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Manfred Straube (Hg.): Wirtschaftliche Frequenzen der Leipziger Großen Märkte/Messen. Statistische Zeugnisse aus den Leipziger Stadtrechnungen 1471/72 bis 1814/15, Leipzig: Leipziger Universitätsverlag 2015
Caspar Haberkorn: Annalen der Stadt Kamenz (Haberkornsche Chronik). Bearb. und hg. von Lars-Arne Dannenberg, Görlitz: Verlag Gunter Oettel 2012
Hermann Frhr. von Salza und Lichtenau: Die weltliche Gerichtsverfassung in der Oberlausitz bis 1834, Berlin: Duncker & Humblot 2013
Im Folgenden soll die sechsbändige Edition der Dresdner und Altendresdner "Stadtbücher mit vermischtem Inhalt" einer kritischen Würdigung unterzogen werden. Da alle Bände in etwa gleich aufgebaut sind, soll dies hier kurz dargelegt, aber bei den Einzelbänden dann nicht weiter ausgeführt werden. Jeder Band beginnt mit den Editionsrichtlinien. Die Bearbeiter halten sich dabei mit Einschränkungen an Heinemeyer [1], wobei der Text "weitgehend" (was immer das heißt) buchstabengetreu wiedergegeben wird. Wie die Bearbeiter bei Konsonantenhäufung verfahren, ist nicht ersichtlich. Eine Formulierung wie etwa diejenige, eine Regel "im Allgemeinen" (Punkt 7, 74) anzuwenden, lässt die Frage aufkommen, wie man im Speziellen verfuhr und ob dies kenntlich gemacht wurde. Hier wäre es hilfreicher gewesen, sich entweder vollständig nach Heinemeyer zu richten oder ausnahmslos und präzise die eigenen Richtlinien zu beschreiben. Die Editionsrichtlinien in Bd. 2 entsprechen denen des ersten Bandes, wobei Punkt 1 zur Groß- und Kleinschreibung hier kürzer ausfällt (warum?), dafür wurde die fehlerhafte Nummerierung aus Bd. 1 korrigiert, die Folgebände behalten diese Richtlinien bei. Des Weiteren wird für jeden einzelnen edierten Band eine Handschriftenbeschreibung ("Charakteristik" genannt) und eine Übersicht zu den Stadtschreibern bzw. Schreiberhänden geboten. Nach den Stadtbucheditionen folgen die Anhänge, die je ein Abkürzungs-, Quellen- und Literaturverzeichnis bieten. Abgeschlossen werden die Bände von einem Register der Personen- und Ortsnamen sowie einem Abbildungsteil. Eine weitere inhaltliche Erschließung auf Sachebene ist für die ersten vier Druckbände mittels des separaten Registerbandes möglich. Für die erst danach erschienene Edition des achten und neunten Dresdner Stadtbuches gibt es diese Möglichkeit nicht.
Alle in der oben genannten Reihe und deren Ergänzung publizierten Stadtbücher gehören zum Typ der "Stadtbücher mit vermischtem Inhalt". Sie beinhalten vor allem Akte der sogenannten freiwilligen Gerichtsbarkeit. Dazu zählen unter anderem letztwillige Verfügungen, Stiftungen, Teilungen von Nachlässen, Vormundschaftssachen, Käufe/Verkäufe, Renten/Zinsen, Auflassungen und Übertragungen von Immobilien, Schuldanerkenntnisse, Pfandsetzungen/Verpfändungen, Währschaften/Bürgschaften, Urfehden, schiedsrichterliche Verfahren und Sühneverträge (Wergeld). Ergänzt werden die Eintragungen durch chronikalische Notizen, Willküren und Ordnungen, stadtherrliche Erlasse bzw. Anordnungen sowie Notizen über städtische Finanzen bzw. Rechnungen.
Die Struktur der Edition folgt in allen Bänden demselben Muster: Die edierten Eintragungen erscheinen in der Reihung des Originals. Jedem Eintrag ist eine Kopfzeile mit Nummer, aufgelöster Datierung und Folioangabe vorangestellt. Es folgt ein Kopfregest und dann der Editionstext. Darunter finden sich der textkritische Apparat und die Sachanmerkungen.
