Wiebke Deimann / David Juste (Hgg.): Astrologers and their Clients in Medieval and Early Modern Europe (= Beihefte zum Archiv für Kulturgeschichte; Heft 73), Köln / Weimar / Wien: Böhlau 2015, 229 S., 9 s/w-Abb., ISBN 978-3-412-21060-1, EUR 40,00
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Jacqueline M. Burek: Literary Variety and the Writing of History in Britain's Long Twelfth Century, Woodbridge / Rochester, NY: Boydell & Brewer 2023
Wenngleich die Geschichte der mittelalterlichen Astrologie nur einer kleineren Gruppe von Mediävisten gut vertraut sein mag, spielten diese Gelehrten doch eine sehr wichtige Rolle, vermochten sie doch durch ihre Prognostiken beträchtlichen Einfluss auf ihre 'Kunden' zu gewinnen, d.h. meistens hochgestellte Persönlichkeiten. Astrologen besaßen somit sicherlich bis zum 17. Jahrhundert hohes Ansehen sogar unter den großen Machthabern, wobei wir von vornherein sehr vorsichtig bei unserer Beurteilung dieser Experten sein sollten, die keineswegs einfach als Scharlatane abzutun sind. Die Kenntnis der Astrologie war zwar im westlichen Mittelalter nicht weit verbreitet, wurde aber im byzantinischen (Konstantinopel) und arabischen Raum (Bagdad) stark betrieben und gelangte von dort aus seit dem 12. Jahrhundert auch nach Europa.
Auf einer Tagung in Erlangen vom 29. bis 30. September 2011 trafen sich bedeutende Astrologieforscher, deren Beiträge nun im vorliegenden Band zum Druck gelangt sind. Zentral ging es um die Fragen, wer diese Astrologen wirklich gewesen sind, in welchem Verhältnis sie zu ihren Klienten standen, welches Ansehen Astrologie tatsächlich genoss und wie falsche und wahre Astrologen voneinander unterschieden wurden.
Die Herausgeber haben neun Aufsätze versammelt, die alle auf Englisch verfasst wurden, wobei es offenbar zu keiner Entscheidung kam, ob das Amerikanische oder das Britische vorzuziehen wäre. Wir erhalten auch keine biographischen Skizzen der Autoren. Aber alle Beiträge erweisen sich als gründlich erforscht, klar gegliedert und überzeugend in ihrer Argumentation. Es ist ein intellektueller Genuss, sich in die hier vorgelegte Materie zu vertiefen, handelt es sich ja meist nicht um kurze Skizzen, sondern um die Fortsetzung langjähriger Forschungen, die auch schon in wichtige Editionen und Übersetzungen gemündet sind, auf die hier aufgebaut wird.
Charles Burnett illustriert anhand von Michael Scotus' Liber introductorius und einer Reihe von arabischen Vorlagen, z.B. derjenigen von al-Qabīsī, die Strategie, im Grunde umfangreiche Kompendien zur Astrologie als Einführungsbücher zu betiteln, was auch in der französischen Tradition eine Rolle spielen sollte. Ob dies eventuell auch in anderen Sprachen der Fall gewesen sein könnte, bleibt noch zu untersuchen. Wie umsichtig und vorsichtig manche wissenschaftlich orientierte Astrologen vorgingen, führt Benjamin N. Dykes vor Augen, der bereits 2007 das Astronomiebuch von Guido Bonatti in englischer Übersetzung veröffentlichte und nun dessen kritische Bemerkungen zur Astrologie selbst und seine vorsichtige Herangehensweise bei der Erstellung von Prognostica einleuchtend analysiert. Oftmals beurteilte er militärische Verhältnisse schlicht aus einer praktischen Perspektive und bewertete dementsprechend die Wahrscheinlichkeit eines Erfolges, was letztlich weniger mit Astrologie zu tun hatte.
