Carsten Hjort Lange: Triumphs in the Age of Civil War. The Late Republic and the Adaptability of Triumphal Tradition, London: Bloomsbury 2016, XIX + 333 S., zahlr. s/w-Abb., ISBN 978-1-47426-784-7, GBP 95,00
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Das komplexe, spezifisch römische Ritual der Rückkehr und des Einzugs eines siegreichen Feldherrn in die Stadt Rom und seine Entwicklung von der frühen Republik bis zur Kaiserzeit ist nicht gerade das, was man auf Neudeutsch als 'underresearched' zu bezeichnen pflegt - allerdings bedeutet das nicht, dass die neuere Forschung in irgendeiner Hinsicht zu einem Konsens gekommen wäre. Angesichts der Quellenlage ist das auch nicht zu erwarten: Die diesbezüglichen Ansätze reichen von einer gewissermaßen optimistischen Lesung der (literarischen) Zeugnisse [1] über eine moderat quellenkritische Rekonstruktion des republikanischen Triumphes [2] bis zum Versuch einer radikalen Dekonstruktion. [3] Systematische Analysen des Rituals thematisieren die einzelnen Elemente der Prozession: [4] Dazu gehören etwa ihre Route, die in die politisch-sakrale Topographie der urbs eingebettet war, die ihrerseits durch die Hinterlassenschaft der Triumphe in Gestalt von Bauten und anderen Monumenten kontinuierlich be- bzw. angereichert wurde; [5] die beteiligten Gruppen, die Bilder und symbolischen Botschaften, also die gesamte Syntax des Rituals. [6] Schließlich sind auch durch 'performative' und 'spatial turn' inspirierte Neudeutungen [7] ebenso wie radikale Umdeutungen des Triumphes als solchem angeboten worden. [8]
Das weiß auch der Verfasser, der sich selbst bereits in einer ganzen Reihe von Beiträgen zum Triumph - vor allem in der Phase der Transformation von der späten Republik zum Principat des Augustus (und darüber hinaus) [9] - geäußert hat. Tatsächlich beruht mehr als die Hälfte der insgesamt sieben Kapitel auf diesen Vorarbeiten. Das Kapitel 2 (31-48) ist der Abgrenzung von Triumph, ovatio, Triumph in monte Albano und triumphus navalis gewidmet; im folgenden Kapitel (49-69) geht es um die Frage des Charakters und der Verlässlichkeit der Triumphalfasten, insonderheit der augusteischen Fasti Triumphales, die zwar eine "historisch-antiquarische Rekonstruktion" gewesen seien, aber zumindest ab dem Ende des 4. Jh. v.Chr. als zuverlässig gelten. [10] Das Kapitel 4 (71-94) thematisiert den spätrepublikanischen Triumph zwischen Kontinuität und Transformation, die Lange durchaus plausibel mit den mehrfachen Triumphen des Marius beginnen lässt. [11] Im fünften Kapitel (95-124) geht es um den Kern der Sache: Detailliert begründet Lange hier seine immer wieder hervorgehobene These (z.B. S. 2; 11; 93; 105ff.; 192), dass es im Laufe des 1. Jhs. v. Chr. sehr wohl möglich wurde, zumindest faktisch auch über besiegte Gegner in Bürgerkriegen zu triumphieren - wenn man den Sieg auch nur notdürftig mit einem erfolgreichen Krieg gegen äußere Feinde camouflieren konnte und wenn man den Bürgerkriegsgegner nicht namentlich nannte. [12] Die Ursache dafür sieht Lange darin, dass seit dem frühen ersten Jh. Unruhen, Gewaltexzesse und damit entgrenzte Konflikte zur 'Normalität', zu einem Teil des politischen Prozesses und seiner Wahrnehmung geworden seien - diese Ansicht begründet er bereits im ersten Kapitel (13-30, hier 24 u. 27). In seiner detaillierten Analyse der Monumente der entscheidenden Siege über Kleopatra (und Antonius) bei Actium und Alexandria im Kapitel 6 (125-153) hebt Lange noch einmal die Nichtnennung des römischen Gegners als Strategie und die Verwischung der Grenze zwischen externem und internem Krieg hervor. In Kapitel 7 (155-170) geht Lange die Triumphe und triumphalen Einzüge des Augustus, deren Routen und monumentalen Markierungen chronologisch bis zum 'umgekehrten Triumph' des spektakulären Begräbnisses durch. [13] In einem Epilog (171-194) diskutiert Lange einen vor allem von Th. Schäfer im Zusammenhang gedeuteten Reliefzyklus [14], der Taten und Triumph des Augustus darstellt. Ein Appendix zu den als 'Triumphbögen' bezeichneten Monumenten bis zum Konstantinsbogen [15] beschließt den Band (195-205).
