebiet von Artaxerxes III. stieß (Diod. 16,75,1-4), zu bedenken.

In summa ist zu sagen, dass Ruzicka eine sehr differenzierte und reflektierte Darstellung der Ereignisgeschichte gelungen ist, die ihrem Anspruch gerecht wird, hinsichtlich der politischen Geschichte eine Publikationslücke zu schließen. Kulturhistorische Aspekte kommen etwas zu kurz, ebenso einige aktuelle Forschungsdebatten, und der Schwerpunkt liegt eindeutig auf dem 4. Jahrhundert v. Chr. Indes ergibt sich insgesamt der sehr positive Eindruck eines empfehlenswerten Buchs, dessen Lektüre sich gerade auch aufgrund der differenzierten Sichtweise der Teispiden und Achaimeniden lohnt.


Anmerkungen:

[1] S. Ruzicka: Politics of a Persian Dynasty: The Hecatomnids in the fourth century BC, Norman / London 1992; The "Pixodarus Affair" Reconsidered again, in: Carney, E.D. / Ogden, D. (Hgg.): Philip II and Alexander the Great: Father and Son, Lives and Afterlifes, Oxford 2010, 3-11.

[2] Als wichtige Einzelstudien zum Thema sind zu nennen: G. Vittmann: Ägypten und die Fremden im ersten vorchristlichen Jahrtausend, Mainz 2003, 120-154; E. Bresciani: Egypt i. Persians in Egypt in the Achaemenid Period, in: EncIr 8 (1998), 247-249; The Persian occupation of Egypt, in: CHI II, 1996 ³, 502-528; R.S. Bianchi: Perser in Ägypten, in: LÄ 4 (1982), 943-951. Zum archäologischen Befund: M. Wuttmann / S. Marchand: Égypte, in: Briant, P. / Bouchariat, R. (Hgg.): L'archéologie de l'empire achéménide, Paris 2005, 97-128. Zur Onomastik: P. Huyse: Die Perser in Ägypten. Ein onomastischer Beitrag zu ihrer Erforschung, in: AchHist 6 (1991), 311-320.

[3] Vgl. R. Bichler: Ktesias spielt mit Herodot, in: Wiesehöfer, J. et al. (Hgg.): Ktesias' Welt, Wiesbaden 2012, 21-52; Ktesias "korrigiert" Herodot. Zur literarischen Einschätzung der Persika, in: Heftner, H. / Tomaschitz, K. (Hgg.): Ad fontes! FS G. Dobesch, Wien 2004, 105-116; M. Dorato: Lo storico nel suo testo: Ctesias e la sua 'biografia', in: Wiesehöfer, J. et al. (Hgg.): Ktesias' Welt, Wiesbaden 2012, 81-109; G. Vittmann: Fremde am persischen Hof, in: Historisches Museum der Pfalz Speyer (Hg.): Pracht und Prunk der Großkönige. Das persische Weltreich, Stuttgart 2006, 136-147, hier 144.

[4] Vgl. S. Müller: Regen, Erdbeben und Klimawandel. Die Katastrophe der unrechtmäßigen Herrschaft in antiker literarischer Tradition, Behemoth 1 (2008), 57-72; J. Dillery: Cambyses and the Egyptian Chaosbeschreibung Tradition, CQ 55 (2005), 387-406; W. Desmond: Punishments and the Conclusion of Herodotus' Histories, GRBS 44 (2004), 19-40, hier 25.

[5] Vgl. W. Huß: Ägyptische Kollaborateure in persischer Zeit, Tyche 12 (1997), 131-143; P. Briant, L'Histoire de l'Empire Perse de Cyrus à Alexandre, Paris 1996, 65-69; A.B. Lloyd: The Inscription of Udjahorresnet. A Collaborateur's Testament, JEA 68 (1982), 166-180.

[6] Vgl. S. Müller: Das hellenistische Königspaar in der medialen Repräsentation. Ptolemaios II. und Arsinoë II., Berlin / New York 2009, 305-307; J.M. Serrano Delgado: Cambyses in Sais. Political and Religious Content in Achaemenid Egypt, CE 79 (2004), 31-52.

[7] Diod. 1,95,4; W. Spiegelberg: Die sogenannte Demotische Chronik des Pap. 215 der Bibliothèque Nationale zu Paris nebst den auf der Rückseite des Papyrus stehenden Texten, Leipzig 1914, 30-31.

[8] Vgl. R. Rollinger: Das Phantom des 'Medischen Großreichs' und die Behistun-Inschrift, in: Dabrova, E. (Hg.): Ancient Iran and its Neighbours, Krakow 2005, 11-29; M. Liverani: The Rise and Fall of Media, in: Lanfranchi, G.B. (Hg.): Continuity of Empire (?) Assyria, Media, Persia, Padua 2003, 1-12; R. Rollinger: The Western Expansion of the 'Median Empire', in: ebda., 289-319; J. Wiesehöfer: The Medes and the Idea of the Succession of Empire in Antiquity, in: ebda., 391-396; H. Sancisi-Weerdenburg: Was there ever a Median empire?, in: AchHist 3 (1988), 197-212.

[9] Vgl. M. van de Mieroop: A History of the Ancient Near East, Oxford 2007, 300; S. Müller: Alexander der Große und die panhellenische Konstruktion Ägyptens im Geschichtswerk seines Hofhistoriographen Kallisthenes, in: Morenz, L. / Glück, T. (Hgg.): 'Weisheitlich, exotisch und uralt.' Europäische Konstruktionen Altägyptens, Münster 2007, 133-151, hier 133-134; S.M. Burstein: Alexander in Egypt: Continuity and Change, in: AchHist 8 (1994), 381-387; Pharaoh Alexander: A Scholarly Myth, AncSoc 22 (1983), 139-145. Bereits Arr. an. 3,1,2 stellt dies differenzierter dar.

[10] P. Briant: From Cyrus to Alexander, Winona Lake 2002, 876.

[11] M. van de Mieroop: A History of the Ancient Near East, Oxford 2007, 300.

[12] J. Wiesehöfer: Das frühe Persien, München 1999, 40.

[13] J. Heinrichs / S. Müller: Ein persisches Statussymbol auf Münzen Alexanders I. von Makedonien, ZPE 167 (2008), 283-309.

Sabine Müller