Rezension über:

Ursula Overhage: Konflikt und Konsens. Die Gründungen der Dominikanerklöster in der Teutonia (= Westfalen in der Vormoderne. Studien zur mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Landesgeschichte; Bd. 18), Münster: Aschendorff 2014, 344 S., ISBN 978-3-402-15058-0, EUR 45,00
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Rezension von:
Johannes Schütz
Dresden
Redaktionelle Betreuung:
Ralf Lützelschwab
Empfohlene Zitierweise:
Johannes Schütz: Rezension von: Ursula Overhage: Konflikt und Konsens. Die Gründungen der Dominikanerklöster in der Teutonia, Münster: Aschendorff 2014, in: sehepunkte 15 (2015), Nr. 4 [15.04.2015], URL: https://www.sehepunkte.de
/2015/04/26055.html


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Ursula Overhage: Konflikt und Konsens

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Der Entstehungsgeschichte der Dominikanerklöster in der Ordensprovinz Teutonia widmet sich die Dissertation von Ursula Overhage. Das Hauptziel der Untersuchung ist es dabei, die Gründungsbedingungen der einzelnen Konvente vor dem Hintergrund der Stadtgeschichtsforschung zu beleuchten, die auf eine enge Verknüpfung von Urbanisierung und Mendikantentum hingewiesen hat und zum Teil eine quasi natürliche Koalition von Bürgern und Bettelbrüdern ausmachen wollte. Die Ausgangsfrage dieser Arbeit ist dementsprechend: Wieso kam es aber zu Auseinandersetzungen zwischen Predigern und Stadtbewohnern in der Teutonia, "wenn es doch für die Bettelorden so natürlich und geradezu zwingend war, sich in der Stadt niederzulassen und die Stadt im Gegenzug von ihrem Wirken profitiere?" (17)

Die Leitbegriffe dabei sind "Konflikt und Konsens" - es geht darum, herauszuarbeiten, in welchem Maße die Dominikaner durch konsensuale Prozesse Förderung durch Bischöfe und Bürgergemeinden erhielten. Daneben ist die Frage von Bedeutung, inwiefern sie bei einem Konflikt mit städtischen Parteien Schwierigkeiten bei der Gründung bekamen oder ganz von dieser absehen mussten.

Um diese berechtigten Fragen abarbeiten zu können, entfaltet die Autorin ein weites Panorama. Nach sehr kurzgehaltenen einleitenden Bemerkungen skizziert sie zunächst die Ausgangssituation im Europa des späten Mittelalters, mit einem besonderen Augenmerk auf Aspekten der Urbanisierung. Anschließend behandelt sie kurz die Geschichte der Bettelorden sowie die Entstehungsgeschichte des Predigerordens selbst. Im dritten Großkapitel stellt sie knapp einzelne berühmte Prediger der Dominikaner und, damit kontrastierend, der Franziskaner vor. Obwohl die Begründung für diese Vorgehensweise nachvollziehbar ist - nämlich anhand herausragender Beispiele die Attraktivität der mendikantischen Pastoral für die Stadtgesellschaften herauszuarbeiten -, erscheint dieses Kapitel aber doch, gerade weil es recht allgemein gehalten ist und sich auf bereits gut erforschte Aspekte bezieht, als etwas querstehend zum sonstigen Aufbau der Arbeit.

Umfassend beschäftigt sich die Autorin im vierten Kapitel mit den einzelnen Konventen in der Provinz Teutonia und zeichnet akribisch die stadtgeschichtlichen Voraussetzungen und Ereignisse nach, die zur Gründung der Dominikanerniederlassungen führten. Der Hauptteil der Untersuchung wendet sich dann im fünften Kapitel einzelnen Fallbeispielen zu und richtet dabei den Blick auf Fehlschläge und Konflikte. An den Beispielen von Straßburg, Warburg, Zofingen, Neuss, Dortmund und Köln wird geschildert, warum es entweder nicht zu einer Gründung kam oder die Stimmung in einer Stadt umschlagen und es zu Anfeindungen gegenüber den Dominikaner kommen konnte - bis hin zu Gewalttaten und Vertreibung. In diesem Kernstück ihrer Arbeit kann die Autorin herausarbeiten, auf welchen Widerstand die Dominikaner stießen, wie sie Streitigkeiten beilegen konnten oder auf eine Gründung - wie im Falle der Stadt Neuss - verzichten mussten. Ihr gelingt es dabei, die Konfliktfälle der Brüder in die Geschichte des Gesamtordens einzuordnen: Bei den vermehrt auftretenden Streitigkeiten mit dem Klerus um die pastoralen Zuständigkeiten, die sich nicht selten auf die Bürgerschaft ausweiteten, waren die Dominikaner auf den Schutz des Papsttums angewiesen. Nur so konnten sie ihre Stellung behaupten.

Das letzte Großkapitel behandelt abschließend "eine Erfolgsgeschichte" (282): die Gründung des Mindener Konvents, dem vor allem wegen seiner Einbindung in das Studiennetzwerk des Ordens besondere Bedeutung zukommt. In einer knappen Schlussbetrachtung werden schließlich die Ergebnisse der Arbeit gebündelt.

Es liegt damit nun ein konziser Überblick über die Ausbreitung des Dominikanerordens in der Provinz Teutonia vor, von seiner Gründung bis zum Ende seiner ersten Wirkungsphase um 1350. Die Gründungen der über 70 Konvente werden kenntnisreich geschildert, wobei vor allem die umfangreiche Auswahl der teilweise sehr verstreuten Quellen überzeugt. Die Erkenntnisse dieser detailreichen Studie lassen sich auch immer wieder in die Gesamtentwicklung des Ordens einordnen. Gerade anhand der Konfliktfälle sind allgemeine Rückschlüsse auf die soziale Rolle der Dominikaner in der Stadtgesellschaft möglich.

Jedoch sind abschließend zwei Kritikpunkte zu nennen. Zum einen schreibt Ursula Overhage die hagiographisch strukturierte Eigengeschichte des Ordens fort, übernimmt unreflektiert die Rolle des Dominikus bei der Gründung des Ordens, der mit göttlicher Fügung seinen Geniestreich vollzogen habe, und zeichnet die "Erfolgsgeschichte" der Dominikaner von der Ketzerverfolgung bis zur europäischen Expansion mit den ordenshistorischen Parametern nach. Zum anderen fehlen die Bezüge zu neueren Arbeiten, die das Phänomen der Mendikanten kulturgeschichtlich eingeordnet und gezielt nach der gesellschaftlichen Auswirkung der erneuerten Pastoral, gerade auch in Hinblick auf die Konsolidierung päpstlicher Macht, gefragt haben. Gerade weil sich die Autorin mehrfach auf die Entwicklung einer Arbeitstheologie im Orden bezieht und in der Entwicklung neuer Handlungsmodelle für die städtische Lebensweise die Attraktivität des Ordens begründet sieht, hätten tiefergehende Erkenntnisse erlangt werden können, wenn die Konfliktfälle vor dem Hintergrund der Disziplinierungsbestrebungen der dominikanischen Seelsorge beleuchtet worden wären. Hier wurde die Chance vertan, neue Fragestellungen an die bereits recht gut erforschte Geschichte der Provinz Teutonia heranzutragen und damit neue Erkenntnisse über die bei der Etablierung dieser zentralen Akteure in der spätmittelalterlichen Gesellschaft auftretenden Wirkmechanismen zu eruieren.

Johannes Schütz