Rezension über:

Herbert Schneider (Hg.): Engelbert von Admont, De ortu et fine Romani imperii (= Monumenta Germaniae Historica. Staatsschriften des späteren Mittelalters; Bd. 1, Teil 3), Wiesbaden: Harrassowitz 2016, XXXVIII + 262 S., ISBN 978-3-447-10082-3, EUR 60,00
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Rezension von:
Markus Wesche
Kommission für das Repertorium "Geschichtsquellen des deutschen Mittelalters", Bayerische Akademie der Wissenschaften, München
Redaktionelle Betreuung:
Claudia Zey
Empfohlene Zitierweise:
Markus Wesche: Rezension von: Herbert Schneider (Hg.): Engelbert von Admont, De ortu et fine Romani imperii, Wiesbaden: Harrassowitz 2016, in: sehepunkte 17 (2017), Nr. 5 [15.05.2017], URL: https://www.sehepunkte.de
/2017/05/28685.html


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Herbert Schneider (Hg.): Engelbert von Admont, De ortu et fine Romani imperii

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Engelbert (ca. 1250 bis 1331), Abt des steirischen Benediktinerklosters Admont, gehört zu den bedeutendsten enzyklopädischen Schriftstellern im spätmittelalterlichen deutschen Reich. In einem Werkkatalog, den er zwischen 1320 und 1327 seinem Freund Ulrich, Magister an St. Stephan in Wien, mitteilte, hat der Gelehrte seine Werke in systematische Kategorien eingeteilt. Unter "philosophia moralis" führte er drei Werke auf, deren Edition schon vor dem Zweiten Weltkrieg durch Hermann Heimpel für die MGH-Reihe "Staatschriften des späteren Mittelalters" vorgesehen worden war. Von diesen Schriften kann man zwei als staatsethische Reflexionen bezeichnen, nämlich "De regimine principum" (zuletzt gedruckt Regensburg 1725, Neuedition in Vorbereitung bei den MGH) und das "Speculum virtutum" (kritisch ediert von Karl Ubl 2004, MGH Staatsschriften I,2). Die dritte Schrift, "De ortu et fine Romani imperii", ist eigentlich ein historisches Werk, behandelt es doch die Frage nach der Existenz und geschichtlichen Einordnung der Universalmonarchie in der Nachfolge des römischen Reiches der Antike als dem letzten der vier Weltreiche. Mit der Edition des häufig überlieferten, doch in seiner Textgeschichte leicht bestimmbaren Werkes geht Herbert Schneider der historischen Argumentationsweise des Themas nach, das zu Beginn des 14. Jahrhunderts nach der Auseinandersetzung der Staufer mit dem Papsttum und der Übersteigerung des Papsttums mit Bonifaz VIII. in der Luft lag. Der Traktat entstand zwischen der Kaiserkrönung Heinrichs VII. im Juni 1312 und dem Tod des Kaisers im August 1313. Etwa gleichzeitig kamen die Monarchia und das Convivio aus der Feder Dantes, der die Ankunft des Friedenskaisers nachdrücklich begrüßt hatte. Beide, Dante wie Engelbert, führten ihre Argumentationsgänge mithilfe aristotelischer Begriffsprägungen und beschreiben eine naturgemäße Entstehung von Staaten, deren Entwicklung auf die Monarchie hinauslaufe. Engelbert hatte lange Jahre in Padua studiert und war mit solcherlei epistemologischen Mustern, denen naturrechtlicher Begründung, durchweg vertraut. Allerdings legt der Autor auf die Darlegung geschichtlicher Zusammenhänge und Entwicklungen besonderen Wert. Der Traktat schließt mit dem Ende des Weltreiches und dem Kommen des Antichrist.

De ortu et fine Romani imperii ist heute noch in 19 Handschriften und 4 Auszügen überliefert, die meisten aus dem 15. Jahrhundert und aus dem österreichisch-süddeutschen Raum. Die Auszüge betreffen nur den eschatologischen Schlussteil. Geht man durch die Handschriftenbeschreibungen, stellt man fest, dass De ortu et fine in acht Handschriften zusammen mit dem eschatologischen Pseudo-Methodius überliefert wurde oder mit dem Speculum futurorum temporum des Gebeno von Eberbach, einem Kompendium der Endzeitvorstellungen der Hildegard von Bingen. Hinzu treten andere Texte dieser Art. Der Blick auf ein Ende der (Reichs-) Geschichte ist also erheblich für das Überlieferungsinteresse. Engelbert beschreibt das Ende der Geschichte als einen dreifachen Abfall: dem der Reiche vom Imperium, der Kirchen vom Römischen Stuhl und der Gläubigen vom Glauben. Damit passte der Traktat vorzüglich in die Jahre 1430 bis 1480, die Zeit der gehäuften Überlieferung: in die Problemlage des Basler Konzils, der Erosion der kaiserlichen Politik und der permanenten Kreuzzugsbemühungen gegen die Türkengefahr. Der Editor stellt heraus, dass Engelberts Traktat von den übrigen Reichstraktaten des 14. Jahrhunderts nicht aufgegriffen wurde und somit nicht in den staatstheoretischen Diskurs einging. Die Ausnahme stellte später Eneas Silvius Piccolomini dar, der während seines Dienstes unter Kaiser Friedrich III. mit dem Werk in Berührung kam und für einen eigenen Traktat benutzte. Nicht unerheblich für die Verbreitung im 15. Jahrhundert war im Übrigen die Melker Reformbewegung, waren die Ordensklöster und gebildete Weltgeistliche. De ortu et fine imperii Romani gehört zu den schon im 16. Jahrhundert gedruckten mittelalterlichen Staatsschriften. 1553 erschien das Werk in Basel, herausgegeben von Kaspar Brusch, den sein eigenes Interesse an Endzeitvorstellungen zum Text gebracht hatte, glaubte er doch an den Untergang der Welt im Jahre 1588.

Von der leichten Bestimmbarkeit der Überlieferung war schon die Rede. Es sind drei Fassungen festzustellen, darunter eine erste, sehr autornahe ohne die in späteren Handschriften regelmäßig vorhandenen Kapitelüberschriften und -übersichten. Diese erste Fassung hat der Editor seiner Ausgabe zugrunde gelegt und zu Recht einer rezeptionsgeschichtlichen Edition vorgezogen; er hat die Capitulatio der späteren Fassungen vorausgestellt und die Überschriften im Apparat vermerkt. Was diese Neuedition allerdings besonders macht, ist die Kommentierung durch die Quellen. Hier hat der Herausgeber sich nicht auf die Nachweise aus den kritischen Editionen der Vorlagen beschränkt, sondern die Arbeitsweise Engelberts aus den eigenen Quellen und Arbeitsbehelfen aufgezeigt, hat seine Selbstzitate nachgewiesen und damit den Autor in seinen zeitgebundenen Arbeitsbedingungen erfahrbar gemacht. All dies hat Herbert Schneider dem Leser zur Freude in klarer, stilistisch brillianter Sprache präsentiert, wofür ihm besonders gedankt sei.

Markus Wesche