Kerstin Weiand: Herrscherbilder und politische Normbildung. Die Darstellung Elisabeths I. im England des 17. Jahrhunderts (= Veröffentlichungen des Instituts für Europäische Geschichte Mainz; Bd. 236), Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2015, 372 S., ISBN 978-3-525-10135-3, EUR 69,99
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R. A. Houston: Madness and Society in Eighteenth-Century Scotland, Oxford: Oxford University Press 2000
Joseph Canning / Hermann Wellenreuther (eds.): Britain and Germany Compared: Nationality, Society and Nobility in the Eighteenth Century, Göttingen: Wallstein 2001
Andrew Pettegree (ed.): The Reformation World, London / New York: Routledge 2000
Der populäre Mythos von Königin Elisabeth I. als streitbarer "Warrior Queen" ist zweifelsohne ungebrochen. Seine Medienwirksamkeit reicht von "Fire over England" (1937) bis zu Cate Blanchetts Reitervorstellung in Rüstung in Shekar Kapurs "Elizabeth: The Golden Years" (2007). Die Konstruktion der Königin als Vorkämpferin für England ist lange Zeit auch von den meisten Historikern, so bemerkt Kerstin Weiand, unhinterfragt übernommen worden. Wie diese Mythenbildung allerdings zustande kam, wer die Agenten dieser Vorstellungen gewesen sind und in welchen Kommunikationsräumen sie produziert und weitergetragen wurden, ist bislang nicht befriedigend untersucht worden. Diesen diskursiven Produktionscharakter will die Autorin aufspüren und schließt mit ihrer Untersuchung an Kevin Sharpes umfassende und weit rezipierte Studien zur Repräsentation und politischer Kultur der Tudor- und Stuartmonarchien an. [1]
Ein Kritikpunkt gegen Sharpes ansonsten besonders wegen seiner breit gefächerten Quellenstudien hochgelobten Arbeiten richtet sich auf seine Missachtung jeglicher internationaler Einflüsse auf die Konstruktion der Herrscherbilder. Insbesondere diese Lücke will die Autorin schließen. Hierbei konzentriert sie sich auf die Analyse der Elisabeth-memoria aus Anlass politischer Zentralereignisse von internationaler Dimension: dem Dynastiewechsel, der pfälzischen Hochzeit zwischen Elisabeth Stuart und Friedrich von der Pfalz, dem Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges und der englischen Interventionen für die Hugenotten in La Rochelle. Weiand analysiert eine große Anzahl lateinischer, also für die internationale, gebildete Leserschaft verfasster Texte beispielsweise von Francis Bacon und William Camden, aber auch zahlreicher weniger bekannter Autoren. Für Camdens Annales Rerum Anglicarum etc. (1615) kann sie durch den Vergleich mit den späteren englischen Übersetzungen überzeugend deutlich machen, dass das Bild der Königin im internationalen Kontext der frühen Stuart-Jahre unterschiedliche Züge aufwies als in England selbst. Aus der überkonfessionell agierenden Friedensstifterin (als Prototyp für die Politik James I) der lateinischen Schriften des ersten Jahrzehnts der Stuart-Herrschaft wird in den englischen Publikationen besonders der 1620er-Jahre die protestantische Heroine der bis heute gängigen Ikonografie. Bemerkenswert an der Herrschermemoria um Elisabeth, das hat schon Sharpe konstatiert, ist das Fehlen der Verweise auf Genealogie und Tradition. Die Grabmäler der Tudors etwa spielten keine Rolle in der Erinnerungskultur der Dynastie. Anstelle von Heroen aus der eigenen Familie, so argumentiert Weiand, tritt als internationale Leitfigur der französische Roi de Guerre, Heinrich IV, der im Zusammenhang von Texten um die pfälzische Hochzeit immer wieder genannt wird. Das hat weniger mit der Elisabeth-Rolle, als vielmehr mit ihrer Marginalisierung zu tun - ein Befund, der an sich ebenfalls bemerkenswert ist, und die oft gezogene Analogie zwischen Elisabeth I. und Elisabeth Stuart überzeugend in Frage stellt.
