Annette Mertens (Bearb.): Akten deutscher Bischöfe seit 1945. Westliche Besatzungszonen und Gründung der Bundesrepublik Deutschland 1948/49 (= Veröffentlichungen der Kommission für Zeitgeschichte. Reihe A: Quellen; Bd. 55), Paderborn: Ferdinand Schöningh 2010, 901 S., ISBN 978-3-506-76887-2, EUR 138,00
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Der von Annette Mertens für die Kommission für Zeitgeschichte betreute Band präsentiert auf rund 850 Seiten eine konzise und sorgfältig kommentierte Auswahl bischöflicher Akten aus den Westzonen für die Zeit der westdeutschen Staatsgründung 1948/49. Die Auswahledition schließt damit zeitlich und thematisch an die von Ulrich Helbach bearbeiteten Bände für die Jahre 1945 bis 1947 an. [1] Wichtige Themenstränge waren weiter im Fokus bischöflichen Handelns und Denkens: die wirtschaftliche und soziale Notlage, ergänzt um die Auswirkungen der Währungsreform, der Umgang mit Flüchtlingen und Vertriebenen, die hartnäckige Auseinandersetzung mit den Besatzungsmächten über Entnazifizierung und Internierung sowie über die Kriegsverbrecherprozesse, insbesondere wegen der Vollstreckung von Todesurteilen.
Im Zentrum dieses Bandes steht jedoch das Agieren der Bischöfe bzw. ihres Beauftragten, Prälat Wilhelm Böhler, rund um die Verfassungsberatungen im Parlamentarischen Rat oder - allgemeiner gesprochen - die Einstimmung der katholischen Oberhirten auf die neue Demokratie. Auch die territorialen Veränderungen standen auf der Tagesordnung des Episkopats, denn die Abtrennung des Saargebiets und vor allem die Teilung Deutschlands in Ost und West zerschnitten die in ihren Grenzen unveränderten Bistümer. Der Umgang mit vertriebenen Priestern und die Frage der Ausbildung des Priesternachwuchses aus den abgetrennten östlichen Teilen der Diözesen beschäftigte die Bischöfe noch geraume Zeit. Schließlich werden neue geistliche und seelsorgerische Konzepte und Strömungen sichtbar, wie die Schönstatt- und die Una-Sancta-Bewegung. Letztere berührte das Verhältnis der beiden großen Konfessionen in der Bundesrepublik.
Das maßgebliche Auswahlkriterium für die Quellen erläutert Mertens einleuchtend dahingehend, dass sich die Dokumente auf Vorgänge von überregionaler Bedeutung konzentrieren, die für west- oder gesamtdeutsche Fragen bedeutsam sind. Das Spannungsverhältnis zur gleichzeitigen Ausrichtung bischöflichen Handelns auf das jeweilige Bistum und regionale Faktoren belegt eine Reihe von Quellen, die den Umgang etwa mit Konfliktthema Finanzierungsfragen überdiözesaner Aufgaben bzw. den (Nicht-)Kontakt der Bischöfe untereinander aufzeigen. Zweifellos stellt auch dieser Band eine sowohl für Fragen der allgemeinen Geschichtswissenschaft als auch für Fragen der Kirchen- und Religionsgeschichte höchst aufschlussreiche und bedeutende Quellenzusammenstellung dar. Denn die Motive, Rezeptionen und Handlungsstrategien bischöflicher bzw. kirchlicher Akteure zu vielen Vorgängen der politischen Geschichte sind nur in den hier abgedruckten Provenienzen klar nachzulesen - weil sie im größeren Zusammenhang stehen und weil gelegentlich erfrischend unverblümt formuliert wurde.