Die Lektüre der Kopfregesten zu den einzelnen Stadtbucheinträgen hat gezeigt, dass Erstere in Sachen Terminologie und Präzision zumindest diskussionswürdig sind. Da sich dieses Problem aber durch alle hier angezeigten Bände zieht, soll es nur zum ersten Band ausführlicher diskutiert werden.
Bd. 1: Die drei ältesten Stadtbücher Dresdens (1404-1476), bearbeitet von Jens Klingner und Robert Mund, Leipzig 2007.
Der erste Band beginnt mit einer umfangreichen Einleitung. J. Oberste eröffnet diese mit einem Problemaufriss zur europäischen Stadtgeschichtsforschung (11-19). Gemeinsam mit J. Klingner gibt er im Anschluss einen kurzen Überblick zu "Stadtbüchern im Kontext - Stadtbuchforschung in Deutschland" (20-28). Klingner referiert anschließend gemeinsam mit R. Mund "Den Überlieferungsbestand der Dresdner und Altendresdner Stadtbücher" (29-32). Als bemerkenswertes kodikologisches Detail sei darauf verwiesen, dass die älteren Dresdner Stadtbücher vollständig aus Pergamentblättern bestehen (das erste Stadtbuch erhielt später einen Papierannex, s. u.). Zu erwarten wäre eigentlich, dass, wenn überhaupt, nur das älteste Stadtbuch aus Pergamentlagen besteht und alle Nachfolger aus Papier.
J. Oberste setzt die Einleitung mit einem stadtgeschichtlichen Überblick zu Dresden und Altendresden im 15. und 16. Jahrhundert (33-42) fort, wobei auch die Zusammensetzung des Stadtrates und des Schöffengerichts als buchführender "Behörde" thematisiert werden. Einen vergleichbaren Überblick bietet R. Mund zu "Altendresden im späten Mittelalter" (43-51). Im Anschluss daran thematisiert J. Oberste "Die Entstehung der Dresdner Stadtkanzlei", in der sich 1377 erstmals ein Stadtschreiber nachweisen lässt und die Rechnungsführung, wie so oft, schon vor der Stadtbuchführung beginnt. Ob die Einführung der Stadtbuchführung in Dresden mit den Mitspracheforderungen der Dresdner Handwerkerschaft (59) zu begründen ist, muss fraglich bleiben, da selbige Bücher zu Beginn keine Statuten enthalten, deren Verschriftlichung andernorts aus eben jenen Zusammenhängen begründbar ist. Den Blick auf einen zweiten und weiter als die Stadtbücher zurückreichenden Dresdner Quellenbestand eröffnet der Beitrag von I. Burghardt zu den "Dresdner Stadtrechnungen des späten Mittelalters" (61-66). Eine inhaltliche Fortführung findet der Text in Ch. Stades Blick auf "Das Stadtarchiv Dresden - Bestände des 15. und 16. Jahrhunderts". Dem Leser wird so die Möglichkeit eines schnellen Einstiegs in Quellenbestände geboten, die im Zusammenhang mit den Stadtbucheinträgen stehen und diese ergänzen könnten, etwa Gerichtsbücher, Rechnungen, Urkunden etc. Dies ist deshalb hilfreich, weil der im Untertitel genannte "Kommentar" in der Edition eher sparsam ausfällt, selten wird auf Zusammenhänge in der oben genannten Parallelüberlieferung hingewiesen.
