Patryk Babiracki: Soviet Soft Power in Poland. Culture and the Making of Stalin's New Empire, 1943-1957, Chapel Hill, NC / London: University of North Carolina Press 2015, XV + 344 S., ISBN 978-1-4696-2089-3, USD 40,00
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Diese Rezension erscheint auch in der Zeitschrift für Ostmitteleuropa-Forschung.
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Der Sieg der Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg führte zur Ausdehnung des kommunistischen Systems in Osteuropa. Die sowjetische Regierung stand vor dem Problem, die ostmitteleuropäischen Staaten in ein Bündnis zu integrieren, in dem die Sowjetunion die Hegemonialmacht war: Die unter sowjetische Kontrolle geratenen Länder waren in sozialer, ökonomischer und politischer Hinsicht unterschiedlich geprägt. Des Weiteren sah sich die Sowjetunion mit der Schwierigkeit konfrontiert, dass sie in einigen Ländern nur wenig Sympathie genoss. In der Zeit des Stalinismus bedeutete Sowjetisierung Gewalt, Terror, totale Kontrolle und die strenge Nachahmung des sowjetischen Musters, was auch schon Gegenstand historischer Forschung gewesen ist. [1] Zusammen mit den politischen Institutionen und ökonomischen Prinzipien wurde auch die sowjetische Kultur- und Kunstpolitik installiert. Da diese der Kulturelite in den besetzten Ländern möglicherweise attraktiv erschien, drängt sich die Frage nach der Rolle der Kultur im Aufbau der sowjetischen Hegemonie in Osteuropa auf. Das politikwissenschaftliche Konzept der Soft Power ist relativ jung und wurde von Joseph Nye geprägt. Es bezeichnet die Strategie eines Staates, eigene Attraktivität aufzubauen und dadurch Einfluss auf die politischen Akteure eines anderen Staates auszuüben (10).
Ein Bereich, in dem sich Soft Power besonders gut generieren lasse, sei, so Patryk Babiracki, die Kultur. In seinem Buch widmet er sich mit Polen einem Land, das mit der Sowjetunion eine komplexe gemeinsame Geschichte verband. Sein Ziel ist es, den kulturellen Austausch und die Kontakte zwischen der sowjetischen und der polnischen Seite zu rekonstruieren und die Soviet Soft Power zu analysieren. Der Autor untersucht dafür vor allem die Zeit von der Etablierung der sowjetischen Herrschaft in Osteuropa 1943 bis zur Bildung neuer Institutionen im Bereich der Kultur 1957. Damit wird nicht nur die Zeit des Stalinismus, sondern auch das "Tauwetter" in der Sowjetunion Gegenstand der Analyse. Babiracki fokussiert auf die Vertreterinnen und Vertreter der polnischen Kulturelite sowie die sowjetischen Funktionärinnen und Funktionäre, die Kultur als Instrument einzusetzen versuchten, um Einfluss zu gewinnen. Literatur und Journalismus stehen dabei im Vordergrund, andere Bereiche wie Wissenschaft und Sport werden nur am Rande behandelt.
Die Studie gliedert sich in fünf Teile: Im ersten Teil rekonstruiert der Verfasser die Rekrutierung polnischer Offiziere, die der 1943 in der Sowjetunion aufgestellten polnischen Armee als prosowjetische Kulturagenten angehörten. Der zweite Teil behandelt die Jahre unmittelbar nach dem Krieg als Phase wechselseitiger Initiativen. Babiracki zufolge war dies die Zeit eines Nachkriegs-Optimismus, zugleich aber auch der Ungewissheit. Der dritte und vierte Teil behandeln mit dem Zeitraum von Ende der 1940er- bis Anfang der 1950er-Jahre die Phase der totalen Sowjetisierung, in der die Sowjetunion besonders stark in den polnischen Kulturbetrieb intervenierte. Im fünften Teil werden die sowjetisch-polnischen Kulturkontakte in der Zeit von Stalins Tod bis zum Jahr 1957 als Zeit der Krise und einer gleichzeitig angestrebten Wiederbelebung der kulturellen Kontakte dargestellt.
