Sarah Glenn DeMaris (ed.): Johannes Meyer. Das Amptbuch (= Monumenta Ordinis Fratrum Praedicatorum historica; Vol. XXXI), Rom: Angelicum University Press 2015, XXXII + 538 S., ISBN 978-88-88660-66-0, EUR 65,00
Inhaltsverzeichnis dieses Buches
Buch im KVK suchen
Bitte geben Sie beim Zitieren dieser Rezension die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.
Julia Burkhardt: Von Bienen lernen. Das Bonum universale de apibus als Gemeinschaftsentwurf. Analyse, Edition, Übersetzung, Kommentar, Regensburg: Schnell & Steiner 2020
Montserrat Herrero / Jaume Aurell / Angela C. Miceli Stout (eds.): Political Theology in Medieval and Early Modern Europe. Discourses, Rites, and Representations, Turnhout: Brepols 2017
Bridget Wells-Furby: Aristocratic Marriage, Adultery and Divorce in the Fourteenth Century. The Life of Lucy de Thweng (1279-1347), Woodbridge: Boydell Press 2019
Der bekannte Dominikaner Johannes Meyer (1422-85) verfasste im 15. Jahrhundert mehrere Reformschriften für die Frauenkonvente Südwestdeutschlands in deutscher Sprache, um neu reformierte observante Gemeinschaften zu belehren und eine gemeinsame Identität dieser Bewegung zu schaffen. Die sogenannte Observanz beabsichtigte zur ursprünglichen Intention des Dominikanerordens durch strenge Klausur der Frauenklöster, gesungenes Chorgebet und strikte Beachtung von Armut, Keuschheit und Gehorsam zurückzukehren. Während viele seiner Schriften, wie das Buch der Reformacio und seine lateinischen Werke bereits im 20. Jahrhundert ediert wurden, blieb dies für sein Amptbuch bisher ein Desiderat. Sarah DeMaris füllt diese Lücke mit ihrer Edition des Amptbuches nun erstmals aus.
Sarah DeMaris' 2015 erschienenes Werk umfasst drei Teile: eine Einführung in Johannes Meyers Leben und seine Werke, die Edition des Amptbuches und eine separate, englische Übersetzung der Edition. Die Einführung in Johannes Meyers Leben und Werk glänzt durch Vollständigkeit und Quellen- sowie Literaturnähe. Neue Aspekte seines Lebenswerkes, wie verschollene Arbeiten, darunter eine Chronik des Klosters St. Agnes in Freiburg und die Zusammenfassung der Ordinationen des Dominikanerordens im gefuges Buchlein sowie seine Übersetzungstätigkeit für den Orden werden herausgearbeitet und in den Gesamtzusammenhang seines Reformprogramms gestellt. Anschaulich verknüpft Sarah DeMaris seine Aufgaben als Ordenshistoriker mit der Geschichte der Reform der Frauen-, aber auch Männerkonvente. In ihrem einführenden Kapitel nennt die Autorin alle bisher bekannten Manuskripte des Amptbuches und bemüht sich, eine Genealogie zu erstellen. Indem die Autorin nicht nur seiner Arbeitsweise, sondern auch der Überlieferung des Amptbuches mit anderen Schriften wie den vier Briefen der dominikanischen Ordensobservanz oder Conrad von Preußens Ordnung des Klosters Schönensteinbach Raum gibt, ordnet sie das Amptbuch in seinen Gesamtzusammenhang innerhalb der Ordensgeschichte ein und ermöglicht der weiteren Forschung interessante Anknüpfungspunkte. So beschreibt sie beispielsweise das bisher weitgehend unbekannte Buch der Ersetzung Johannes Meyers ausführlich und zieht inhaltliche und redaktionelle Verbindungen zum Amptbuch.
Der zweite Teil der Arbeit geht thematisch auf das Amptbuch ein: Johannes Meyer beschäftigte sich mit dem Liber instructione officialium des Humbert von Romans aus dem 13. Jahrhundert. Dabei handelt es sich um die Übersicht über Pflichten, Rechte und Ämter im Kloster, die Johannes Meyer für die Zeit neu zusammenfasste und adaptierte. Der Reformer und Ordenshistoriker passte nicht nur die Forderungen seines Vorgängers an die Bedürfnisse der Zeit an, sondern kombinierte erstmals observante Grundsätze mit der Geschichte des Ordens, Regeln und Bräuchen. Diese Ergänzungen, Weglassungen und Adaptionen an die strengere Klausur, das Fasten und den Gehorsam greift Sarah DeMaris in ihrer Edition auf. Hauptergebnis dieser Untersuchung ist, Johannes Meyers eigene Interpretation der Ereignisse vorzustellen, aber auch seine Darstellung der Ereignisse unter anderem mit Konflikten und langsam gewachsenen Normen nicht außer Acht zu lassen. Die Edition ist mit eingeführten Überschriften gut strukturiert und leicht lesbar. Ein kritischer Apparat fasst die weiteren Handschriften ins Auge und hilft beim Verständnis des Textes. Das Register greift Namen aus dem Text auf und ein Inhaltsverzeichnis des Amptbuches hilft bei der Navigation des Inhalts.
Die Edition wird durch sehr hilfreiche Übersichten weiter ergänzt: Mit Tabellen zeichnet Sarah DeMaris für den Leser deutlich nach, wie Johannes Meyer mit dem Werk Humberts von Romans umging und es der Reform der Frauenkonvente anpasste, indem er die Ämter im Kloster mit ihren Aufgaben, Verpflichtungen und Diensten definierte. Besonders hervorzuheben sind die bunt abgebildeten Initialen aus verschiedenen Versionen des Amptbuches, die die Schwestern bei der Ausübung ihrer Tätigkeiten darstellen. Der direkte Vergleich der beiden Handschriften - eine heute in Bloomington, Indiana und die andere in Dresden - gibt Einblicke in die Pflichten der Schwestern, aber auch in ihre Kunstfertigkeit beim Abschreiben und ihre gemeinsamen und unterschiedlichen künstlerischen Motive und Prägungen.
Die Übersetzung im dritten und letzten Teil ist detailgetreu nahe am Originaltext Johannes Meyers und durch Fußnoten mit weiteren Erklärungen zum besseren Verständnis versehen. Die jeweils kleine Abschnittsunterteilung ermöglicht ein leichtes Wiederfinden im Originaltext. Für den deutschsprachigen Nutzer ist die Trennung zwischen Edition und Übersetzung insofern praktisch, als sie Johannes Meyers Originaltext in einem Stück präsentiert und dabei gleichzeitig für die fremdsprachige Forschung eine neue Welt eröffnet.
Sarah DeMaris' Einführung in die Lebenswelt Johannes Meyers, die umfassende Übersicht über sein Werk und die Edition des Amptbuches bilden eine gelungene Synthese und die Autorin eröffnet mit ihrer Edition dem deutschsprachigen und internationalen Fachpublikum neue Forschungsmöglichkeiten. Gerade angesichts des 800-jährigen Jubiläums des Dominikanerordens, der Feiern zum 500. Jahrestag der Reformation Martin Luthers sowie des verstärkten Interesse am Leben geistlicher Frauen gegen Ende des 15. Jahrhunderts kommt dieses Werk zur rechten Zeit.
Stefanie Neidhardt