Marina thom Suden: Schlösser in Berlin und Brandenburg. und ihre bildliche Ausstattung im 18. Jahrhundert (= Studien zur internationalen Architektur- und Kunstgeschichte; 97), Petersberg: Michael Imhof Verlag 2013, 351 S., 93 Farb-, 95 s/w-Abb., ISBN 978-3-86568-722-7, EUR 49,00
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Die Schlösser in Berlin und Brandenburg werden häufig von denjenigen beschrieben, die sie und ihre Schätze beruflich hüten. Dies hat zwar den Vorteil, dass die Kustoden bestens mit den Objekten vertraut sind, aber auch den Nachteil, dass ihr Blick nur selten darüber hinaus geht und nicht immer kritisch genug ist. Daher ist es grundsätzlich begrüßenswert, wenn sich auch Außenstehende der Erforschung dieser Residenzen annehmen. Marina thom Suden hat in ihrer im Jahr 2009 an der Philipps-Universität in Marburg angenommenen Dissertation die bildliche Ausstattung der Schlösser in Berlin und Brandenburg im 18. Jahrhundert untersucht und nunmehr im Druck vorgelegt.
Der Titel hält etwas weniger, als er verspricht: Bei den untersuchten Schlössern handelt es sich erstens nicht um die gesamte Residenzlandschaft Berlin-Brandenburgs, sondern nur um das sogenannte Berliner Stadtschloss (eigentlich Schloss Cölln), das Potsdamer Stadtschloss, Schloss Oranienburg, Schloss Charlottenburg und Schloss Sanssouci, was allerdings immer noch ein allzu gewaltiges Programm darstellt. Zweitens umfasst der untersuchte Zeitraum nicht ganz das 18. Jahrhundert, sondern die Regierung von Friedrich III./I. bis Friedrich II., er beginnt und endet also deutlich früher. Drittens versteht die Autorin unter der bildlichen Ausstattung nur mobile Gemälde, Deckenbilder und Tapisserien, lässt also beispielsweise den gesamten Bereich der Skulptur außer Betracht.
Ziel der Untersuchung ist es, den Gebrauch der solchermaßen beschränkt definierten Bilder im Verlauf dreier Herrschergenerationen anhand dieser fünf Bauwerke zu analysieren, wozu thom Suden den Fragen nachgeht, wie sich die bildliche Ausstattung der Schlösser in dieser Zeitspanne verändert hat, ob sich Themenbereiche oder Bildgattungen für bestimmte Räume ausmachen lassen, ob zwischen Haupt- und Nebenresidenzen ein Unterschied beim Umgang mit Bildern feststellbar ist und ob durch die Funktion der Bilder im Zusammenhang mit der fürstlichen Repräsentation auch spezifische Ausdrucksformen der Herrschaftsinszenierung erkennbar werden.
Die Auswahl der Schlösser scheint zu diesem Unterfangen allerdings nur teilweise zielführend zu sein. Allein im Berlin-Cöllner Schloss und im Potsdamer Stadtschloss lassen sich die Spuren aller drei Herrscher, Friedrich III./I., Friedrich Wilhelm I. und Friedrich II., finden. Charlottenburg hingegen ist wesentlich das Werk von Königin Sophie Charlotte und in zweiter Linie von ihrem Mann und ihrem Enkel, die Schlösser von Oranienburg und Sanssouci wurden hauptsächlich nur von jeweils einem Herrscher geprägt. Den größten Schlossneubau Friedrichs II., das Neue Palais im Park von Sanssouci, schied thom Suden mit dem dünnen und auch nicht näher belegten Argument eines Gästeschlosses von der Untersuchung aus. Die Jagdschlösser Grunewald und Stern sowie die Schlösser Wusterhausen und Köpenick wurden in der Arbeit dagegen nicht berücksichtigt, weil sie mehrheitlich von nur einem König, Friedrich Wilhelm I., genutzt wurden und somit bei ihnen keine ausreichende Vergleichsmöglichkeit in der Gruppe der Regenten gegeben sei. Die Inkonsequenz dieser Kriterien, die der Auswahl der untersuchten Schlösser zugrunde lag, macht jede weitergehende Schlussfolgerung problematisch.
Eine weitere Beschränkung betrifft die untersuchten Räume: Neben den Hauptsälen stehen nur die Appartements der jeweiligen Herrscher im Zentrum der Analyse. Deren Bildbestand wird auf über zweihundert Seiten in fünf großen, den einzelnen Schlössern gewidmeten Kapiteln zu verschiedenen Zeitpunkten vorgestellt, die durch die ausgewerteten Inventare bedingt sind. In dieser quellenbasierten Herangehensweise liegt unstreitig eine der großen Stärken der Arbeit. Sie gelangt hier vor allem zu belastbaren quantitativen Aussagen über die in den Raumfolgen einzelner Herrscher verwendeten Gattungen und Bildthemen.
Das Potential der Befunde wird jedoch nicht ausgeschöpft. Die Ergebnisse werden in einem abschließenden Kapitel einerseits punktuell mit den faktischen Begebenheiten von ausgewählten europäischen Schlössern verglichen, andererseits die Hängung der Bilder und das Zusammenspiel von Raum, Dekor und Bild thematisiert und der Bildgebrauch im Spiegel der Zeremonialliteratur und Architekturtheorie des 18. Jahrhunderts betrachtet. Die Absicht dieses Kapitels, das auf weiten Strecken wie eine Einleitung anmutet, bleibt im Zusammenhang mit dem ansonsten klaren Aufbau der Arbeit ein wenig unverständlich. Die Funktion der Bilder in den fünf Schlössern soll zudem noch einmal die Befunde aus den ersten fünf Kapiteln verdeutlichen, die dazu abermals präsentiert werden, nun jedoch geordnet nach den drei verschiedenen Untersuchungsgegenständen, mobile Gemälde, Deckenbilder und Tapisserien.
Als Gesamtergebnis der Untersuchung kommt die Autorin zu dem Schluss, dass unter Friedrich I. ein eher traditioneller Umgang mit Bildern festzustellen ist, während unter Friedrich Wilhelm I. und Friedrich II. ein zunehmend individueller Gebrauch zu verzeichnen ist. Diese Erkenntnisse stehen etwas im Missverhältnis zu dem großen Aufwand der akribischen Studie. Thom Suden selbst sieht ihre Arbeit in der Tradition der Forschung zu den Medienstrategien einzelner Herrscher seit den 1980er-Jahren, von der sie sich durch ihre objektbezogene Herangehensweise, die Beschränkung auf das Medium der Malerei, und zugleich durch die komparatistische Komponente, den Vergleich dreier Herrscher, unterscheidet. Eine Ausweitung ihres Ansatzes auf andere Medien brandenburgisch-preußischer Herrscher dürfte vermutlich kein tragfähiges Konzept für zukünftige Studien darstellen.
Sehr lobenswert ist die Ausstattung des Bandes, die mit zahlreichen großformatigen, teils farbigen Abbildungen prunkt. Thom Sudens Studie gewinnt wesentlich durch den bildlichen Reiz, der zu einem virtuellen Spaziergang durch die untergegangenen wie noch bestehenden königlichen Schlösser in Berlin und Brandenburg einlädt.
Thomas Fischbacher