Rezension über:

Katrin Bourrée: Dienst, Verdienst und Distinktion. Fürstliche Selbstbehauptungsstrategien der Hohenzollern im 15. Jahrhundert (= Symbolische Kommunikation in der Vormoderne. Studien zur Geschichte, Literatur und Kunst), Köln / Weimar / Wien: Böhlau 2014, X + 721 S., 22 Abb., ISBN 978-3-412-20981-0, EUR 89,90
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Rezension von:
Uwe Tresp
Institut für Geschichtswissenschaften, Heinrich-Heine-Universität, Düsseldorf
Redaktionelle Betreuung:
Ralf Lützelschwab
Empfohlene Zitierweise:
Uwe Tresp: Rezension von: Katrin Bourrée: Dienst, Verdienst und Distinktion. Fürstliche Selbstbehauptungsstrategien der Hohenzollern im 15. Jahrhundert, Köln / Weimar / Wien: Böhlau 2014, in: sehepunkte 15 (2015), Nr. 5 [15.05.2015], URL: https://www.sehepunkte.de
/2015/05/26601.html


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Katrin Bourrée: Dienst, Verdienst und Distinktion

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In der Zeit von der zweiten Hälfte des 14. bis ins erste Viertel des 15. Jahrhunderts gelang den Hohenzollern ein rascher Aufstieg vom nichtfürstlichen Dienstadel des Reiches als Burggrafen von Nürnberg auf die höchste Ebene des Reichsfürstenstandes als Markgrafen und Kurfürsten von Brandenburg. Dieser Erfolg gründete vor allem auf einer betonten Königsnähe der Familie und ihrer führenden Vertreter, auf ihren Diensten für Reich und Herrscher, die ihnen wiederum durch Herrschaftserweiterungen, Privilegien und Standeserhöhungen belohnt wurden. Doch der neu erworbene Rang musste immer wieder aufs Neue bestätigt und verteidigt werden. Das galt für die Hohenzollern als Newcomer im Kurfürstenkreis, die anders als ihre weltlichen Mitkurfürsten nicht einmal auf eine lange fürstlich-standesgemäße Vergangenheit verweisen konnten, in ganz besonderem Maße. Um ihren Rang und ihre gewachsenen Ansprüche gegenüber den Standesgenossen und Untertanen zu legitimieren, mussten sie mehr als andere den Anforderungen einer fürstlichen Existenz gerecht werden.

Hier setzt die Dissertation von Katrin Bourrée an, die im Rahmen des SFB 496 an der Universität Münster entstand. Ihr Ziel ist es, über die "Analyse der Praktiken und der Diskurse der Herrschaftslegitimation" der Hohenzollern "einen Beitrag zum Verständnis der sozialen Ordnung im 15. Jahrhundert (zu) leisten." (3) Wichtigster Ausgangspunkt sind dabei die Arbeiten, die Jean-Marie Moeglin vor etwa 20 Jahren über das fürstliche Selbstverständnis der Hohenzollern im 15. Jahrhundert publizierte [1] und dabei zeigte, welche Rolle die Auseinandersetzungen mit den etablierten Dynastien für die Ausformung eines spezifischen dynastischen Bewusstseins bei den Hohenzollern spielte.

Grundsätzlich eingebettet ist die Arbeit von Bourrée in das theoretische Konzept der symbolischen Kommunikation. Sie geht aber dennoch immer wieder darüber hinaus, wenn es etwa um die soziale und politische Vernetzung der Familie, die Instrumente ihrer Landesherrschaft oder um verschiedene Aspekte ihrer Königsnähe geht. Dabei entsteht eine fruchtbare methodische Symbiose aus Sozial- und Kulturgeschichte einer spätmittelalterlichen deutschen Fürstendynastie, deren aufwendige Etablierungsbestrebungen beispielhaft einen Kanon an Notwendigkeiten fürstlicher Statussicherung hervortreten lassen.

In logischer Verbindung zu den Grundlagen des Aufstiegs der Hohenzollern widmet sich das erste Hauptkapitel der Rolle symbolischer Dienste und Ehrenämter für die Festigung der Beziehungen zum Königtum einerseits und als diskursive Legitimierungsstrategie gegenüber den Standesgenossen andererseits. Diese Strategie stellte sich für die Interessen der Dynastie jedoch als brisant heraus, denn je höher man aufstieg, desto mehr war eine vorsichtige Distanz zum Reichsoberhaupt notwendig, um von den Kurfürsten als eigenständig handelnde Partner wahrgenommen werden zu können. Auf keinen Fall durfte der Eindruck entstehen, nur als bloße Diener des Königs aufgestiegen zu sein und zu agieren. Während Kurfürst Friedrich I. in den 1420er-Jahren diese Erkenntnis noch schmerzlich erfahren musste, war es für seinen Sohn Kurfürst Albrecht Achilles im letzten Drittel des 15. Jahrhunderts schon selbstverständlich, dass Dienste für den König nur dann akzeptabel waren, wenn sie entweder standesgemäß üppig entlohnt wurden oder durch betonte Unabhängigkeit besonderen symbolischen Ertrag brachten.