Der Band enthält 321 in voller Länge und in chronologischer Reihenfolge abgedruckte Dokumente, weitere etwa 550 fließen in die Kommentierung ein. Nach den editorischen Richtlinien der Reihe werden überwiegend solche Dokumente aufgenommen, die von Bischöfen oder in deren Auftrag etwa von Generalvikaren oder bischöflichen Beratern verfasst wurden. Briefe von Korrespondenzpartnern des öffentlichen Lebens wurden dann aufgenommen, wenn sie relevante bischöfliche Reaktionen hervorriefen. Dem Quellentext ist eine Beschreibung vorangestellt. Die weit überwiegende Zahl der Dokumente wird erstmals abgedruckt, alle sind erstmals kommentiert. Auch dieser Band zeichnet sich durch das bewährte editorische Gerüst der Reihe aus, das für die Benutzung und Themenerschließung, aber auch für unabhängig davon stattfindende wissenschaftliche Forschungen verlässliche Grundlagen bereitstellt: neben den Standardelementen - hierzu zählen eine Einleitung, die instruktiv von den Quellen ausgehend auch über die editorischen Grundsätze informiert, ein Quellen- und Literaturverzeichnis sowie ein Abkürzungsverzeichnis - enthält der Band ein Verzeichnis aller Bischöfe und Kapitularvikare im Bereich der Fuldaer Bischofskonferenz 1948/49, dessen Wert vor allem in den biographischen Kurzporträts liegt, eine Teilnehmerauflistung der Bischofskonferenzen 1948/49, ein chronologisches Register aller abgedruckten oder in die Kommentierung eingeflossenen Dokumente, ein Personen-, Orts- und Sachregister sowie die schon für den Vorgängerband erstellte Karte mit den Bistumsgrenzen im Deutschland der Besatzungszonen.
Die Dokumente stammen aus allen westdeutschen Bistumsarchiven, ein Großteil davon jedoch aus dem Archiv des Erzbistums Köln, da dort die relevanten Provenienzen "Katholisches Büro Bonn" und "Katholisches Büro NRW" verwahrt werden, die für die Verbindung zu den Grundgesetzberatungen im Parlamentarischen Rat bzw. für die Beratungen zur Landesverfassung von zentraler Bedeutung sind. Weitgehend ausgespart bleiben die Akten Kardinal Michael von Faulhabers aus München - sie liegen bis 1952 z.T. bereits ediert vor [2] - sowie die Akten Kardinal Konrad von Preysings aus Berlin, die separat veröffentlicht werden sollen. Berücksichtigt wurden auch Dokumente aus Bischofsnachlässen, die in der Regel nicht generell entsperrt sind, sowie einschlägige Bestände im Archiv der Kommission für Zeitgeschichte in Bonn (die Nachlässe von Ludwig Volk, Albert Büttner, dem Vorsitzenden des Reichsverbandes für das katholische Deutschtum im Ausland, und Burkhard von Schewicks), des Deutschen Caritasverbands in Freiburg, die Nachlässe der Korrespondenzpartner Konrad Adenauer in der Stiftung Bundeskanzler-Adenauer-Haus in Bad Honnef-Rhöndorf und Adolf Süsterhenn im Landeshauptarchiv Koblenz. Die Ausführungen in der Rezension zum Vorgängerband für den Zeitraum 1945 bis 1947 zur Konzeption des Gesamtunternehmens und zur Dokumentenauswahl auf der Basis des Katholizismus-Forschungskonzepts der Kommission für Zeitgeschichte gelten auch für diesen Band und sind hier nicht zu wiederholen. Sie unterstreichen den Wert dieser Grundlagenforschung für viele politik-, sozial-, religions- und nicht zuletzt mentalitätshistorische Fragestellungen der Nachkriegsgeschichte.
Im Folgenden können nur grobe Linien gezeichnet werden. Mit Blick auf die zentrale Akteursgruppe, die Bischöfe, ist vorwegzuschicken, dass zwischen 1947 und 1952 ein Generationswechsel auf den westdeutschen Bischofsstühlen einschließlich Berlin stattfand. In elf von 21 Bistümern wurden bis 1952 neue Bischöfe eingesetzt, sechs bis Ende 1949, und zwar in den Bistümern Limburg (Kempf), Freiburg (Rauch), Augsburg (Freundorfer), Eichstätt (Schröffer), Rottenburg (Leiprecht) und Würzburg (Döpfner). Aufgrund dieses generationellen Umbruchs konzentrierte sich die kirchenpolitische Tätigkeit vor allem auf drei Bischöfe: auf Kardinal Frings (Köln), den Vorsitzenden der Fuldaer Bischofskonferenz, Kardinal Faulhaber (München-Freising), den Vorsitzenden der Bayerischen Bischofskonferenz, der bis zu seinem Tod 1952 eine Führungsfigur war und dessen Autorität sich allein am Sprachduktus ablesen lässt (vgl. Dok. 162), und auf den jüngeren Bischof Keller (Münster).