Mit einer biografischen Skizze von C. Schauer (76-78) zu Elisabeth Boer (gestorben 1991), die bereits 1963 eine Edition des ältesten Dresdner Stadtbuches von 1404-1436 veröffentlicht hatte, werden die Einzelbeiträge fortgesetzt. [2] Im Anschluss referiert E. Priebst über "Die Stadt Dresden, das Konzil von Basel und die Hussiten - Zum Papierannex des ältesten Dresdner Stadtbuchs" (79-83). Bei diesem Anhang handelt es sich um "Abschriften von drei lateinischen Reden des sogenannten 'Dreifaltigkeits-Landtags' in Prag vom 13., 18. und 20. Juni 1433" und um "die Abschriften von zwei Reden vom Ökumenischen Konzil von Basel vom 22. August und 3. September 1432 sowie das Dekret vom 26. November 1433 über die Provinzial- und Diözesansynoden" (79). Den Abschluss der einleitenden Beiträge bildet R. Munds "Charakteristik des ältesten Dresdner Stadtbuchs 1404-1436" (84-90). Hier wird u. a. auf die Kodikologie der Handschrift, die Stadtschreiber, Schreiberhände und die Schreibsprache (fast ausschließlich Deutsch) eingegangen. Der Papierannex wurde nicht in die kodikologische Beschreibung einbezogen. In die Edition wurde er ebenfalls nicht aufgenommen. Des Weiteren werden die Erweiterungen und Veränderungen im Vergleich zu der von Boer vorgelegten Edition benannt. Auf den Seiten 91 bis 300 folgt die Edition des ersten Dresdner Stadtbuchs (1404-1436). Inhaltlich finden sich hauptsächlich Akte der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Auffällig sind die verhältnismäßig häufig als Geschäftspartner agierenden Juden und die auf Grund der Topographie zahlreich anzutreffenden Weinberge.
Neben dem großen Lob für das Gesamtwerk muss hier noch auf einige diskussionswürdige Punkte der Edition eingegangen werden. Bei der Lektüre der Kopfregesten fiel des Öfteren auf, dass sie zu umständlich formuliert oder sogar irreführend sind. Im Kopfregest zu Nr. 47 ist zu lesen: "Pigkewitz ist im Besitz einer Geldsumme. Das Geld gehört dem ältesten Kind des Nickel Missener und soll ihm verzinst werden". Pigkewitz ist aber gerade nicht im Besitz dieser Summe, sondern bekennt lediglich, dass 30 fl. auf seinem Grundstück lasten (wohl die Hauptsumme eines Rentenkaufs), die er jährlich mit 3 fl. (was den üblichen 10% entspricht) verzinsen muss. Generell hätten die Worte "Verpfändung/verpfänden" [3] in den entsprechenden Kopfregesten, wo es um längerfristige Geldanlagen geht, besser durch Rentenverkauf umschrieben werden sollen; denn entgegen dem modernen Sprachgebrauch wird im Spätmittelalter ein Pfand nicht gegen eine einmalige Zahlung gegeben und kann wieder ausgelöst werden, sondern der Besitzer einer Immobilie verkauft gegen eine s.g. Hauptsumme einen jährlichen Zins, der solange auf dem Grundstück lastet, bis dieser Zins abgelöst oder, wie es in den Quellen heißt, wiedergekauft wird (z.B. explizit Nr. 183, 328, 657).
Generelle Vorsicht scheint bei der Interpretation der Stadtbucheinträge und bei der Formulierung von Kopfregesten geboten, wenn nichtanwesende Dritte (uslendische) oder unmündige Kinder in den Texten erscheinen. Die Bearbeiter entschieden sich bisweilen dafür jene "uslendischen" und Kinder als Dritte Partei anzusehen, vor deren Ansprüchen Partei A oder B laut Stadtbucheintrag geschützt werden müsse. Mag dies in Nr. 59 oder 601 noch gerechtfertigt erscheinen, da es sich tatsächlich um eine Währschaft [4] für einen verkauften Acker handelt, so ist dies mindestens in den Nr. 60, 90, 98 oder 141 zu bezweifeln. Hier läge es näher, eine der vor Gericht anwesenden Parteien als im Auftrag der Kinder, also als Vormunde, handeln zu sehen und damit dem Stadtbucheintrag eine völlig andere Bedeutung zu geben. Dass nämlich das Eigentum der unmündigen Kinder durch ein Währschaftsversprechen der Vormunde, die zum Beispiel Häuser oder Äcker aus dem Erbe eben jener Kinder verkauften, geschützt wird vor Ansprüchen Dritter und nicht umgekehrt das verkaufte Haus vor den Ansprüchen der Kinder. Es bleibt die Erkenntnis, dass man im Zweifelsfall den gesamten Stadtbucheintrag lesen sollte.
