Uta Heil / Jörg Ulrich (Hgg.): Kirche und Kaiser in Antike und Spätantike (= Arbeiten zur Kirchengeschichte; Bd. 136), Berlin: De Gruyter 2017, XIV + 376 S., ISBN 978-3-11-052711-7, EUR 99,95
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Dies ist die Festschrift, die Hanns Christof Brennecke, dem verdienten Erforscher der spätantiken Kirchengeschichte, anlässlich seines 70. Geburtstags gewidmet wurde. Darin enthalten sind fünfzehn Beiträge, die sich aus verschiedenen Perspektiven dem im Titel angegebenen Thema widmen und chronologisch nach den behandelten Themen angeordnet sind. Den Beiträgen voran geht ein Vorwort (IX-XIV), das den Hintergrund des Bandes aufklärt und Zusammenfassungen der einzelnen Aufsätze bietet; am Schluss wird ein ausführlicher Registerteil (353-376) geboten.
Andreas Lindemann (Die "Zinsgroschenperikope" Mk 12,13-17 und ihre Auslegung im frühen Christentum, 1-43) wirft einen Blick auf die Rezeptionsgeschichte der im Titel genannten Stelle von den späteren Evangelisten Matthäus und Lukas bis hin zu Origenes. Neben zahlreichen wertvollen Einzelbeobachtungen zu den einzelnen Autoren kann er zeigen, dass in der Auseinandersetzung der christlichen Autoren mit der Passage eine durchgehende Akzeptanz des Staates deutlich ist, auch wenn gegen den Kaiserkult Stellung bezogen wird. In seinen Ausführungen zum Thomasevangelium (22-24), wo plötzlich von einer Goldmünze die Rede ist, entgeht ihm allerdings die überzeugende Erklärung dieser Anomalie durch Witetschek. [1]
Winrich Löhr (Herrscher und Untertanen als Philosophen. Justin, Marcus Aurelius und philosophisch-politische Diskurse des zweiten Jahrhunderts, 44-60) zeigt anhand einer durch Justinus Martyr modifizierten Variante einer Aussage Platons (Platon: Herrscher und Philosophen müssen identisch sein, Justin: Herrscher und Beherrschte müssen Philosophen sein), wie dieser Autor die Ideologie der Paideia und Philosophia im Dienste seiner Argumentation einsetzte, um unter den Eliten seiner Zeit für eine Entkriminalisierung des Christentums zu werben.
Jörg Ulrich (Der Kaiser vor Gericht. Zur Umkehrung des Gerichtsszenarios in der "ersten Apologie" Justins, 61-88) untersucht die Konzeption der Apologie Justins, der neben dem Aspekt der Christenprozesse eine weitere Gerichtsszenerie aufbaut, in der die Kaiser selbst vor Gericht stehen und auf das kommende Gericht Gottes hingewiesen werden.
Ferdinand R. Prostmeier (Die sogenannten Imperatoren in der Weltchronik des Theophilos von Antiochia, 89-110) bemüht sich in seinen Ausführungen um die Erfassung und Rekonstruktion der nur über sein Werk Ad Autolycum erhaltenen Chronik des Theophilos. Laut Prostmeier handelt es sich um ein vor allem der Kaiserzeit gewidmetes Werk, als dessen Quellen sich etwa Platon und das Alte Testament greifen lassen und dessen Besonderheiten darin bestehen, den Aufstieg Roms als göttliches Zugeständnis zu deuten und verschiedene historische relevante Vorgänge (wie Alexander den Großen oder die Geschichte des Judentums) nicht zu behandeln.
Christoph Markschies (Politische Dimensionen des homöischen Bekenntnisses? Oder: Ursacius und Valens in Sirmium 359 n.Chr., 111-130) untersucht die Quellen zum Konzil von Sirmium im Jahr 359 n.Chr. [2], fragt nach dem Einfluss der Bischöfe Ursacius und Valens darauf, den er aber als nicht sicher zu beurteilen einordnet, und ordnet die dortigen Ereignisse in den Kontext der Bemühungen des Constantius II., eine christologische Formel zu finden, auf die sich eine möglichst große Zahl an Personen einigen kann, ein.
Silke-Petra Bergjan (Athanasius von Alexandrien. Aristoteles-Lektüre im Nachgang zu den Synoden von Rimini und Seleukia, 131-152) bietet eine Zusammenstellung der aristotelischen Elemente in der Argumentation der Spätschriften des Athanasios.
Barbara Müller (Ruhe von Kirche und Kaiser? Reflexionen zur monastischen Hesychia ausgehend von Athanasius, Vita Antonii 85, 153-178) wirft einen Blick auf das Konzept der hesychia im frühen Mönchtum, das von Athanasios und Antonios noch als damit unvereinbar angesehen wurde, sich aber im späteren vierten Jahrhundert zu einem automatischen Ergebnis der Anachorese und im weiteren Verlauf zu einem aktiv gestalteten Teil des monastischen Lebens entwickelte. [3]
Ekkehard Mühlenberg (Kirchenväter und kaiserliches Recht. Das Beispiel der Epistula canonica Gregors von Nyssa, 179-203) stellt die wichtigsten Informationen zum Inhalt und zur Überlieferungsgeschichte der Epistula canonica des Gregor von Nyssa zusammen, die auch im Rahmen kanonistischer Sammlungen erhalten ist.
Adolf Martin Ritter (Konstantin-Theodosius-Justinian. Anmerkungen zum Bild dreier spätantiker Kaiser in der Darstellung Hermann Dörries', 204-224) stellt die Ansichten des Patristikers Hermann Dörries zu den drei Kaisern zusammen und vergleicht diese mit den Stellungnahmen der modernen Forschung. Da zu allen drei Kaisern nur ein grober Überblick geboten wird, wäre der Beitrag wohl ergiebiger geworden, wenn er sich nur auf Konstantin beschränkt hätte.