Der Band enthält zunächst die Protokolle der jährlichen Fuldaer Bischofskonferenzen und der Fuldaer Metropolitenkonferenzen sowie der fünf Konferenzen der westdeutschen Bischöfe. Neben den bayerischen Bischöfen hielten auch die hessischen Treffen ab, Quellen hierzu wurden in diesen Band nicht aufgenommen. Im Sinne des erwähnten Katholizismusforschungskonzepts behandelt der umfangreichere Teil der Dokumente die in vieler Hinsicht aufschlussreicheren Sachverhalte außerhalb dieser Versammlungen. Diese Dokumente spannen einen weiten Bogen von Themen der politischen Geschichte (Grundgesetzberatungen, Schulgesetzgebungen, Wahlaufrufe der Bischöfe 1949), über sozialhistorische Zusammenhänge (massive Finanzierungsprobleme infolge der Währungsreform, Not der Flüchtlinge und Vertriebenen, Jugendarbeit, Umgang mit Kindern), Fragen der Kirchen- und Religionsgeschichte (Haus Altenberg, Liturgiefragen, Verhältnis der Konfessionen), der Mediengeschichte (Förderung der katholischen Pressearbeit, Gründung einer Filmkommission, Rundfunk) bis zu Frömmigkeits- und mentalitätshistorischen Fragen. Dieser zusammenführende Blick auf grundlegende kirchlich-religiöse wie gesellschaftlich-kulturelle Problemkonstellationen zur Gründungszeit der Bundesrepublik macht den Band so wertvoll und spannend für verschiedenste historisch-methodische Ansätze.
Die Bischöfe tagten nicht nur in den gewohnt regional getrennten Konferenzen, einige Dokumente legen darüber hinaus offen, dass sich die im Vorgängerband schon festgestellte Trennlinie zwischen den mittel-/norddeutschen und süddeutschen Bistümern aufgrund divergierender Interessen und Ansichten verhärtete. Für den deutschen Episkopat, der besonders seit dem Kulturkampf bemüht war, nach außen möglichst geschlossen aufzutreten, sind solche Befunde bemerkenswert - letztlich aber sind unterschiedliche Auffassungen und eine dezidierte Interessenvertretung unter regionalen und landeskirchlichen Vorzeichen eher zu erwarten, als dass sie überraschen. Wie sehr sich etwa die bayerischen Bischöfe durch die Praktiken der Fuldaer Bischofskonferenz bisweilen übergangen fühlten, brachte Bischof Landersdorfer aus Passau am 5. Januar 1949 in einem Schreiben an Faulhaber auf den Punkt: "Aber es ist in Fulda nichts Ungewöhnliches, daß irgendwelche Dinge in der unmittelbaren Umgebung des Vorsitzenden abgemacht werden, von denen die an der Peripherie Sitzenden erst aus dem Protokoll erfahren." (Dok. 160) Massive Gegensätze und Rivalitäten brachen im Episkopat um finanzielle Fragen und den priesterlichen Nachwuchs aus den Vertreibungsgebieten und der Sowjetischen Besatzungszone auf, abzulesen in den Dokumenten zur Einrichtung und Finanzierung der Ausbildungsstätte Königstein für ostvertriebene Priester. So heißt es in einem Schreiben an Kardinal Frings (Dok. 39): "Ein Vorteil dieses Seminars besteht gewiß darin, daß die ostdeutschen Theologen dadurch von den süddeutschen Diözesen in größerer Zahl ferngehalten werden." Gegensätze scheinen aber auch im Laienkatholizismus durch, so etwa in der Organisation des Katholikentages (Dok. 301).
Einen Schwerpunkt des Bandes bilden die Dokumente rund um die Beratungen zum Grundgesetz; hier nimmt die Bearbeiterin in Einleitung und Kommentaren hilfreiche Einordnungen vor, etwa zur Rolle des Elternrechts als demokratischem Hebel der Kirche und zu landeshistorischen Unterschieden in der Bedeutungszuschreibung der Grundgesetzberatungen. Den Bischöfen waren bekanntlich drei Themenblöcke wichtig: Schule und Erziehung, Ehe und Familie sowie das Verhältnis der Religionsgemeinschaften zum Staat. Letztlich mussten sie und ihr Beauftragter, Prälat Wilhelm Böhler, gemessen am verbliebenen Minimalziel, zumindest das Elternrecht in den öffentlichen Pflichtschulen zu verankern, wenn schon die Festschreibung von Bekenntnisschulen unerreichbar war, eine Niederlage hinnehmen.