Es folgt die Edition des zweiten Dresdner Stadtbuches (1437-1457), eingeleitet von J. Klingner. Da es spätestens 1946 verloren ging, konnte für die Edition nur der Text aus der fragmentarischen Überlieferung der Sekundärliteratur rekonstruiert werden (insgesamt 64 Einträge). Inhaltlich unterscheidet es sich nicht von seinem Vorgänger. Die oben angeführten Kritikpunkte zu den Kopfregesten gelten auch hier.
Der Band wird vom dritten Dresdner Stadtbuch abgeschlossen (1453-1476), welches gemeinsam von J. Klinger und R. Mund eingeleitet wird. Nach einer kurzen kodikologischen Beschreibung, bei der man die Maße von Einband und Buchblock vergessen hat, und von "auffälligen farbigen Zeichen zur Textgliederung" (326) statt von Rubrizierung des Vorsatzblattes schreibt, folgen einige Ausführungen zu den beteiligten Stadtschreibern. In diesem Stadtbuch fällt auf, dass die Einträge ausführlicher und damit leichter verständlich werden.
Bd. 2: Das vierte und fünfte Stadtbuch Dresdens (1477-1505), bearbeitet von Jens Klingner und Robert Mund, Leipzig 2008.
Die Edition des vierten Dresdner Stadtbuches (1477-1494) umfasst 647 Nummern. Auffällig ist, dass das Ende des Berichtszeitraums des Buches mit 1494 (Titel und Kolumnentitel) angegeben wird, obwohl einzelne Einträge bis in das Jahr 1495 datieren (330, Nr. 632; 331, Nr. 635, 636; 332, Nr. 637, 638).
Die Edition des vierten Dresdner Stadtbuches wurde von Jens Klingner zugleich als Dissertation an der Universität Regensburg eingereicht (urn:nbn:de:bvb:355-epub-214257). Inhaltlich finden sich auch in diesem Stadtbuch vor allem die schon oben genannten Akte der freiwilligen Gerichtsbarkeit, Verlautbarungen des Rates, aber auch eine landesherrliche Steuerordnung.
Die oben kritisierten Formulierungen finden sich teilweise auch hier, z.B. Nr. 10, 14, 23, 27, 47, 48, 52, 54, 59, 72, 77, 80, 87 "Schuldanerkenntnis" statt Verpfändung oder besser Satzung. Denn es geht nicht nur um die Anerkenntnis oder Feststellung einer Schuld, sondern wie zum Beispiel explizit in Nr. 72 formuliert um die Verpfändung der gesamten Habe und damit um eine weiter reichende Dimension des Stadtbucheintrags. Im Kopfregst Nr. 79 schreiben die Bearbeiter auch nicht mehr von "Schuldanerkenntnis", sondern von Verpfändung eines Hauses. Zu Nr. 50 heißt es: "Jacob Kunz erklärt, dass der Sebenwirtin zwei Kammern in dem Haus, das er von ihr gekauft hat, zu ihren Lebzeiten zur Verfügung stehen." Statt kurz: Ausgedinge der Sebenwirtin im Haus des Jacob Kunz - zumal "ußgedinget" bereits von der Quelle vorgegeben wird. Was oben zur Währschaft gesagt wurde, hätte hier zum Beispiel in Nr. 57 dementsprechend deutlich formuliert werden sollen.
Die Edition des fünften Dresdner Stadtbuchs (1495-1505) wurde von Robert Mund bearbeitet (503 Nummern). Problematisch ist auch hier, dass ähnliche Inhalte in den Kopfregesten unterschiedlich benannt werden: Nr. 165, 197, 198, 199 "Erbregelung", Nr. 167, 302, 341 "Ehevertrag". In allen Fällen handelt es sich aber um Aufgaben, also Verfügungen von Todes wegen bzw. gegenseitige Erbeinsetzungen, wofür in den Stadtbucheinträgen der immer gleiche Begriff "Aufgabe" oder "Aufgabebrief" benutzt wurde.
Bd. 3: Das sechste und das siebente Stadtbuch Dresdens (1505-1535), bearbeitet von Jens Klingner und Robert Mund, Leipzig 2011.