Im folgenden Kapitel geht Bourrée auf die Rolle von Bündnissen und Vernetzungen für die Standesetablierung und -legitimierung der Hohenzollern ein. Sie setzt dabei dezidiert andere Schwerpunkte als unlängst Mario Müller, der sich aus vorwiegend semantischer Perspektive den Bündnisverträgen derselben Dynastie näherte. [2] Bourrée hingegen geht es vielmehr um die kulturellen Bezüge, etwa um die Einbindung des Adels im Rahmen der ritterlich-höfischen Kultur bzw. der höfischen Festkultur, wo sich die Hohenzollern im 15. Jahrhundert besonders hervortaten oder um den rituellen Gaben- und Geschenkeaustausch mit Verwandten und Standesgenossen, mit dem man sich gegenseitig des Ranges und Verhältnisses zueinander vergewisserte.

Während danach noch einmal die besondere Rolle der Beziehungen zum Königtum genauer behandelt wird, geht das darauf folgende Kapitel auf die Bedeutung der Herrschaftsinstrumente für die Inszenierung von Rang und dynastischen Ansprüchen ein. In dieser Hinsicht sind die Hohenzollern des 15. Jahrhunderts sogar ein besonders interessanter und ergiebiger Untersuchungsgegenstand, herrschten sie doch in zwei politisch und ökonomisch völlig unterschiedlich geprägten Regionen: der großflächigen Mark Brandenburg im Nordosten des Reiches und dem kleinräumig-heterogenen Herrschaftsgebilde der Burggrafschaft Nürnberg in Franken. Gleichwohl boten beide Herrschaften durch spezifische an sie gebundene Rechte beste Voraussetzungen für die Ansprüche der Aufsteigerdynastie. An Brandenburg band sich die Kurwürde und an das Nürnberger Burggrafenamt der umstrittene Anspruch des kaiserlichen Landgerichts für Franken, der sich letzten Endes jedoch - trotz intensiver Bemühungen - nicht zur Vorherrschaft in diesem Raum instrumentalisieren ließ.

Im letzten Kapitel wendet sich Bourrée dann einigen wichtigen Feldern zu, auf denen die Dynastie insgesamt ihr Ansehen, ihren Ruhm und den erworbenen Stand in der Adelsgesellschaft zu manifestieren und steigern versuchte. Hierbei spielten erwartungsgemäß die Memoria und die Stiftungen eine besondere Rolle, die nicht nur im Hinblick auf die eigene Familie und deren Bewusstsein wirkten, sondern zugleich symbolisch den Herrschaftsraum in Besitz nahmen - dort, wo er neu erworben war, wie etwa in Brandenburg, oder wo er von Konkurrenten bedroht war, wie in Franken. In den Blickpunkt geraten hier aber auch die verschiedenen genealogischen Herkunftsmythen der Hohenzollern, die sich insbesondere auf die vermeintliche Verwandtschaft mit der altrömischen Familie Colonna richteten und von dort aus eine gemeinsame trojanische Wurzel beider Familien ableiteten.

Auf reicher Quellengrundlage, die für die Hohenzollern verhältnismäßig ergiebig ist, entwirft Katrin Bourrée ein breites Panorama von Handlungsfeldern, auf denen spätmittelalterliche Reichsfürsten sich selbst und andere über ihren Rang und Stand zu vergewissern suchten. Dieses Panorama könnte sicher noch an der einen oder anderen Stelle erweitert werden. Auch könnten manche überlieferten Quellen mit großem Informationsgehalt noch stärker herangezogen werden. Das gilt insbesondere für die umfangreichen Korrespondenzen des Kurfürsten Albrecht Achilles, der in seinen Briefen immer wieder auch über seine Familie und deren Stellung in der Gesellschaft, über Ehre und Kriegsruhm, oder über sein Verhältnis zu Kaiser Friedrich III. und anderen Herrschern reflektierte. Archivalische Quellen wurden für die Arbeit nur in überraschend geringem Maß herangezogen. Das war für die Thematik auch sicher nicht zwingend notwendig, sind doch die behandelten Fallbeispiele gut in den vorhandenen Editionen zu verfolgen und in der Forschung durchaus schon intensiv behandelt worden. Bourrée hinterfragt das zum Teil Bekannte unter neuen Gesichtspunkten. Sie fügt damit der Forschung zu den deutschen Reichsfürsten des Spätmittelalters einen wichtigen Baustein hinzu, und das auf eine sehr ansprechende, gut lesbare Art und Weise.


Anmerkungen:

[1] Siehe u.a. Jean-Marie Moeglin: Dynastisches Bewusstsein und Geschichtsschreibung, München 1993.

[2] Mario Müller: Besiegelte Freundschaft. Die brandenburgischen Erbeinigungen und Erbverbrüderungen im späten Mittelalter, Göttingen 2010.

Uwe Tresp