Rezension über:

Cornelius Ryan: Der letzte Kampf. Aus dem Amerikanischen von Helmut Degner. Mit einer neuen Einführung von Johannes Hürter, Stuttgart: Theiss 2015, XVII + 474 S., zahlr. s/w-Abb., ISBN 978-3-8062-3026-0, EUR 29,95
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Rezension von:
Sven Keller
Institut für Zeitgeschichte München - Berlin
Empfohlene Zitierweise:
Sven Keller: Rezension von: Cornelius Ryan: Der letzte Kampf. Aus dem Amerikanischen von Helmut Degner. Mit einer neuen Einführung von Johannes Hürter, Stuttgart: Theiss 2015, in: sehepunkte 16 (2016), Nr. 4 [15.04.2016], URL: https://www.sehepunkte.de
/2016/04/28782.html


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Cornelius Ryan: Der letzte Kampf

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Die Schlacht um Berlin erreichte zwanzig Jahre nach ihrem Ende ihren Höhepunkt - zumindest, was die publizistische Aufmerksamkeit angeht: Drei Autoren legten damals gewichtige Bücher zum Kampf um die Stadt im April/Mai 1945 vor: Erich Kuby 1965 mit der zum Buch erweiterten SPIEGEL-Serie "Die Russen in Berlin", John Toland 1966 mit "The Last 100 Days", und im gleichen Jahr schließlich Cornelius Ryan mit "The Last Battle" [1]. Alle drei Bände waren journalistisch-populärwissenschaftlicher Natur.

Cornelius Ryans Buch erschien noch im gleichen Jahr unter dem Titel "Der letzte Kampf" auch auf Deutsch.[2] Diese Ausgabe wurde nun von der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft aus Anlass des 70. Jahrestages des Kriegsendes neu aufgelegt, und Johannes Hürter hat den Band mit einer kurzen Einleitung versehen.

Inhaltlich schlägt Ryan einen Bogen von einer Charakterisierung des Lebens in Berlin im März/April 1945 über die die deutschen Verteidiger und die konfliktbeladenen alliierten Planungen, die militärischen Operationen vor und während der Schlacht um Berlin bis hin zum Schicksal der Zivilbevölkerung und dem Verhalten der sowjetischen Besatzer. Dabei bedient er sich einer Collagetechnik ("the Ryan style", II), die eine große Zahl von Erinnerungen und Berichten zu einer Geschichtserzählung verdichtet. Dabei schildert er die interalliierten Streitigkeiten langatmig; er neigt zur Heroisierung und Exkulpation der Wehrmacht im Gegensatz zu den "bad guys" aus der NS-Führungsriege; und er vermittelt ohne weitere Einordnung eine deutsche Leidensgeschichte, während ihm andererseits die russischen Eroberer bei aller, auch sexueller Gewalt allzu holzschnittartig geraten, oft genug entlang rassistischer Stereotype.

Die Komposition ist ohne den Kontext des Kalten Krieges und Ryans Positionierung dazu nicht verständlich. Ohne die Einordnung, die die Einleitung bietet, ergäbe das eine zuweilen schwer erträgliche Schieflage. Die wurde im Übrigen auch zeitgenössisch schon so wahrgenommen: Während der Band in Deutschland fünf Jahre nach dem Mauerbau überaus positiv aufgenommen wurde (Willy Brandt als Regierender Bürgermeister der "Frontstadt" Berlin steuerte ein Vorwort bei), protestierte das Sowjetregime empört. In den USA selbst war der Band umstritten: Nach der Zuspitzung der Kuba-Krise standen die Zeichen Mitte der 1960er Jahre auf vorsichtige Entspannung.

Lohnt es sich dann überhaupt noch, Ryans Buch zu lesen? Hürter bejaht das zu Recht: Denn gerade wenn es um die Perspektive der Berliner Bevölkerung geht, sei Ryans Buch nach wie vor lesenswert. Das liege an der "atmosphärische[n] Dichte", die sich aus Ryans Collage von rund 700 mündlich oder schriftlich eingeholten Zeitzeugenberichten ergebe, und daran, dass die Forschung in diesem Bereich noch kaum tätig geworden sei.


Anmerkungen:

[1] Erich Kuby: Die Russen in Berlin 1965, München, Bern, Wien 1965; John Toland: The last 100 days. The Tumultuous and Controversial Story of the Final Days of World War II in Europe, New York 1966; Cornelius Ryan: The Last 100 Days, New York 1966.

[2] Cornelius Ryan: Der letzte Kampf, München / Zürich 1966.

Sven Keller