Andere Ziele wurden durchaus erreicht, so die Anrufung Gottes in der Präambel und nicht zuletzt die Formulierung eines Grundrechtekatalogs. Jenseits der in der Forschung aufgearbeiteten Eingabenpolitik von Kardinal Frings [3] konzentrieren sich die Dokumente auf die von der Sache her ebenfalls bekannten, emsigen Bemühungen Böhlers. Sie eröffnen jedoch einen viel umfassenderen Blick auf seine verschiedenen Ansatzpunkte und Methoden, zeigen etwa in welchen Kommunikationszusammenhängen er arbeitete, welche Netzwerke des Milieukatholizismus er mobilisierte oder wie er versuchte, durch Einschaltung des evangelischen Ratsvorsitzenden Theophil Wurm auf Theodor Heuss einzuwirken (Dok. 168), den wichtigsten der fünf FDP-Abgeordneten im Parlamentarischen Rat, die in für die Kirchen zentralen Fragen letztlich das Zünglein an der Waage waren (vgl. Dok. 160 und Dok. 177).
Ein Blick auf das Thema Kriegsverbrecherprozesse zeigt, wie schwer sich die Kirche mit dem Erbe des 'Dritten Reiches' tat. In den Jahren, die der vorliegende Band abdeckt, argumentierte sie mit und für die deutsche Mehrheitsgesellschaft zur Sicherung von deren Rechtspositionen gegen die Träger staatlicher Befugnisse, sprich die Besatzungsmächte, und stellte dieses Vorgehen in eine Kontinuität zu ihrem Eintreten gegen die Träger staatlicher Macht in Hitlers Deutschland. Dagegen verstanden sich die Bischöfe nicht als Interessenvertreter jener Opfer, die keine Deutschen und/oder keine Katholiken waren. Diese plakativ zugespitzten Sätze mögen die Diskussionswürdigkeit der abgedruckten Aktenauszüge unterstreichen und verstehen sich nicht als Bilanz der Forschung. Die Dokumente zum Komplex der Kriegsverbrecherprozesse, der wegen der Vollstreckungen von Todesurteilen 1948/49 virulent war, beleuchten die Debatte von Frings mit den alliierten Vertretern, insbesondere Lucius D. Clay, die im Vergleich zu den Vorjahren wesentlich gesprächsbereiter und zugänglicher waren (z.B. Dok. 92, Dok. 106, Dok. 311). Der Diskurs rund um die Frage des Umgangs mit den Kriegsverbrecherprozessen, die Forderung nach zusätzlichen Rechtsbehelfen wie einer Appellationsinstanz oder das Eintreten für Begnadigungen kulminierte in Formulierungen zu "Reich" und "Volk". Die Dokumente liefern insofern auch Ansatzpunkte für bislang hierzu noch nicht verfolgte diskursanalytische Fragestellungen.
Daneben veröffentlicht der Band erstmals Dokumente zu Themen der religiös-kirchlichen Orientierung, die im allgemeinhistorischen Wissen weitgehend unbeachtet sind. Zu nennen ist die Una-Sancta-Bewegung, ein wichtiges ökumenisches Forum, das nach dem Zweiten Weltkrieg von evangelischer wie katholischer Seite eine Zeit lang unterstützt und vorangetrieben wurde, dabei auch sorgfältiger Beobachtung unterlag und Berichtsgegenstand an den Papst war, der in einer Instruktion vom Dezember 1949 schließlich enge Grenzen formulierte. Die Fuldaer Bischofskonferenz von 1949 verband mit der Una-Sancta-Bewegung auch die Hoffnung auf Konversionen (Dok. 291, hier S. 765). Misstrauisch begegnete die Kirchenleitung weiterhin der Schönstatt-Bewegung, ansässig bei Vallendar/Koblenz, die vom Vatikan nach einem Verfahren 1952 verboten wurde. Ihr Begründer, Pater Robert Kentenich, durfte erst im Zuge der konziliaren Öffnung 1965 aus Kanada nach Schönstatt zurückkehren. Laut Dok. 294 sprach sich die Bewegung für die Einführung von "hauptberuflichen männlichen Seelsorgshelfern im Laiengewand" aus - das barg Zündstoff -, die bischöfliche Kritik konzentrierte sich jedoch offenbar auf strittige Elemente in der Spiritualität (Dok. 293).