Das sechste Dresdner Stadtbuch (1505-1520) wurde von Robert Mund bearbeitet (622 Nummern). Als wesentliche "Neuerung" (18) der Stadtbuchführung stellt der Bearbeiter fest, dass bei fast allen Einträgen von den Schreibern Überschriften als eine Art von Regesten formuliert wurden. Des Weiteren betont Mund, dass im Vergleich zu den früheren Dresdner Stadtbüchern "eine deutlich höhere Anzahl von intertextuellen und intermediären Querverweisen nachzuweisen ist - ein deutliches Zeichen dafür, dass das Schriftwesen und die Differenzierung der städtischen Verwaltung an der Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert entscheidend zugenommen hatten" (21). Die Inhalte sind im Wesentlichen jene der vorangegangenen Stadtbücher. Interessant ist, dass der Schreiber 1513 die Papstwahl Leos X. für so erinnerungswürdig hielt, dass er sie auf Latein ins Stadtbuch eintrug (Nr. 283). Der Eintrag Nr. 434 "Ordnung der Müller an der Weißeritz gegen Plauen" von 1516 vermerkt eine beachtenswerte Vielfalt an Mühlen: "kuppermolen, papirmolen, draht-, plath-, polir- ader ander mulen". Ebenso bemerkenswert ist der Eingriff des Landes- bzw. Stadtherrn in die Art und Weise der Rechnungsführung mit einer "Ordnung [...] der rechnung in allen ampten" (Nr. 578). Diskussionswürdig sind auch hier wie oben die Kopfregesten.
Für das siebente Stadtbuch (1521-1535) zeichnet Jens Klingner verantwortlich (660 Nummern). Im Vergleich zur Vielfalt der vorherigen Stadtbücher liegt hier ein Schwerpunkt auf Erbschafts- und Grundstücksangelegenheiten. Bis zum Wiederauffinden des achten und neunten Stadtbuches hielt man dieses auch für das letzte seiner Art (mit vermischtem Inhalt), zumal auch der Prolog des Buches von der Anlage neuer spezialisierter Stadtbücher spricht. Die städtische Kanzlei schien aber ihre eigenen Vorgaben nicht ganz eingehalten zu haben. Unter den immer länger werdenden Einträgen fallen die zahlreichen und ausführlichen Erbteilungen bzw. Nachlassverzeichnisse auf, die ausgesprochen detaillierte Einblicke in die Sachkultur bzw. Lebenswelten des 16. Jahrhunderts erlauben. In Nr. 434 wird "Belmßdorff" mit "Belmsdorf sö von Bischofswerda" (siehe Registerband) gleichgesetzt. Da aber im Text die Herkunft der Verwandten mit "bey Gorlitz" (= Görlitz) angegeben wird, dürfte es sich dementsprechend um das Belmsdorf (= Bellmansdorf, Pilmansdorf, Baldramsdorf) südöstlich von Görlitz (poln. Radzimów) handeln. Das Problem mit den Kopfregesten ist dasselbe wie oben.
Bd. 4: Die Stadtbücher Altendresdens (1412-1528), bearbeitet von Jens Klingner und Robert Mund, Leipzig 2009.
Zunächst erläutert Robert Mund "Die Überlieferung der Altendresdner Schriftquellen im historischen Kontext" (9-16). Demnach erhielt Altendresden 1403 Weichbildrecht und 1549 wurde es durch Kurfürst Moritz zu Dresden geschlagen sowie der Rat aufgelöst, womit die Selbständigkeit endete. Altendresden hatte nie die Nieder- und Obergerichtsbarkeit inne, diese wurde durch einen Amtmann ausgeübt (12). Auf Seite 13 ist allerdings zu lesen, dass der Rat 1412 begann "die vor dem Rat und dem Gericht verhandelten Rechtsgeschäfte der Bürger in einem Buch festzuhalten". Da dies auf den ersten Blick im Widerspruch zu dem eine Seite zuvor Geäußerten steht, wären hier ein paar Aussagen zu den Kompetenzen von Rat und Gericht wünschenswert gewesen.
