J. H. Elliott: History in the Making, New Haven / London: Yale University Press 2012, XIV + 249 S., ISBN 978-0-300-18638-3, USD 26,00
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Historiker, die ihre Autobiographie schreiben und deren Umschlag mit ihrem von einem berühmten Künstler gemalten Öl-Porträt ausstatten können, sind in Europa rar geworden. In England und zumal in der Eliteuniversität Oxford gibt es sie noch. John Elliott, Englands führender Historiker Spaniens in der Frühen Neuzeit, konnte sich diesen Luxus noch leisten.
Lohnt sich die Lektüre wird sich der geneigte Leser fragen? Ginge es nur um das Nachvollziehen eines nach allen Kategorien der anglophonen akademischen Welt in der Tat exzellenten Lebenslaufes, so müsste man die Frage verneinen, zu geradlinig wirkt doch die Karriere von Eton nach Cambridge und mit Abstechern über London und Princeton nach Oxford als Regius Professor. Doch Elliotts Buch bietet durchaus anderes, denn es kommt ihm nicht darauf an, die eigene Biographie ins rechte Licht zu rücken, sondern seinen Werdegang als Historiker und zwar in der Formierung seiner inhaltlichen Schwerpunkte zu reflektieren. Interessant ist daran vor allem die Bezugnahme des eigenen Werks auf größere Trends in der Geschichtsschreibung.
Die ersten Kapitel, in denen der Autor seine Anfänge als Historiker und die Frage reflektiert, warum er sich auf Spanien konzentrierte, sind lehrreich zumal für junge Fachkollegen, die lernen, mit der Enttäuschung über fehlende Quellen oder über die Notwendigkeit zur Neujustierung eines Themas zu leben. Lesenswert sind auch die Passagen über das Zurechtfinden im Spanien Francos und im unterdrückten Katalonien jener Zeit. Hier hatte der englische Historiker, gesegnet mit dem Blick von außen, einen gewissen Spielraum. Interessant auch die Erinnerungen an die Formierung des Feldes der "Early Modern History", zu der Elliott entscheidend beigetragen hat. Schließlich sind die Überlegungen zur Digitalisierung der Zunft von Interesse, wobei der Brite wenig überraschend zu einem skeptischen Urteil kommt.
Eine Autobiographie lässt sich nicht mit dem kritischen Instrumentarium für akademische Werke rezensieren. Elliotts Buch ist wie gesagt durchaus lesenswert, denn es wirft Fragen auf. War die Beschäftigung mit katalanischer Geschichte an sich schon ein Zeichen widerständigen Geistes? Wie hielten und halten es Historiker mit den Mächtigen, wenn sie in Diktaturen forschen? Haben britische Historiker tatsächlich überdurchschnittlich viel zur Erforschung fremder Länder beigetragen? Hat die transnationale Geschichtsschreibung der letzten Zeit tatsächlich so wenig Neues zu bieten, dass Elliott sein Werk als transnationale Geschichte avant-la-lettre verstanden wissen will?
Stefan Rinke