Der besondere Wert der Edition liegt in der kompetenten Bündelung von weit verstreuten und in der Regel bislang unpublizierten Dokumenten, aus nicht immer leicht zugänglichen Provenienzen - Einzel- oder Projektforschung kann das nicht leisten. Die Bearbeiterin ediert methodisch mustergültig und kenntnisreich eine umsichtig ausgewählte Zusammenstellung von Quellen. Von den Provenienzen der Bischofsakten ausgehend, zeigt sie die Bandbreite bischöflichen Handelns. Blickt man auf die Akteure, so ist es wesentlich zu erkennen, dass die überdiözesane Ebene als Handlungsorientierung nur lose verankert war - in Zeiten der deutschen Teilung und der politisch-gesellschaftlichen Debatte um den Verlust der Nationalstaatlichkeit erscheint dies besonders signifikant. Für Bischöfe und Diözesen waren landeshistorische und regionale Faktoren in hohem Maße entscheidungsrelevant, Selbstständigkeit, Eigenleben und Eigen-Sinn waren daher weiterhin existent.
Die Dokumente markieren insgesamt nur die Spitzen der Eisberge an Quellenmaterial, das für eine moderne Katholizismusgeschichte noch zu erschließen und vor allem mit sozial- und kulturhistorischen Themen der Nachkriegsgeschichte zu verknüpfen ist, auch um die längerfristig bedeutsamen Werte- und Mentalitätsprägungen des katholischen Bevölkerungsteils der Bundesrepublik zu erkennen. Im Hinblick auf die durchaus weiterführenden Dokumente zu den politikgeschichtlichen Themen rund um die Staatsgründung ist der späte Veröffentlichungszeitpunkt bedauerlich, liegt der Forschungs-Boom zur Vor- und Frühgeschichte der Bundesrepublik doch schon ein Vierteljahrhundert zurück.
Zum Schluss sei folgende Bemerkung gestattet: Es leuchtet zunächst ein, dass sich die Bearbeiterin sicherlich in Abstimmung mit editorischen Vorgaben zur Gesamtreihe in ihrer Einleitung und in ihren Kommentaren auf längerfristig bedeutsame, aus den Quellenbeständen hergeleitete Informationen konzentriert - wie dies mittlerweile für viele Editionen gilt. Daher sucht man auch vergeblich nach einer zumindest knappen Skizze des Forschungsstands; dies ist zugegebenermaßen angesichts der thematischen Schwerpunkte des Bandes rund um die Staatsgründung kein leichtes Unterfangen, wäre aber mit einer straffen Kriterienauswahl doch zu bewerkstelligen gewesen. Auch bei der wirklich überzeugenden Kommentierung stehen Aktenverweise, aus weiteren Archivalien abgeleitete Erläuterungen oder biographische Informationen im Vordergrund. Forschungsliteratur wird nur in begrenztem Umfang benannt, ausführlicher beim Thema Parlamentarischer Rat, eher spärlich beim Thema Kriegsverbrecherprozesse. Die Frings-Biographie von Norbert Trippen scheint für zentrale Teile als Leitfaden der Quellenauswahl zu fungieren.
So plausibel dieses Vorgehen insgesamt ist, so sei aus der Perspektive der akademischen Lehre ein leiser Zwischenruf erlaubt: Gerade dafür wäre eine knappe Verknüpfung der präsentierten Quellen mit einem auch auf wenige Fragen zugeschnittenen Forschungsstand hilfreich gewesen, insbesondere in Zeiten modularisierter Studiengänge, in denen der Arbeitsaufwand von Studierenden in festgelegten Zeiten pro Lehrveranstaltungseinheit bemessen wird. Wünschenswert wäre, dass jene Experten, die Quelleneditionen sorgsam betreuen, auch eine Verknüpfung mit der einschlägigen Forschung wagen. Dies wäre auch im Sinne der Rezeption dieser Edition, der für weitere Forschungen zu einer allgemeinen Religionsgeschichte zweifellos Initialfunktion zukommt.
Anmerkungen:
[1] Vgl. Theresia Bauer: Rezension von Akten deutscher Bischöfe seit 1945. Westliche Besatzungszonen 1945-1947, bearb. von Ulrich Helbach, Paderborn 2012, in: sehepunkte 13 (2013), Nr. 7/8; http://www.sehepunkte.de/2013/07/17874.html
[2] Akten Kardinal Michael von Faulhabers, Bd. 3: 1945 bis 1952, bearb. von Heinz Hürten, Mainz 2002.
[3] Grundlegend hierzu: Norbert Trippen: Josef Kardinal Frings (1887-1978), 2 Bde., 2., durchges. Aufl., Paderborn u.a. 2003.
Theresia Bauer