Die Handschriftenbeschreibungen und die Editionen des Ältesten Altdresdner Stadtbuchs (1412-1512) sowie des Protocollums (1491-1528) wurden von Robert Mund bearbeitet. Im Gegensatz zu den Dresdner Stadtbüchern besteht das Altendresdner nicht ausschließlich aus Pergamentlagen, sondern aus fünf "Pergament- und 171 Papierblättern" (23). Zudem kann vor Lorenz Busch, also vor den 1480er Jahren, kein Stadtschreiber identifiziert werden. Bemerkenswert ist aber, dass der Schreiber auf den ersten fünf Pergamentblättern versuchte, die Einträge nicht chronologisch einzutragen, sondern sie nach Themen/Inhalten zu gruppieren - ein Prinzip, das danach zu Gunsten der sonst üblichen Chronologie der Einträge wieder aufgegeben wurde. Die Edition selbst umfasst 752 Nummern. Der Großteil der in diesem Stadtbuch niedergeschriebenen Einträge betrifft Verfügungen von Todes wegen bzw. gegenseitige Erbeinsetzungen, also die Sorgen um den Nachlass bzw. die Versorgung der Hinterbliebenen.
Eine etwas verwirrende Vielfalt bieten die Zeugenreihen der einzelnen Stadtbucheinträge, aus denen sich auf den ersten Blick keine Systematik ableiten lässt, welche Gegenstände vor welchem Gremium verhandelt wurden. Genannt werden in unterschiedlichen Kombinationen Amtmann, Richter, Schöffen, Bürgermeister und Ratsherren. Ein Beispiel soll die Problematik verdeutlichen: in Nr. 549, einem "Ehevertrag" von 1494, erscheinen der Bürgermeister und Ratsherren als Zeugen. In der textkritischen Fußnote zu diesem Eintrag heißt es: "Gleicher Eintrag wie auf fol. 108v" und es folgt jener Eintrag. Dieser ist nun zwar inhaltlich gleich, aber nicht wörtlich und schon gar nicht formell derselbe. Denn während Ersterer vor dem sitzenden Rat verfasst wurde, wurde Letzterer vor der Dingbank - also dem Richter und den Schöffen - niedergeschrieben, die dann auch abweichend vom ersten Eintrag neben dem Bürgermeister als Zeugen genannt werden. Beide Einträge datieren auf denselben Tag. Wie ist der Befund zu deuten? Davon ausgehend, dass der Schreiber bei der Reinschrift nichts durcheinandergebracht hat, fanden wohl am selben Tag entweder zwei Sitzungen unterschiedlicher Gremien statt oder Richter, Schöffen und Ratsherren waren zugleich anwesend (nach der Dresdner Ratsordnung von 1470 waren Ratsherren auch Schöffen). Die von den Bearbeitern als "Ehevertrag" bezeichnete Verfügung von Todes wegen musste wohl (wie jede Auflassung) wegen des schuldenbelasteten Grundstückes vor Richter und Schöffen erfolgen (ohne dass sie hätte aufgeschrieben werden müssen, hier ist dies eher ein Überlieferungszufall). Danach sind die Eheleute in gleicher Sache vor dem Rat erschienen (wenn er nicht schon anwesend war) und haben ihre Verfügung ins Stadtbuch schreiben lassen - ein Verfahren, das die späteren Dresdner Stadtbücher bestätigen. An dieser Stelle hätte man sich von den Herausgebern und Bearbeitern eine detaillierte Einführung in die Problematik gewünscht, was eigentlich vor Richtern/Schöffen und was vor dem Rat zu verhandeln war.
Das Altendresdner Protocollum 1491-1528 ist ebenfalls auf Papier geschrieben und präsentiert sich als Stadtbuch mit vermischtem Inhalt (286 Einträge). Jedoch überwiegt hier die Zahl der Einträge, die Käufe/Verkäufe beinhalten. Ebenso auffällig wie interessant ist die Tatsache, dass man bei den Hausverkäufen meist ausreichend Platz hinter den Verträgen ließ, um die Ratenzahlungen, die sich über Jahre oder Jahrzehnte erstreckten, zu verzeichnen (z.B. Nr. 201). Namentlich konnte Robert Mund als Bearbeiter sechs Schreiber nachweisen, anonym blieben vier (413).
Bd. 5: Die spätmittelalterlichen Stadtbücher Dresdens und Altendresdens. Registerband, bearbeitet von Jens Klingner und Robert Mund, Leipzig 2013.