Uta Heil (Konstantin und Jerusalem. Theologische Architekturinterpretationen in neueren Veröffentlichungen, 225-248) setzt sich mit der Interpretation von Konstantins Kirchenbauten in Jerusalem in der neueren Literatur auseinander und bezieht gegen die Forschungsbeiträge, die einen starken Einfluss zeitgenössischer theologischer Dispute auf diese Bautätigkeit postulieren, Stellung.
Annette von Stockhausen (Der kommemorierte Kaiser. Das liturgische Gedenken an Theodosius den Großen, 249-267) bietet auf Basis armenischer und syrischer Quellen, die ein liturgisches Gedenken an Theodosius I. bezeugen, einige allgemeine Bemerkungen zum Gedenken an spätantike Kaiser.
Thomas Graumann (Kaiserliche Selbstdarstellung und kirchenpolitisches Handeln. Ein Beitrag zur Frage nach Kirche und Reich unter Theodosius II., 268-304) nimmt die gesetzgeberische Rhetorik des Theodosius II. im Rahmen christologischer Dispute in den Blick und erweist diese als ernstzunehmende Aussagen zur kaiserlichen Selbstdarstellung und Verantwortung gegenüber der Kirche, mit denen sich der Kaiser um eine Übereinkunft mit den Adressaten bemühte.
Volker Henning Drecoll (Leo an Pulcheria, 305-319) bietet eine kritische Überprüfung der beiden Briefe Leos des Großen an die Kaiserin Pulcheria. Seine Ergebnisse sind: Brief Nr. 31 wurde im Mai 449 verfasst, bei Brief Nr. 30 handelt es sich um ein Exzerpt, das die Verurteilung Flavians voraussetzt. Die Argumente von Eduard Schwartz, der Brief Nr. 30 als eine Fälschung erachtete, überzeugen nicht.
Pauline Allen (Church and emperor in the letters of Hormisdas I, bishop of Rome <514-523>. Conflict and negotiation between East and West, 320-336), die den einzigen Beitrag in englischer Sprache beisteuert, wirft einen Blick auf das Verhältnis zwischen Kaiser und Kirche im sechsten Jahrhundert. In Auseinandersetzung mit den Thesen Berkhofs zeigt sie, dass dessen dualisierende Zuweisungen (östliche Kleriker als meditative Denker, westliche Kleriker als tatkräftig und aktiv Handelnde) in dieser Form nicht haltbar sind.
Mischa Meier (Literarische Beziehungen zwischen Johannes Malalas und Prokop?, 337-352), dessen Beitrag nicht so ganz zum Oberthema der Festschrift passen will, kann durch einen Vergleich der Angaben von Malalas und Prokopios über die Gepiden und die Zeit Attilas zeigen, dass (allerdings nicht genau bestimmbare) Beziehungen zwischen beiden Werken feststellbar sind. Als plausibelste Option erscheint ihm der Rückgriff auf die Prokopios-Tradition durch Malalas, was zugleich einen Hinweis auf dessen eigenständigen Gestaltungswillen bietet.
Die Beiträge sind allesamt lesenswert, wenngleich dem Rezensenten als Historiker die unterschiedlichen Ansätze der meist aus kirchenhistorischer bzw. theologischer Perspektive schreibenden Autoren auffielen. Allerdings weist der Band das Problem der meisten Festschriften auf, dass eine Vielzahl von Aufsätzen zu einem (weit gefassten, aber zumindest insgesamt eingehaltenen) Oberthema vorliegt. In diesem Fall beginnt der Band mit dem frühen ersten Jahrhundert und endet mit dem sechsten. Zudem ist er preislich sehr hoch veranschlagt, sodass sich die Anschaffung wohl nur für eine überschaubare Zahl entsprechend spezialisierter Bibliotheken lohnt. Vielleicht wäre ein Band mit Beiträgen zu Athanasios, zu dem Brennecke eine Reihe gehaltvoller Beiträge vorgelegt hat und zu dem dennoch noch viel zu tun ist, die praktischere Option gewesen. [4]
Anmerkungen:
[1] Stephan Witetschek: Ein Goldstück für Caesar? Anmerkungen zu EvThom 100, in: Apocrypha 19 (2008), 103-122, laut dem die Angabe durch die von den Münzreformen Diokletians geprägten Anschauungen des Autors zu erklären ist.
[2] Siehe dazu noch Guy Sabbah: Sozomène et Philostorge: le récit des conciles de 359, in: Philostorge et l'historiographie de l'antiquité tardive, hg. von Doris Meyer, Stuttgart 2011, 119-141 und Pierre Maraval: Les fils de Constantin, Paris 2013, 272-276.
[3] Von Interesse gewesen wäre auch eine Untersuchung des Umgangs der lateinischen Autoren mit den griechischen Vorlagen. So findet sich etwa die 170 zitierte Passage des Sozomenos auch in einer lateinischen Fassung bei Cassiodor: Historia tripartita 1,11,20.
[4] Lediglich einige kleinere Detailfehler waren zu finden: 48, Z. 3 wird durch einen fehlenden Punkt aus zwei Sätzen einer gemacht ("wurden So" statt richtig "wurden. So"); 207, Anm. 11, letzte Zeile wäre zu Girardet "2015" (statt "2016") zu lesen; 342, Anm. 29 und 343, Anm. 35 werden Zeitschriften wie Sammelbände zitiert, was aber in dem Aufsatz nicht konsequent durchgeführt ist (richtig etwa 344, Anm. 38).
Raphael Brendel