Arp-Museum Bahnhof Rolandseck / Bucerius Kunst Forum (Hgg.): Von Poussin bis Monet. Die Farben Frankreichs, München: Hirmer 2015, 228 S., ISBN 978-3-7774-2397-5, EUR 39,90
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"Von Poussin bis Monet. Die Farben Frankreichs" - mit diesem Titel haben sich das Arp Museum Bahnhof Rolandseck in Remagen und das Bucerius Kunst Forum Hamburg die große Aufgabe gestellt, rund drei Jahrhunderte französischer Malereigeschichte abzubilden. Die Grundlage hierfür schaffen die Bestände der National Gallery of Ireland, die erstmals in diesem Umfang außerhalb Dublins zu sehen sind und die am Arp Museum angesiedelte Sammlung Rau für UNICEF ergänzen. Nach zahlreichen Ausstellungen zur französischen Kunst, die sich meist auf bestimmte Künstler oder Epochen konzentrieren, fügt sich die von Susanne Blöcker und Eva Fischer-Hausdorf kuratierte Schau damit in eine durchaus überschaubare Riege von zeitlich ähnlich gelagerten Überblicksausstellungen ein, wie denen in Rom und Mannheim oder jüngst in Turin. [1]
Der von Eva Fischer-Hausdorf als Kuratorin auf Hamburger Seite entwickelte Begleitkatalog führt in sieben Aufsätzen und einem thematisch gegliederten Abbildungsteil schlaglichtartig durch den aufgespannten Zeitraum vom 17. bis zum frühen 20. Jahrhundert. Die kurzen Essays, die aus einem prominent besetzten vorbereitenden Symposium hervorgegangen sind, definieren notwendige Schwerpunkte. Dadurch kommen einzelne Aspekte wie die Fêtes galantes stärker zur Sprache, andere wie der Klassizismus um Jacques-Louis David werden hingegen nur am Rande behandelt. Das Vorwort greift den Titelzusatz "Die Farben Frankreichs" auf, anhand derer die Entwicklung der französischen Malerei nachvollzogen werden soll. Die benannte Zeitspanne wird als Phase gesellschaftlicher wie künstlerischer Revolutionen charakterisiert, mit denen eben diese "Farben" - das revolutionäre Blau, Weiß, Rot oder die Lichtwerte des Impressionismus - verknüpft seien. Die dabei mit Blick auf die Französische Revolution aufgerufene politische Tragweite, die in dem Ziel der Ausstellung mündet, die Gemälde "in den Kontext der politischen Farben" (9) zu stellen, wird in den meisten Aufsätzen jedoch nicht weiter vertieft.
Den Auftakt bildet der Beitrag von Fischer-Hausdorf, die die Entwicklung des Künstlerbildes von Charles Le Brun bis Gustave Courbet verfolgt. Dabei hebt sie die zentrale Bedeutung des 18. Jahrhunderts hervor (18), in dem die Idee vom selbstbewusst agierenden genialen Künstler mit der Befreiung von gesellschaftlichen und akademischen Normen ihren Ausgang nimmt. Mit den Vorgaben der Akademie befasst sich auch Christian Michel. Anhand der Akademievorträge zeigt er auf, inwiefern Tendenzen wie die Wertschätzung des Malerischen oder die Hinwendung zur Natur weit vor dem 19. Jahrhundert angesiedelt werden können. Seine Überlegungen rücken damit den französischen Akademismus der vorrevolutionären Zeit in ein neues Licht. Der folgende Beitrag von Christoph Martin Vogtherr ist den Fêtes galantes gewidmet, deren Genese und innovatives Potenzial überblicksartig nachvollzogen werden. Der Chronologie entsprechend nimmt Susanne Blöcker im Anschluss daran die bürgerlichen Ideale der Aufklärung in den Blick, wie sie in den Genrebildern von Jean-Baptiste Greuze und Jean Siméon Chardin zum Ausdruck kommen. Hiermit greift besonders ihr Aufsatz den Leitgedanken der Ausstellung auf, der die Entwicklung der französischen Kunst durch gesellschaftspolitische Umbrüche gekennzeichnet sieht. Positiv anzumerken ist darüber hinaus, dass die Autorin verstärkt die ausgestellten Werke in ihre Betrachtung einbezieht.