Überzeugend zeichnet der Autor nach, wie die sowjetische Administration zunehmend versuchte, die polnische Kulturlandschaft nach eigenem Vorbild umzubauen. Er bietet den Leserinnen und Lesern eine lebhafte Darstellung der polnischen Kulturszene der Nachkriegsjahre, in der eine Atmosphäre von Freiheit und Pluralismus spürbar war, die aber durch die Sowjets und die mit ihnen sympathisierenden polnischen Künstler schnell unterdrückt wurde.
Die polnische Kulturelite erscheint im Buch nicht nur als Befehlsempfänger, sondern auch als Gestalterin der gegenseitigen Beziehungen. Als Quellen nutzt der Autor Memoiren sowjetischer und polnischer Akteure, anhand derer er ihre Spielräume im Rahmen der Zusammenarbeit im Kulturbereich darlegt. Somit erfährt man nicht nur Neues über den Mechanismus der Umsetzung sowjetischer Bestrebungen in Polen und über seine Akteure, sondern auch über die vielfältigen Selbstwahrnehmungen der polnischen Kulturelite und ihre Sichtweise auf die Situation. Der Autor veranschaulicht, wie die Sympathien für die Sowjetunion in Polen von der Befreiung bis zu Stalins Tod infolge der Interventionen in den polnischen Kulturbetrieb abnahmen.
Babiracki konstatiert eine gewisse Attraktivität der sowjetischen Kulturpolitik für die polnische Gesellschaft, die jedoch auch von der Möglichkeit einer freien Bewertung und der Auswahl aus verschiedenen Optionen abhängig gewesen sei. Er zeigt, dass trotz der kommunistischen Propaganda und des Eisernen Vorhangs viele Elemente der westlichen, vor allem aber der amerikanischen Kultur - zum Beispiel aus dem Bereich der Musik, des Films oder der Presse - beliebt gewesen seien. Diese Begeisterung für die westliche Kultur und Kunst habe in Polen eine lange Tradition. So seien zwischen den Weltkriegen westliche Vorbilder nachgeahmt worden, wodurch sich die polnische Kultur auf einem höheren Level befunden habe als die sowjetische. Unter anderem deshalb habe Polen sowohl in qualitativer als auch in quantitativer Hinsicht nicht ausreichend von der sowjetischen Kulturindustrie versorgt werden können. Folglich sei von sowjetischer Seite Druck notwendig gewesen, um sowjetische Kulturmuster nach Polen zu übertragen. Diese Interventionen waren dem Autor zufolge mal stärker und mal schwächer, lassen sich jedoch durchgehend feststellen. Im offenen Wettbewerb konnte die sowjetische Kultur nicht gegen die Kultur des Westens bestehen.
Babiracki arbeitet an konkreten Beispielen überzeugend heraus, welche Soft Power der Westen gegenüber Polen und Polen gegenüber den Bürgern der Sowjetunion besaß. Ein konkretes Bild der sowjetischen Soft Power hingegen lässt sich aus der Studie kaum gewinnen. Zudem stellt Babiracki am Schluss die These auf, dass das sowjetische System im Grunde unfähig gewesen sei, auf Zwangsmaßnahme zu verzichten und der Kulturelite gewisse Freiheiten und Wahlmöglichkeiten zu gewähren (225, 236). Daher drängt sich die Frage auf, ob sich wirklich von Soviet Soft Power in Polen sprechen lässt.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass trotz der guten Beschreibung des kulturellen Einflusses der Sowjetunion in Polen, die Wirkung der Soviet Soft Power von Babiracki nur in Teilen überzeugend herausgearbeitet werden kann. Zweifel an der Tragfähigkeit des Konzepts bezüglich Polens bleiben bestehen. Nichtsdestotrotz regt das Buch zu weiterem Nachdenken und Debatten über Soviet Soft Power auch über Polen hinaus an.
Anmerkung:
[1] Anne Applebaum: Der Eiserne Vorhang. Die Unterdrückung Osteuropas, 1944-1956, München 2013; Ingrid Jander: Politische Verfolgung in Brandenburg. Der Kampf gegen Ost-CDU, Bauern und Kirchen im Spiegel der Akten von SED und Staatssicherheit, Düsseldorf 2012.
Oleg Garms