Den Hauptteil des Bandes bilden ein geografisch-topografisches Register, ein Personen- sowie ein Sachregister. Letzteres muss unter den Prämissen benutzt werden, dass nur eine "Auswahl" (211) der "Sachworte" verzeichnet wurde und dass die oben angedeuteten Probleme der terminologischen Unschärfe sich auch hier widerspiegeln. Gewere oder Pfand finden sich zum Beispiel nicht. Ein Beispiel soll die Problematik weiter verdeutlichen: Im fünften Stadtbuch heißt es im Kopfregest zu Nr. 69: "[...] setzt [...] ein Stück Acker als Sicherheit ein." "Sicherheit" findet sich nicht im Register. Im Kern handelt es sich um eine Währschaft, die aber auch nicht als Schlagwort aufgenommen wurde. Nach langem Suchen findet man den Stadtbucheintrag unter "Acker", Unterpunkt "Verpfändung". "Verpfändung" ist noch einmal ein eigenes Schlagwort, von dort wird aber nur auf diverse Unterpunkte wie eben "Acker" verwiesen - das Register ist also nach den einzelnen Verhandlungsgegenständen, weniger nach Sachverhalten oder Rechtsbegriffen angelegt. Das ist zwar nicht falsch, erschwert aber den Zugang zu den Inhalten erheblich. Abgeschlossen wird der Registerband von einem Verzeichnis der Abkürzungen, Quellen, Literatur und Errata.
Das achte und neunte Stadtbuch Dresdens (1535-1598), bearbeitet von Mandy Ettelt und Sandra Knieb, Leipzig 2015.
Die Edition des achten und neunten Dresdner Stadtbuches ist zwar nicht mehr in der oben genannten Reihe erschienen (da die Handschriften erst später im Stadtarchiv Dresden "entdeckt" wurden), sie ist aber die chronologische Fortsetzung derselben, sodass sie hier besprochen werden soll. Die Stadtbücher bilden den Abschluss der Reihe der "Stadtbücher mit vermischtem Inhalt". Danach wurden inhaltlich spezialisierte bzw. ausdifferenzierte Bücher geführt. Bearbeitet wurden die Texte von Mandy Ettelt und Sandra Knieb. Nach den Editionsrichtlinien folgt wie gewohnt eine tabellarische Übersicht der Schreiber und die "Charakteristik" des achten Dresdner Stadtbuchs von Mandy Ettelt. Hier wird deutlich, dass der historische Titel "Kontraktbuch" dem Inhalt nicht gerecht wird, da es sich tatsächlich auf Grund der Vielfalt der Einträge um ein Stadtbuch mit vermischtem Inhalt handelt. Beschreibstoff ist nicht mehr wie zuvor Pergament, sondern Papier. Ebenfalls bemerkenswert ist der mit floralen und biblischen Motiven gestaltete Einband aus der Werkstatt Balthasar Metzgers. Die Edition umfasst 357 Nummern. Im Vergleich zu den vorhergehenden Stadtbüchern wurden hier kaum noch Erbteilungen und Verzichte festgehalten. Auffällig ist, dass zahlreiche inhaltlich zusammengehörende Einträge von der Chronologie abweichend gruppiert wurden (z.B. Nr. 26). Zudem sind die Eintragungen viel ausführlicher und die Eingangsworte sowie Schlussformeln formalisierter. Exemplarisch für die Ausführlichkeit mag die Urfehde des Jakob Steinert vom Jahr 1553 stehen. Bis dahin ist den Einträgen zu Urfehden meist nur zu entnehmen, dass jemand Urfehde schwor ohne dass die Hintergründe klar werden. Hier in Nr. 181 wird der ganze Tathergang, die Einziehung ins Gefängnis, die Namen und Aufgaben der Bürgen bis hin zu den zukünftigen Verhaltensauflagen dargelegt, bevor der Text der Urfehde inseriert wird (so auch Nr. 265). Auch hier sind die Kopfregesten bei denselben Inhalten, wie oben aufgeführt, zum Teil problematisch formuliert. In Nr. 27 wird anachronistisch und zudem inhaltlich falsch von "Universalerbin" geschrieben, obwohl nur bestimmte Güter vergabt werden. Auch in Nr. 346 ist von "Universalerbin" zu lesen obwohl es sich um eine gegenseitige Erbeinsetzung handelt. Inhaltliche und sprachliche Besonderheiten wie "birschbuchsen" (Nr. 175) werden nicht erklärt.