Einen weniger überblicksartigen Ansatz verfolgen die Beiträge von Beate Söntgen und Michael F. Zimmermann. Am Beispiel von Chardin untersucht erstere die veränderte Interaktion zwischen Bild und Betrachter im 18. Jahrhundert, die in der Übertragung von Emotionen bestehe. Zimmermann wendet sich den visuellen Neuerungen von Realismus, Naturalismus und Impressionismus zu, die er an den malerischen Qualitäten der freien, die Handschrift des Künstlers abbildenden Pinselführung festmacht. Das Besondere dieser Malweise im ausgehenden 19. Jahrhundert bringt der Autor auf die Formel, dass die Werke nicht zeigten, sondern "zu sehen geben" (58, 66) und beim Betrachter ein "Seherlebnis" (59) hervorriefen. Mit einem Überblick über den beachtlichen Bestand an französischer Kunst der National Gallery of Ireland weitet der Aufsatz von Adrian Le Harivel abschließend wieder den Blick. Angesichts namhafter Werke wie Nicolas Poussins Acis und Galatea oder Eugène Delacroix' Demosthenes spricht zu den Wellen mag hier verwundern, dass es bislang noch kein Bestandsverzeichnis der französischen Gemälde der Dubliner Sammlung gibt (77, Anmerkung 1).
Es folgt der Katalogteil (78ff.), der das Spektrum der Ausstellung in acht chronologisch geordneten Kapiteln abbildet. Die ausgestellten Werke werden dabei nicht mit Einzelanalysen bedacht, sondern am Anfang jedes Abschnitts zusammenfassend besprochen. Die kurz gehaltenen Überblickstexte stellen die Gemälde in den Kontext mit Vergleichswerken und erzeugen insgesamt stimmige Sinnabschnitte. Unter den Abbildungen trifft man auf selten außerhalb Dublins gezeigte Werke wie Simon Vouets Jahreszeiten-Tondo (94, Kat. Nr. 9) oder Thomas Coutures Die realistische Malerei (176, Kat. Nr. 54). Ein großer Gewinn ist darüber hinaus im letzten Kapitel die Einbeziehung von irischen Künstlern wie Roderic O'Conor oder William John Leech, die sich durch die französische Malerei des späten 19. Jahrhunderts inspiriert zeigten. Umso bedauerlicher ist es da, dass im einführenden Text (180-184) nicht auf Leechs Ölgemälde Auf Wellen schaukelnde Dinge, Concarneau (196, Kat. Nr. 71) eingegangen wird. Ein Verzeichnis der ausgestellten Werke mit weiterführenden Literaturhinweisen sowie Kurzbiografien der über vierzig beteiligten Künstler schließen den Ausstellungsband ab.
Insgesamt bietet der Katalog eine informative Gesamtschau der Entwicklung der französischen Malerei vom 17. bis zum ausgehenden 19. Jahrhundert, wie sie sich aus der gemeinsamen Ausstellung der beiden Sammlungen ergibt. Die kurz gehaltenen Aufsätze, die größtenteils einführenden Charakter haben, zum Teil aber auch spezifische Ansätze verfolgen, machen das Thema auch einer größeren Leserschaft zugänglich. Mit der im Vorwort aufgerufenen Charakterisierung der benannten Zeitspanne, vor allem des 18. Jahrhunderts, als Phase der politischen, gesellschaftlichen und künstlerischen Umbrüche eröffnet der Katalog allerdings keinen wirklich neuen Blick auf die französische Malereigeschichte dieser Zeit, sondern wiederholt vielmehr bekannte Sichtweisen. Sein Wert liegt daher vor allem in der Präsentation und der Zugänglichmachung der Dubliner Sammlungsbestände.
Anmerkung:
[1] Siehe Marina Bessonova (Hg.) / Hans-Jürgen Buderer (Red.): Von Poussin zum Impressionismus. Meisterwerke französischer Malerei aus dem Museum Puškin, Moskau, Ausst.-Kat. Mannheim, Mailand 2000; sowie Clelia Arnaldi di Balme (Hg.): Da Poussin agli impressionisti. Tre secoli di pittura francese dall'Ermitage, Ausst.-Kat. Turin, Mailand 2016. Beide Ausstellungen präsentierten ebenfalls externe Sammlungsbestände.
Friederike Voßkamp