Rezension über:

Michael Frassetto / Matthew Gabriele / John D. Hosler (eds.): Where Heaven and Earth Meet. Essays on Medieval Europe in Honor of Daniel F. Callahan (= Studies in the History of Christian Traditions; Vol. 174), Leiden / Boston: Brill 2014, VII + 238 S., ISBN 978-90-04-27414-3, EUR 114,00
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Rezension von:
Philippe Depreux
Historisches Seminar, Universität Hamburg
Redaktionelle Betreuung:
Ralf Lützelschwab
Empfohlene Zitierweise:
Philippe Depreux: Rezension von: Michael Frassetto / Matthew Gabriele / John D. Hosler (eds.): Where Heaven and Earth Meet. Essays on Medieval Europe in Honor of Daniel F. Callahan, Leiden / Boston: Brill 2014, in: sehepunkte 15 (2015), Nr. 5 [15.05.2015], URL: https://www.sehepunkte.de
/2015/05/25703.html


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Michael Frassetto / Matthew Gabriele / John D. Hosler (eds.): Where Heaven and Earth Meet

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Im Zentrum der Publikationen von Daniel F. Callahan, dessen Wirken als nordamerikanischer Hochschuldozent von Matthew Gabriele gewürdigt wird (1-8), stehen ein Mensch, eine Region und ein Thema: Adémar von Chabannes, Aquitanien und die Religiosität um das Jahr 1000. Die ihm gewidmete Festschrift ist in zwei Abschnitte unterteilt, die beide vielfältige Themen behandeln ("weltliche Aspekte" [9ff.] und "geistliche Aspekte" [79ff.], mit vier bzw. sechs Beiträgen). Ungewöhnlich ist zudem, dass auch der Empfänger der Festschrift darin eine Untersuchung veröffentlicht: In einem schönen Aufsatz untersucht Callahan die Art und Weise, wie Adémar von Chabannes die von ihm selbst in seiner Chronik unter dem Begriff des Manichäismus erwähnte Häresie wahrnimmt und das Kommen des Antichristen in seinen Predigten anprangert. Dieser Aufsatz (178-226), der ursprünglich um die Mitte der 1990er Jahre in den "Studies in Medieval and Renaissance History" hätte erscheinen sollen, überragt das ganze Buch. Er zeigt, wie Adémar gearbeitet hat, denn die Untersuchung der Annotationen im Kommentar des hl. Hieronymus zum Buch Daniel in der Berliner Handschrift Phillipps 1664 ermöglicht es dem Historiker zu verstehen, woran Adémar den Antichristen erkannte.

Drei weitere Beiträge untersuchen das kulturelle Umfeld und die Produktion Adémars von Chabannes: James Grier, der Herausgeber seiner musikalischen Werke im Corpus Christianorum (Continuatio Medievalis), zeigt, wie der Mönch aus Saint-Cybard und Saint-Martial, der als Verfechter der Apostolizität des hl. Martialis, des ersten Bischofs von Limoges, vielerlei Dokumente verfälschte, sein Vorhaben auch musikalisch umsetzte (138-151). Michael Frassetto stellt die Akten der Synoden von Limoges und Bourges im Jahr 1031 vor und versucht, die Bedeutung der Frage nach der Authentizität zu relativieren, da diese Texte doch dem Anliegen der Befürworter des Gottesfriedens entsprechen - deren Wortführer kein anderer als Adémar gewesen sei (122-137). Die Beweisführung ist hier einem Zirkelschluss sehr nahe. Gleiches gilt für die Untersuchung der Glaubwürdigkeit Adémars im Bereich der Militärgeschichte: Bernard S. Bachrach ist der Meinung, dass man Adémar Glauben schenken solle, da dieser einen Text geschrieben hat, der für Herzog Wilhelm den Großen und seine Hofmitglieder glaubwürdig sein musste (42-62). Die Erforschung der Geschichte Aquitaniens an der Schwelle vom Früh- zum Hochmittelalter wird durch einen Überblick von Anna Trumbore Jones zu den Gemeinschaften von Kanonikern im Limousin abgerundet (101-121).

Die übrigen Beiträge lassen sich kaum durch einen Leitfaden verbinden. Dort geht es u. a. um den Umgang Papst Gregors des Großen mit seiner Erkrankung an Gicht (John D. Hosler, 11-32), um die Betonung der Kontinuität zwischen Spätmittelalter und Renaissance am Beispiel des Papsttums (Lawrence Duggan, 63-78) und um spätmittelalterliche Nonnen als Reliquiensammlerinnen (Jane Schulenburg, 152-177). Zum Schluss sei auf zwei Beiträge besonders hingewiesen: Richard Ring hinterfragt die Interpretation des mancus, die von Michael McCormick in seinem Buch zu den Ursprüngen der europäischen Wirtschaft vorgelegt wurde (33-41). Mit viel Humor plädiert er dafür, im mancus eine Rechnungswährung zu erkennen. Neben dem Aufsatz des Geehrten stellt der Beitrag von Lawrence Nees einen Höhepunkt des Bandes dar (81-100): Mit Akribie lässt Nees alle Kunsthistoriker Revue passieren, die Adomnáns Beschreibung der al-Aqsa-Moschee in Jerusalem besprochen haben. In seinem Werk De locis sanctis beruft sich der Abt von Iona auf den Bericht Arculfs, eines "Augenzeugen", dessen Existenz allerdings fragwürdig ist. Durch die Autorität des Beda Venerabilis, der Bezug auf diese Beschreibung nimmt, wurde der Text als unanfechtbar rezipiert. Im Anschluss daran haben die Historiker eine Argumentation aufgebaut, die sich dank Nees als reiner Zirkelschluss entpuppt. Das, was bleibt, ist die Ratlosigkeit des Historikers, der sich auf ein Zeugnis aus zweiter Hand kaum verlassen darf...

Damit kommt man auch zu Adémar von Chabannes und zu den Themen zurück, die von und im Umfeld von Daniel Callahan behandelt worden sind, denn auch bei dem Geschichtsschreiber aus Aquitanien stellt sich die Frage, inwiefern Nachrichten aus oder zu Jerusalem im Westen rezipiert wurden. Bei dem Mönch aus Saint-Cybard ist es allerdings unbestritten, dass es in der Person des Simeon einen Augenzeugen aus dem Osten gab...

Philippe Depreux