Jean-Patrice Boudet präsentiert die Astrologen Joses von Trets (Jude) und Meister Peter (Christ), die für den Erzbischof von Aix-en-Provence, Robert de Mauvoisin, unterschiedliche Horoskope erstellten, was diesem aber wenig nützte, weil er, angeklagt wegen vermeintlicher Häresie, 1318 sein Amt niederlegen musste. Der interessante Punkt besteht darin, dass diese beiden Gelehrten sich gegenseitig widersprachen, was in einer erhaltenen Quelle, die hier zum Abdruck kommt, nachzulesen ist.
Der berühmte Florentiner Chronist Giovanni Villani gab in seinem Meisterwerk gelegentlich sehr klar zu erkennen, wie gut er mit Astrologie vertraut war, ohne selbst ein Experte auf diesem Gebiet zu sein, wie uns Robert Hand in seinem Beitrag erläutert, wobei sehr deutlich wird, wie intensiv Astrologen darum bemüht waren, ihr Fach sorgfältig von Aberglauben und Fatalismus zu distanzieren, indem sie die Rolle von Fortuna bzw. des freien Willens betonten, was unabhängig vom Wirken Gottes anzusehen sei.
Dies kommt auch im Werk des Astrologen Johannes Lichtenberger (ca. 1424/1427-nach 1488) zum Ausdruck, das Wiebke Deimann kritisch durchleuchtet, wobei zu Tage tritt, wie sehr religiöse Reflexe im Rahmen von Prognostiken eine Rolle spielten, denn sowohl praktische Erfahrungen als auch mystische Visionen wurden als relevant angesehen bei der Entscheidung darüber, wie das zukünftige Leben verlaufen würde.
Einige der Zeitgenossen Lichtenbergers wie Johannes ab Indagine oder Paul von Middelburg hielten recht wenig von ihm, aber dies dürfte nicht untypisch sein für Konflikte innerhalb eines umkämpften Berufstandes. Der letztere, den Stephan Heilen vorstellt, besitzt speziell Bedeutung für uns, weil er sich ausgiebig des einzigen spätantiken astrologischen Traktats, des Mathesis von Firmicus Maternus, bediente und daraus viel entlehnte. In seinem Prognosticum für die Jahre 1484 bis 1504 bemühte er sich darum, sowohl ein breiteres Publikum anzusprechen, als auch die arabische Theorie mit der rhetorischen und religiösen Welt der Spätantike zu verbinden.
Andere wichtige Astrologen des Spätmittelalters waren Giuliano Ristori, der für Cosimo I. de' Medici tätig war und besonders für das Jahr 1537 ein Horoskop erstellte, wie H. Daniel Rutkin darlegt, der auch den Text abdruckt, und schließlich Johannes Kepler, der mittels seiner astrologischen und mathematischen Fähigkeiten höchstes Ansehen am Habsburger Hof genoss und unter drei Kaisern, Rudolf II., Matthias und Ferdinand II., tätig war, was zuletzt Katrin Bauer behandelt. Kepler vermochte es, sich erstaunlich geschickt in der schwierigen politischen Situation zu behaupten und seine Anstellung zu behalten, auch wenn es ihm nicht gelang, zum Geheimen Rat aufzusteigen, weil man nur seine mathematischen und astrologischen Fähigkeiten schätzte.
Der beeindruckende, wenngleich schmale Band endet mit einer Tafel von astrologischen Symbolen, einem Namensindex und einem Verzeichnis der berücksichtigten Handschriften. So schön er auch insgesamt auf den Leser wirkt, sind doch eine ganze Reihe von ärgerlichen Fehlern aufgetreten, indem ganze Sätze fragmentarisch bleiben oder wiederholt werden. Manchmal fehlen Verben, was das Verständnis des Öfteren schwierig gestaltet. Man fragt sich, ob es denn keine bedeutenden Astrologen in England, Spanien, in Skandinavien, Polen oder im Heiligen Römischen Reich gab. Die einzelnen Beiträge fügen sich freilich zu einem wunderbaren Reigen zusammen, in dem die Welt der spätmittelalterlichen, wissenschaftlich betriebenen Astrologie anhand von Einzelfällen überzeugend vor unsere Augen tritt.
Albrecht Classen