Rezension über:

Paul M. McGarr: The Cold War in South Asia. Britain, the United States and the Indian Subcontinent, 1945-1965, Cambridge: Cambridge University Press 2013, 406 S., ISBN 978-1-107-00815-1, GBP 24,99
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Rezension von:
Amit Das Gupta
Berlin
Redaktionelle Betreuung:
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Amit Das Gupta: Rezension von: Paul M. McGarr: The Cold War in South Asia. Britain, the United States and the Indian Subcontinent, 1945-1965, Cambridge: Cambridge University Press 2013, in: sehepunkte 15 (2015), Nr. 12 [15.12.2015], URL: https://www.sehepunkte.de
/2015/12/24294.html


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Paul M. McGarr: The Cold War in South Asia

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Trotz aller Ambitionen insbesondere der Regionalmacht Indien hat Südasien während des Kalten Krieges in der großen Politik eher ein Schattendasein gefristet. Indien und Pakistan befinden sich seit ihrer Geburt im Dauerstreit miteinander, blockieren sich gegenseitig und laden damit Dritte ein, das unlösbare Dilemma für ihre eigenen Zwecke zu nutzen. Das galt insbesondere für die USA und die Sowjetunion, bald darauf auch für die Volksrepublik China. Während es hierzu an Literatur nicht mangelt, sind die Beziehungen Indiens und Pakistans zu den übrigen Staaten der westlichen Welt recht wenig untersucht worden. Dies hat auch mit der Lücke zwischen indischem Anspruchsdenken und mangelndem Interesse an all denen zu tun, die nicht wirklich eine Rolle in den komplizierten zwischenstaatlichen Beziehungen in der Region Südasien und ihrer unmittelbaren Nachbarschaft spielen. Die Europäische Union zum Beispiel wird nicht verstanden und als machtpolitisch irrelevantes Konstrukt bespöttelt. Wer aus südasiatischer Sicht im heutigen Europa außer Russland zählt, ist Deutschland als reiner Wirtschaftspartner. Dazu kommen Frankreich und Großbritannien, vornehmlich wegen ihres Vetorechts im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen sowie als Waffenlieferanten. Für die ersten zwei Jahrzehnte indischer Außenpolitik liegen immerhin Monographien zur Südasienpolitik der Bundesrepublik [1] sowie zu den indisch-französischen Beziehungen [2] vor. Angesichts der fast zweihundertjährigen britischen Kolonialherrschaft darf es aber überraschen, dass die Beziehungen zu Großbritannien - abgesehen von einer veralteten Monographie [3] - nun erstmals überhaupt ausführlich analysiert werden. Dass dies gewissermaßen im Tandem mit den USA geschieht, macht nicht nur wegen der amerikanisch-britischen Sonderbeziehungen Sinn.

Paul McGarr, Assistant Professor in American and Canadian Studies an der University of Nottingham, hat für seine Dissertation viel Zeit in amerikanischen, britischen und indischen Archiven verbracht und dort wichtige neue Details zu Tage gefördert. Die großen Linien der amerikanischen Südasienpolitik sind in sehr viel übersichtlicherer Form schon in den beiden Bänden von Dennis Kux zu finden. [4] Auch die wichtigeren Aspekte der indisch-britischen Beziehungen wie der Suez-Krieg 1956, die gescheiterten Versuche, Indien nach der Niederlage gegen China Ende 1962 zu einem Kaschmirkompromiss zu drängen, oder Großbritanniens Rolle als Waffenlieferant sind ebenfalls bereits Gegenstand diverser wissenschaftlicher Aufsätze. Eine große Stärke McGarrs ist es aber, dass er nicht vage über zwischenstaatliche Beziehungen schreibt, sondern insbesondere für die Zeit ab Mitte der fünfziger Jahre relevante Akteure in den Blick nimmt und ihre politischen Vorstellungen und Ziele präzise benennt. Ein ebenso amüsantes wie wichtiges Detail ist es zum Beispiel, dass der langjährige britische Botschafter Paul Gore-Booth seinen Arbeitstag üblicherweise nicht in der High Commission begann, sondern mit einem Frühstück mit dem seit langem befreundeten, anglophilen Generalsekretär des indischen Außenministeriums, N. R. Pillai. Als nach der Abberufung beider die kleineren und größeren Probleme nicht mehr informell aus dem Wege geräumt werden konnten, wurden die britisch-indischen Beziehungen umgehend frostiger.

