Philip E. Muehlenbeck: Betting on the Africans. John F. Kennedy's Courting of African Nationalist Leaders, Oxford: Oxford University Press 2012, XXVI + 333 S., 14 s/w-Abb., ISBN 978-0-19-539609-6, GBP 35,00
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John Kent: America, the UN and Decolonisation. Cold War Conflict in the Congo, London / New York: Routledge 2010
Susan Williams: Who Killed Hammarskjöld? The UN, the Cold War and white supremacy in Africa, London: Hurst Publishers 2011
Lise Namikas: Battleground Africa. Cold War in the Congo, 1960-1965, Stanford, CA: Stanford University Press 2013
Jung, sympathisch und photogen: John F. Kennedy machte damit nicht nur Wahlkampf, mit der Kraft seiner Persönlichkeit betrieb der US-Präsident auch Afrikapolitik, glaubt und schreibt Philipp E. Muehlenbeck in seiner im letzten Jahr veröffentlichten Dissertation.
Die Regierung Kennedy ist nun nicht gerade ein unerforschtes Gebiet der amerikanischen Geschichte. Auch seine Außenpolitik und Muehlenbecks konkreter Untersuchungsgegenstand - das Verhältnis der USA zu den neuen Staaten Afrikas nach der Dekolonisierung Anfang der 1960er Jahre - sind keine gänzlich unbearbeiteten Felder. Lesenswert ist dieses Buch dennoch, weil es mit dem Fokus auf Kennedys persönliche Bemühungen um US-afrikanische Annäherung ein bisher weniger untersuchtes Thema aufgreift, und weil Muehlenbeck dabei neuere Thesen der Forschung in Frage stellt, etwa das Primat der Modernisierungstheorie in den US-afrikanischen Beziehungen.
Für Muehlenbeck war Kennedys Amtszeit eine goldene Zeit freundschaftlicher Beziehungen zwischen den USA und den Staaten Afrikas. Sie kontrastiere damit scharf mit der gleichgültigen bis rassistischen und europaorientierten Haltung der Eisenhower-Administration, der Muehlenbeck das Eingangskapitel widmet. Sie unterscheide sich aber auch von der den Kontinent wieder zunehmend vernachlässigenden Außenpolitik seiner Nachfolger.
"Betting for the Africans" ist die Geschichte einer personal diplomacy - Politik durch persönliche Beziehungen auf allerhöchster Ebene. Das Buch liefert entsprechend anschauliche Schilderungen zahlreicher Besuche afrikanischer Diplomaten im Weißen Haus, in deren Rahmen Kennedy es sich nicht nehmen ließ, den Gästen seine Familie vorzustellen und die Besuche so persönlich wie möglich zu gestalten.
Besonders bemüht zeigte sich der amerikanische Präsident beim Umwerben der "bad boys" des Kontinents. Nationalistische und sogar mutmaßlich kommunistisch orientierte Staatsmänner wie Guineas Sékou Touré oder Kwame Nkrumah aus Ghana, der Algerier Ben Bella oder Gamal Abdel Nasser in Ägypten stellten, so Muehlenbeck, für Kennedy die progressiven Kräfte des zukünftigen Afrika dar, mit denen es sich auseinanderzusetzen galt. Wenn schon keine feste Bindung an den Westen zu erreichen war, sei es Kennedy immerhin gelungen, der amerikanischen Position in diesen Ländern Gehör zu verschaffen, aufgrund detaillierterer Informationen seine Entscheidungen genauer abwägen zu können und das Image der USA in diesem Teil der Welt insgesamt zu verbessern.
Weitere Kapitel behandeln das Verhältnis der Kennedy-Regierung zu Südafrika, die Rivalität zwischen Kennedy und de Gaulle in Afrika und die zivile Luftfahrtzusammenarbeit. Auch die doch eher halbherzigen Bemühungen der Kennedy-Administration im Kampf um die Bürgerrechte von Afroamerikanern in den USA werden thematisiert und positiv bewertet.
"Betting on the Africans" ist ein Buch im klassischen Stil der "Geschichte großer Männer". Kennedy stehen zwar eine Reihe von engagierten Mitarbeitern zur Seite - etwa der charismatische Assistant Secretary of State for African Affairs Gerard Mennen "Soapy" Williams oder die US-Botschafterriege. Muehlenbeck beschreibt die diplomatischen Beziehungen zwischen den USA und den afrikanischen Staaten Anfang der 1960er Jahre aber vor allem als Geschichte der Erfolge und (wenigen) Misserfolge des Mannes an der Spitze.