Für die Handschriftenbeschreibung und Edition des neunten Dresdner Stadtbuchs (375 Nummern) zeichnet Sandra Knieb verantwortlich. Wie schon in den Einband des achten sind auch in den des neunten Stadtbuchs biblische Motive in der Werkstatt des Balthasar Metzger geprägt worden. Die Gruppierung von inhaltlich zusammengehörenden Einträgen (abweichend von der Chronologie) lässt sich auch in diesem Stadtbuch beobachten. Was zu den Kopfregesten gesagt wurde gilt auch hier. Der Band wird abgeschlossen durch ein Verzeichnis der Abkürzungen, Quellen und Literatur sowie ein Register der Orts- und Personennamen. Ein Sachregister wurde nicht erstellt.
Fazit
Dresden dürfte die einzige deutsche Stadt sein, deren Stadtbücher ("mit vermischtem Inhalt") von den Anfängen der buchförmigen Überlieferung um 1404 bis 1598 lückenlos als Edition vorliegen. Allein das zweite Altendresdner Stadtbuch (1509-549) ist wohl schon vor dem Zweiten Weltkrieg verloren gegangen (Bd. 1, 30) und das zweite Dresdner Stadtbuch (1437-1454) konnte, da Kriegsverlust, nur auszugsweise ediert werden. Zu verdanken ist diese editorische Großtat in sechs Bänden der beispielhaften Zusammenarbeit des Stadtarchivs Dresden, der Universitäten Dresden und später Regensburg, der Stadt Dresden und schließlich den eigentlichen Bearbeitern und Bearbeiterinnen. Obschon die Dresdner und Altendresdner Stadtbücher inhaltlich weder Spektakuläres noch Besonderes enthalten und in ihrem Gesamtumfang eher zu den kleineren Beständen in Sachsen zählen, liegt in ihnen dennoch eine unschätzbare Quelle gedruckt vor, deren Bedeutung für die Forschung hier nicht weiter hervorgehoben werden muss. In den 5531 Stadtbucheinträgen, die sich über nahezu 200 Jahre verteilen, dürfte für Historiker, Rechtshistoriker, Germanisten usw. ein Schatz vorliegen, den es erst noch zu heben gilt. Erst die als Serie vorgelegte Edition macht Längsschnittuntersuchungen möglich, die mit einem Einzelband nicht denkbar wären. Zu wünschen wäre für die Zukunft, dass diese und weitere Editionen [5] von Dresdner Stadtbüchern auch in einer digitalen Form zugänglich werden.
Anmerkungen:
[1] Walter Heinemeyer (Hg.): Richtlinien für die Edition landesgeschichtlicher Quellen, Marburg/Hannover 22000, 19-25 (Richtlinien für die Edition mittelalterlicher Amtsbücher).
[2] Elisabeth Boer (Hg.): Das älteste Stadtbuch von Dresden 1404-1436 (= Quellen und Forschungen zur sächsischen Geschichte; 1), Dresden 1963.
[3] Vgl. z. B. Nr. 61, 63, 105, 126, 139, 149, 157, 180, 199, 203, 226, 246, 249, 250, 265, 270, 292, 294, 317, 322, 325, 329, 352, 380, 382, 389, 405, 423, 424, 427, 431, 461, 474, 476, 504, 515, 536, 570, 577, 591, 597, 598, 619, 637, 639, 687 und 688.
[4] Der Verkäufer haftet für etwaige Ansprüche Dritter an dem verkauften Gut bzw. verpflichtet sich der Verkäufer, alle Angriffe auf die Immobilie abzuwehren (weren) und dem Käufer gegebenenfalls Schadenersatz zu leisten, wenn der Dritte gerichtlich Ansprüche durchsetzen kann.
[5] Thomas Kübler / Jörg Oberste: Kriminalregister der Stadt Dresden, Bd. 1: 1517-1562, bearbeitet von Mandy Ettelt, Leipzig 2017.
Christian Speer