Die unterschiedlichen Haltungen wichtiger Protagonisten spielten auch 1963 eine große Rolle. Premierminister Harold Macmillan war keineswegs ein Freund der harten Linie des Ministers für die Angelegenheiten des Commonwealth, Duncan Sandys. Letzterer glaubte in völliger Verkennung der Stimmung in Indien, Nehru nach der Niederlage im Grenzkrieg mit China zu weiteren territorialen Zugeständnissen an Pakistan am grünen Tisch zwingen zu können, indem er dringend benötigte Waffenlieferungen davon abhängig machte. Sandys hätte besser auf den Rat von Gore-Booth oder seines entsetzten amerikanischen Kollegen John Kenneth Galbraith gehört. Für die Regierungen in London und Washington wäre in einem Moment, als Indien wie Pakistan ihre jeweilige Außenpolitik grundsätzlich zur Disposition stellten, mehr möglich gewesen als eine weitere und im britischen Falle endgültige Entfremdung sowohl von Delhi als auch Islamabad.

Wirklich neue Erkenntnisse bietet McGarr allerdings nicht zu den Beziehungen Großbritanniens und der USA zu den Staaten Südasiens, sondern zu denen Londons und Washingtons untereinander. Während Washington üblicherweise die Führungsrolle beanspruchte und London im Kielwasser folgen ließ, verhielt es sich im Falle Südasiens lange genau umgekehrt. Amerikanische Regierungen bis hin zu Kennedy glaubten, dass der britische Verbündete aufgrund der Kolonialzeit sowie der wirtschaftlichen Verflechtungen einen besonderen Einfluss auf die indische Regierung ausübe - was in London selbst aber bereits seit 1952 als Schnee von gestern galt. Bei anderen Gelegenheiten, insbesondere bei Waffenlieferungen an die südasiatischen Erzrivalen, hielten sich die USA, ohnehin heftig in der Kritik, gerne bedeckt und schickten die Briten vor. Nur als es um die Etablierung der Entwicklungskonsortien ging, ein rundum positiv bewertetes Engagement des Westens, war Washington 1958 und 1960 erkennbar die treibende Kraft.

McGarr schreibt sehr gefällig, was gelegentlich auf Kosten der Qualität geht. Dies zeigt insbesondere ein Blick in den Anmerkungsapparat. Nehrus angeblich anti-kommunistische Haltung im Jahre 1955 lässt sich nun einmal nicht ausschließlich mit einer Äußerung aus dem Jahre 1961 belegen. Der große Hang zur Pointe - in Quellen finden sich immer wieder wunderbare Zitate - hat den Autor insbesondere in den Kapiteln zu den Jahren 1947 bis 1959 des Öfteren dazu verführt, Unterkapitel auf solch einen Fund hin zu schreiben, auch wenn dieser nicht unbedingt einen engen Bezug zum eigentlichen Thema hat. Nicht nachzuvollziehen ist, weshalb selbst Nebenaspekte wie die indisch-sowjetischen Beziehungen mit unsystematischen Archivfunden abgehandelt werden - als gäbe es dazu keine Literatur. Bedauern mag man auch, dass das Buch in drei recht verschiedene Teile zerfällt. Sind die Jahre bis 1955 eher kursorisch abgehandelt, werden im detaillierteren mittleren Teil Akteure und Zielsetzungen präziser benannt. Von den Proportionen her überdimensioniert sind dann die Jahre 1962 bis 1966 behandelt, denen wohl das eigentliche Interesse des Verfassers galt. Schließlich hat Pakistan doch sehr viel weniger Platz erhalten, als das gerade seine Außenpolitik verdient hätte. Wegen des hochinteressanten amerikanisch-britischen Zusammenspiels ist das Buch alles in allem von großer Relevanz. Während die Fülle an Details und Aktenfunden für Kenner ein Genuss ist, werden andere Leser von dem vielen Klein-Klein gelegentlich verwirrt werden, hinter dem die großen Linien bisweilen verschwinden.


Anmerkungen:

[1] Amit Das Gupta: Handel, Hilfe, Hallstein-Doktrin. Die bundesdeutsche Südasienpolitik unter Adenauer und Erhard 1949 bis 1966, Husum 2004.

[2] B. Krishnamurthy: Indo-French Relations. Prospects and Perspectives, Delhi 2005.

[3] Debo Prasad Barooah: Indo-British Relations 1950-1960, New Delhi 1977.

[4] Dennis Kux: Estranged Democracies. India and the United States 1941-1991, Washington 1992; ders.: The United States and Pakistan 1947-2000. Disenchanted Allies, Washington 2001.

Amit Das Gupta