Es ist deutlich geworden, dass die vorliegende Sammlung von detaillierten Einzelstudien, welche die gesamte Forschung einbeziehen und minutiös diskutieren (gelegentlich allerdings auch polemisch-herablassend kritisieren), nicht wirklich eine Monographie aus einem Guss darstellt. Immerhin enthält das Buch zahlreiche diskussionswürdige Einzelbeobachtungen und anregende Deutungsangebote.
Anmerkungen:
[1] J.-L. Bastien: Le triomphe romain et son utilisation politique à Rome aux trois derniers siècles de la République, Rom 2007; M.R. Pelikan Pittenger: Contested Triumphs. Politics, Pageantry, and Performance in Livy's Republican Rome, Berkeley etc. 2008 (s. dazu Rez.: Gnomon 82 (2010), 714-720). Vgl. zu den verschiedenen Zeugnisgruppen bzw. einschlägigen einzelnen Texten die Beiträge in: H. Krasser et al. (Hg.): Triplici invectus triumpho. Der römische Triumph in augusteischer Zeit, Stuttgart 2008.
[2] T. Itgenshorst: Tota illa pompa. Der Triumph in der römischen Republik, Göttingen 2005.
[3] M. Beard: The Roman Triumph, Cambridge, Mass. etc. 2007 (s. dazu Rez.: Gnomon 82 (2010), 130-136).
[4] S. bereits den Überblick von E. Künzl: Der römische Triumph. Siegesfeiern im antiken Rom, München 1988.
[5] D. Favro: The Street Triumphant. The Urban Impact of Roman Triumphal Parades, in: Z. Çelik et al. (Hg.): Streets. Critical Perspectives on Public Space, Berkeley etc. 1994, 151-164; W. Martini: Raum und Ritual im römischen Triumph. Die Wegstrecke des Triumphzugs, und S. Th. Schipporeit: Weges des Triumphes. Zum Verlauf der Triumphzüge im spätrepublikanischen und augusteischen Rom, in: Triplici invectus triumpho (Anm. 1) 75-94 bzw. 95-136, und zuletzt M.L. Popkin: The Architecture of the Roman Triumph. Monuments, Memory, and Identity, Cambridge 2016.
[6] I. Östenberg: Staging the World. Spoils, Captives, and Representations in the Roman Triumphal Procession, Oxford 2009.
[7] Rez.: Hierarchie und Konsens. Pompae in der politischen Kultur der römischen Republik, in: A.H. Arweiler et al. (Hg.): Machtfragen. Zur kulturellen Repräsentation und Konstruktion von Macht in Antike, Mittelalter und Neuzeit, Stuttgart 2008, 79-126, hier 97-104 u. 113-120.
[8] E. Flaig: Warum die Triumphe die römische Republik ruiniert haben - oder: Kann ein politisches System an zu viel Sinn zugrunde gehen? in: K.-J. Hölkeskamp et al. (Hg.): Sinn (in) der Antike. Orientierungssysteme, Leitbilder und Wertkonzepte im Altertum, Mainz 2003, 299-313.
[9] Vgl. bereits G.S. Sumi: Ceremony and Power. Performing Politics in Rome between Republic and Empire, Ann Arbor 2005; Rez.: Der Triumph - "erinnere Dich, daß Du ein Mensch bist", in: E. Stein-Hölkeskamp et al. (Hg.): Erinnerungsorte der Antike. Die Römische Welt, München 2006, 258-276; 745-747, und zuletzt die einschlägigen Beiträge in C.H. Lange et al. (Hg.): The Roman Republican Triumph - Beyond the Spectacle, Rom 2014, sowie demnächst in F. Goldbeck et al. (Hg.): Der römische Triumph in Prinzipat und Spätantike, Berlin (im Druck).
[10] S. bereits Lange: The Triumph Outside the City: Voices of Protest in the Middle Republic, in: The Roman Republican Triumph (Anm. 9), 67-81.
[11] S. bereits Lange: The Late Republican Triumph. Continuity and Change, in: Der römische Triumph ... (Anm. 9).
[12] S. bereits Lange: Triumph and Civil War in the Late Republic, in: Papers of the British School at Rome 81 (2013), 67-90.
[13] S. bereits Lange: Augustus' Triumphal and Triumph-like Returns, in: I. Östenberg et al. (Hg.): The Moving City. Processions, Passages and Promenades in Ancient Rome, London etc. 2015, 133-143.
[14] Th. Schäfer: Ein frühkaiserzeitliches Relief mit pompa triumphalis, in: Triplici invectus triumpho (Anm. 1) 137-154; ders.: Ciclo di rilievi Medinaceli, in: E. La Rocca et al. (Hg.) Augusto, Mailand 2013, 321-323.
[15] S. bereits Lange: Constantine's Civil War Triumph of AD 312 and the Adaptability of Triumphal Tradition, in: Analecta Romana Instituti Danici 37 (2012), 29-53.
Karl-Joachim Hölkeskamp