Die Arbeit ist sehr gut recherchiert, eine angenehme und mitunter spannende Lektüre, klar und verständlich gegliedert und geschrieben. Die empirischen Befunde sind in aller Regel plausibel, wichtig und oft neu. Eine zum Teil fast hagiographische Begeisterung für Kennedy fällt allerdings zuweilen doch störend auf.
Kennedy war für Muehlenbeck ein außergewöhnlicher Präsident, der selbst alle Fäden in der US-Afrikapolitik gezogen habe. Grund sei dessen "enlightened nature" (235) gewesen, die ehrliches Interesse am Kontinent und ein Gefühl moralischer Verantwortlichkeit mit politischer Weitsicht verbunden habe. Der frühe Tod Kennedys und die Abkehr seiner Nachfolger von seiner Politik ist für Muehlenbeck eine Tragödie mit erstaunlich weitreichenden Konsequenzen: selbst einen 11. September 2001 hätte es ohne den tödlichen Anschlag in Dallas 1963 wohl nie gegeben (XIV).
Die eigenen Ausführungen des Autors und die von ihm zitierten Quellen relativieren dann jedoch seine überraschende Eingangsbemerkung, der Kalte Krieg sei "at the periphery of Kennedy's African policies" (XV) gewesen. Uneigennützig war Kennedys Afrikapolitik sicher nicht. Muehlenbeck schränkt später auch wiederholt ein, der US-Präsident sei im konkreten Fall meist ein Pragmatiker gewesen, dem der erreichbare Erfolg wichtiger war als hehre Prinzipien. Es ist zudem fraglich, ob der amerikanische Präsident in Zeiten des Mauerbaus in Berlin oder der Kubakrise tatsächlich die Zeit und Muße besessen haben soll, persönlich einen solch immensen Aufwand um Afrika zu betreiben. Das beeindruckende Detailwissen über das Herkunftsland seiner Gäste wird doch eher aus den Briefingpapieren seiner Mitarbeiter gestammt haben. Und der Kontrast zwischen der Afrikapolitik der Präsidenten Eisenhower und Kennedy lässt sich überzeugender durch den historischen Kontext erklären, als ganz allein durch eine besondere Klarsichtigkeit oder moralische Überzeugung des Jüngeren. Immerhin standen die Staaten, mit denen Kennedy später direkte Beziehungen aufnahm, in Eisenhowers Regierungszeit noch fast völlig unter europäischer Kolonialherrschaft.
Schließlich bleibt nicht aus, dass eine Arbeit über den amerikanischen Präsidenten die Motive seiner Gegenüber weniger scharf analysieren kann als die seiner Hauptfigur. Muehlenbeck scheint den Einfluss der personal diplomacy mitunter ebenso überschätzt zu haben wie Kennedy selbst, wenn er annimmt, dass sich die politische Elite Afrikas wirklich so leicht durch ein wenig Aufmerksamkeit und Familiarität habe beeindrucken lassen. Vielleicht war doch mehr Taktik und realistische Einschätzung der Gefahren im Spiel, als die afrikanischen Politiker zum Beispiel entschieden, sowjetische Waffen nicht über Afrika nach Kuba fliegen zu lassen (Kap. 11)? Tatsächlich demonstriert "Betting for the Africans" zwar fraglos den Einfluss Kennedys, deutlich wird aber immer wieder auch der Vorsatz der afrikanischen Gegenüber, sich das Versprechen auf Westbindung gut entlohnen zu lassen.
Manche dieser Einwände weisen letztlich jedoch nur auf etwas schon hinlänglich Bekanntes: Schein galt bei Kennedys Regierungsstil oft mehr als Substanz. Es mag nicht ganz zutreffend gewesen sein, aber - das zeigt Muehlenbecks Buch - Kennedy gab sich bewusst das Image eines Präsidenten, dem Afrika ehrlich am Herzen lag. Und mit diesem Image ließ sich trefflich Politik machen.
Philipp E. Muehlenbeck hat ein unterhaltsames, gut lesbares Buch geschrieben, das einen bis dato weniger beachteten Aspekt kenntnisreich beleuchtet, neue empirische Erkenntnisse präsentiert und kluge Fragen aufwirft - es ist für alle Interessierten am 35. US-Präsidenten und seiner Afrikapolitik zu empfehlen.
Katrin Zippel