Gabriella Piccinni: Il Banco dell'Ospedale di Santa Maria della Scala e il mercato del denaro nella Siena del Trecento, Ospedaletto: Pacini Editore S.p. A. 2012, 335 S., ISBN 978-88-6315-398-9, EUR 20,00
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Nicht nur durch die internationale Finanzkrise, sondern auch durch die kürzliche Aufdeckung der verlustreichen Derivatgeschäfte eines der traditionsreichsten Kreditinstitute Italiens, der sienesischen Bank "Monte dei Paschi", kommt vorliegender Studie Aktualität zu. Die in Siena lehrende Spezialistin zur Geschichte des Hospitals Santa Maria della Scala [1] legt nun eine Analyse vor, die sich mit dessen Aktivität auf dem Geldmarkt im Siena des 14. Jahrhunderts beschäftigt.
Einleitende Bemerkungen gelten dem Zusammenhang zwischen karitativem Wirken und wirtschaftlichen Faktoren, welcher die Hospitäler des Spätmittelalters als Institutionen des Gemeinwesens kennzeichnete, und ferner dem Bemühen der Stadtregierung von Siena, in der heraufziehenden ökonomischen Krise in der Mitte des 14. Jahrhunderts das "bonum commune" zu stärken.
Einer Detailanalyse dieser Krise, die den Kollaps des sienesischen Bankensystems zur Folge hatte, ist der erste der nun folgenden vier Hauptteile des Buches gewidmet. Die Blase - wie es der heutige Sprachgebrauch nennt - platzte im Pontifikat Klemens' VII., an dessen Beginn das allübergreifende sienesische Banken- und Handelskonsortium "Gran Tavola" in den Konkurs ging. Sich einer päpstlichen Untersuchungskommission ausgesetzt sehend, gelang es der Stadtgemeinde, das geforderte Geld in Sicherheit zu bringen sowie die Dokumentation ihres Bankenkonsortiums verschwinden zu lassen. Die politischen Verhältnisse wurden vordergründig neu geordnet. Angesichts dieses "Finanzkrimis" wurden neue Techniken der Buchhaltung entwickelt, die Finanzwirtschaft wurde stärker normiert und sie erhielt öffentlichen Charakter (82-85).
An diesem Punkt kommt das Hospital Santa Maria della Scala ins Spiel. Gemäß Piccinnis Grundthese (102) löste das Scheitern der "Gran Tavola" einen Innovationsschub aus, welcher für das Hospital, das in die Abwicklung der Sozietät involviert war (101), eine große Bedeutung hatte. Erstens, weil die verbliebenen Geldreserven nun im Zuge einer "De-Internationalisierung" des sienesischen Handels im "öffentlichen Sektor" angelegt wurden - und das als "proprium [...] Comunis" (89) geltende Hospital ein Ziel der Investitionen wurde. Zweitens, weil sich damals ein enger Zusammenhang zwischen karitativem Wirken und Wirtschaft ausbildete, der für das Hospital eine Professionalisierung mit sich brachte.
Das Funktionieren des hospitalaren Bankwesens wird in dem zweiten Hauptteil auf der Grundlage zweier detaillierter Register (Libro del debito vecchio und Libro del debito nuovo) aus dem Archiv des Hospitals detailliert beschrieben: von der Eröffnung eines Kontos bis zu dessen Auflösung, von den Modalitäten der Ein- und Auszahlung über die Zinsen bis hin zu den Zwecken der Geldeinlagen. Das Personal, insbesondere die Rektoren des Hospitals, werden als professionelle Bankiers charakterisiert.
Im dritten Teil werden die Kunden der "Hospitalsbank" in den Blick genommen, teils statistisch aufbereitet, teils in auserzählten "Mikrogeschichten von Geld und Leben", die sich um Mitgiften, Altersvorsorge, Stiftungen, Waren- oder Häuserkäufe usw. drehen (204f.) und deren (oft weibliche) Protagonisten teils gar von Literaten erwähnt werden. Wir blicken aber auch auf die finanzielle Seite der Gründung der Kartausen von Siena (227-233) usw.
Der vierte Teil "Das Geld in Zeiten der Krise" beschreibt die Geschicke des Hospitals nach dessen "Veröffentlichung". Den sich dadurch ergebenden Krisen sollte mit Reformen abgeholfen werden, die systematisch den Einfluss der Stadtgemeinde auf Santa Maria della Scala vermehrten, das die öffentlichen Ausgaben stützte und auch daher symbolisch als "öffentliche Institution" inszeniert wurde (265f.). Die nachhaltige wirtschaftliche Bedeutung des Hospitals innerhalb von Siena wird abschließend mit dessen Involvierung in die 1472 erfolgte Gründung des Monte Pio illustriert.
Die Autorin liefert mit dieser Studie eine wichtige Abhandlung zur Geschichte einer wahrhaft "systemrelevanten" (und auch heute noch im Stadtbild Sienas sehr präsenten) (Finanz-)Institution. Teilweise leidet die erzählerische Stringenz allerdings unter der Aufreihung der vielen Daten.
Die Hinweise der Autorin auf das Desiderat einer vergleichenden Studie zu dem Phänomen "Hospitäler und Kreditwesen" im europäischen Raum (99f., unter anderen Aspekten auch 282ff.) sollten von der Forschung ernst genommen und umgesetzt werden.
Anmerkung:
[1] Für die deutschsprachige Forschung besonders wichtig ist: Gabriella Piccinni / Lucia Travaini, Il libro del pellegrino (Siena 1382-1446). Affari, uomini, monete nell'Ospedale di Santa Maria della Scala, Napoli 2003.
Tobias Daniels