Neben der internationalen Ergänzung des Herrscherbildes der Elisabeth, die, wie Weiand selbst zugibt, wenig kompatibel mit den Narrativen der breiten englischen Öffentlichkeit ist (234), liegt das Verdienst der Studie in der detaillierten und überzeugenden Rekonstruktion einer Chronologie der Bildkonstruktion von Elisabeth. Die letzten Regierungsjahre der alternden Monarchin, die von den Zeitgenossen als stagnierend und krisenhaft erlebt worden waren, gaben keinen Anlass für einen Heroenkult. Die Funeralschriften, die nach ihrem Tod verfasst wurden, erlauben Weiand darum die Rekonstruktion eines Herrscherbildes, das gerade nicht, wie oft in der Forschung dargestellt, als Gegenbild zum Rex Pacificus James I gebraucht wurde, sondern vielmehr die Programmatik von James' Rolle als Arbiter auf der nationalen und internationalen Bühne antizipiert. Elisabeth wird hier nicht als Alternative zu, sondern als Vorläuferin von James' Friedenspolitik konstruiert. Der neue König vollendet, etwa durch den Friedensschluss mit Spanien, die letztlich nicht erfolgreiche Politik seiner Vorgängerin. Während der ersten Jahre nach dem Tod der Monarchin setzte dann eine wachsende Marginalisierung der Herrschermemoria ein. Diese wurde in der Tat erst und besonders in der zweiten Dekade des 17. Jahrhunderts von Seiten des Hofes gefördert, entwickelte aber auch eine Eigendynamik, an der sich die Außenpolitik von Karl I. und seinem Berater Buckingham messen lassen musste. Damit ist auch das chronologische Ende der Untersuchung erreicht. Die personal rule Karls I. wird nur noch kursorisch erwähnt. Sie passt auch weniger in die außenpolitische Ausrichtung als Analysekriterium.
Weiands Buch leistet wichtige Beiträge zu einer Reihe von Forschungsfeldern. Sie ergänzt ein immer stärker anglo-zentriertes Bild der englischen Monarchie und ihrer Repräsentationsstrategien durch deren Einbindung in die europäischen politischen und intellektuellen Kontexte ihrer Zeit. Sie korrigiert die allzu eindimensionale Vorstellung der Elisabeth-memoria als eines Gegenbildes zu ihrem Nachfolger James I. Sie löst die von Sharpe postulierte, aber von ihm nicht erarbeitete, Untersuchung der Eigendynamik der politischen Bildformung ein, die nicht (immer) von den politischen Autoritäten kontrolliert werden kann. Gemessen an Sharpe, dessen dreibändige Geschichte der Herrscherbilder des 17. Jahrhunderts das Opus Magnum einer jahrzehntelangen Beschäftigung mit dem Thema darstellt, bleibt die Studie von Weiand trotz ihres mit 330 Seiten sehr respektablen Umfangs verständlicherweise eingeschränkt. [2] Das gilt beispielsweise für die Quellenauswahl. Trotz der in der Einleitung angekündigten Berücksichtigung materieller außersprachlicher Quellen wie Münzen, Druckgrafiken oder Gemälden (45), beruht die Studie beinahe ausschließlich auf den Schriften einer intellektuellen Elite. Die Analyse gerade schwieriger lateinischer Texte ist allerdings auch das besondere Verdienst dieser Arbeit.
Der Text selbst ist insgesamt gut lesbar, die Fußnoten geben ausgiebig Auskunft zu den Details der Quellenanalyse und den historiografischen Debatten.
Anmerkungen:
[1] Aus dem umfangreichen Œuvre Sharpes sei hier nur besonders hingewiesen auf: Selling the Tudor Monarchy. Authority and Image in Sixteenth-Century England, New Haven 2009. Hier entfaltet Sharpe die seinen Studien zugrundeliegenden Theorien, die Kerstin Weiand sich zunutze gemacht hat.
[2] Neben den oben genannten Werk gehören folgende Arbeiten zu der Trilogie: Image Wars: Promoting Kings and Commonwealths in England, 1603-1660, New Haven 2010; Rebranding Rule 1660-1714. The Restoration and Revolution Monarchy, New Haven 2013.
Raingard Eßer