Oliver Werner / Detlef Kotsch / Harald Engler (Hgg.): Bildung und Etablierung der DDR-Bezirke in Brandenburg. Verwaltung und Parteien in den Bezirken Potsdam, Frankfurt/Oder und Cottbus 1952-1960 (= Bibliothek der Brandenburgischen und Preußischen Geschichte; Bd. 16), Berlin: Berliner Wissenschafts-Verlag 2017, 320 S., ISBN 978-3-8305-3744-1, EUR 54,00
Inhaltsverzeichnis dieses Buches
Buch im KVK suchen
Bitte geben Sie beim Zitieren dieser Rezension die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.
Tilmann Pohlmann (Hg.): Die LDPD und das sozialistische "Mehrparteiensystem" in der DDR, Göttingen: V&R unipress 2020
Sören Flachowsky: "Zeughaus für die Schwerter des Geistes". Die Deutsche Bücherei während der Zeit des Nationalsozialismus, Göttingen: Wallstein 2018
Sabine Pannen: Wo ein Genosse ist, da ist die Partei! Der innere Zerfall der SED-Parteibasis 1979-1989, Berlin: Ch. Links Verlag 2018
Im Sommer 1952 löste die SED die fünf Länder der DDR auf und bildete 14 Bezirke. Diese Verwaltungseinheiten waren der Regierung in Ost-Berlin unterstellt und sollten ihre Beschlüsse in den Regionen durchsetzen. Mit diesem zentralistischen Aufbau hatte die DDR ihre staatliche Form gefunden, die Bezirke als entscheidendes Gerüst existierten fast 40 Jahre lang. Sie wurden erst mit der friedlichen Revolution im Laufe des Jahres 1990 schrittweise abgeschafft.
Bis auf einige Ausnahmen haben die Bezirke in der DDR-Forschung lange keine große Aufmerksamkeit erfahren. Seit geraumer Zeit aber beschäftigen sich die Historiker vermehrt mit den regionalen Herrschaftsinstanzen, ein Beispiel ist das Forschungsprojekt über "DDR-Bezirke als Akteure zwischen Macht und Ohnmacht" am Leibniz-Institut für Raumbezogene Sozialforschung. Zwei der beteiligten Wissenschaftler, Oliver Werner und Harald Engler, haben nun zusammen mit Detlef Kotsch einen Quellenband zur Gründung und Etablierung der Bezirke in Brandenburg zwischen 1952 und 1960 veröffentlicht.
Am Anfang der Edition stehen zwei einordnende Beiträge der Herausgeber. Harald Engler und Detlef Kotsch beleuchten in ihrem gemeinsamen Aufsatz die Gründungsphase der Bezirke in Brandenburg. Dabei gehen sie nicht nur auf die regionale Situation ein, sondern behandeln auch die Verwaltungsreform als politischen Kontext. Die beiden Autoren beschreiben den Umbau der staatlichen Struktur als ein Projekt, das die SED in den 1950er Jahren regelmäßig umtrieb. Zunächst fehlte die Unterstützung der sowjetischen Besatzungsmacht. Sie stimmte der Reform erst zu, nachdem ihre Deutschlandpolitik mit der erfolglosen Stalin-Note vom 10. März 1952 über ein neutrales Gesamtdeutschland gescheitert war.
Nach der Gründung der Bezirke stießen die Verwaltungen rasch an ihre Leistungsgrenzen. Die SED reagierte auf die mangelhafte Arbeit mit Reformen 1957/58. Neben zusätzlichen Stellen erhielten die Räte der Bezirke vor allem in Wirtschaftsfragen mehr Kompetenzen. Auf diesen Bereich hatten nach Kotsch und Engler auch die sonst zuständigen SED-Bezirksleitungen nur bedingt Einfluss.
Oliver Werner beschäftigt sich in seinem aufschlussreichen Artikel mit den Forschungsperspektiven zu den Bezirken in der DDR. Er plädiert zu Recht dafür, stärker das alltägliche Handeln der staatlichen Mittelinstanzen zu untersuchen. Auf diese Weise könne man deren konkrete Rolle für das staatssozialistische System herausarbeiten. Aufgrund seiner Forschungen sieht Werner in den Bezirken "stabilisierende Ebenen der DDR", die die Schwierigkeiten der zentralen Planwirtschaft "wenn nicht ausgleichen, so doch lange kaschieren konnten" (63). Diese Rolle zeige sich in der Stadtplanung und Baupolitik, bei denen die SED neben zentralen Vorgaben auch auf den eigenständigen Einsatz der Akteure vor Ort setzte.
Der Quellenteil des Bandes versammelt 62 Dokumente. Neben Dokumenten zur Einführung der Bezirke in der DDR befassen sich die meisten Unterlagen mit der Situation in Brandenburg im Jahr 1952. Bei den ausgewählten Akten handelt es sich vor allem um Aufzeichnungen der SED und staatlicher Gremien aus den Beständen des Bundesarchivs Berlin und des Brandenburgischen Landeshauptarchivs.
Das Material ist klug zusammengestellt, lotet es doch die Verwaltungsreform in all ihren Facetten aus. Die Dokumente zeigen, mit welcher Konsequenz die zentralen Instanzen von Partei und Staat bereits die Bildung der Bezirke steuerten, gerade in Personalfragen. Zugleich wird deutlich, dass die neue Ordnung Defizite mit sich brachte. So fehlte es den neu geschaffenen Verwaltungen in den Bezirken und Kreisen an Ressourcen, seien es Gebäude oder fachlich qualifizierte, politisch loyale Mitarbeiter. Dazu erschwerte die administrative Organisation - die Abteilungen waren sowohl dem Rat des Bezirks als auch dem jeweiligen Ministerium unterstellt - die alltägliche Arbeit.
Trotz der augenscheinlichen Defizite einer zentralen Lenkung hielt die SED an der strengen Hierarchie fest. Daran änderten auch die Maßnahmen von 1957/58 nichts Grundlegendes. Die Unterlagen aus dieser Zeit belegen die Engstirnigkeit der SED. Statt die strukturellen Probleme zu lösen, konzentrierte sich die Partei auf die Kontrolle und Schulung der Funktionäre sowie auf ideologische Appelle.
Der Band überzeugt sowohl in seinen einleitenden Beiträgen als auch mit der umsichtigen Auswahl der Quellen zur Entwicklung der mittleren Staatsebene in Brandenburg zwischen 1952 und 1960. Er eignet sich daher als gute Grundlage, die frühe Geschichte der Bezirke in den übrigen Regionen genauer zu analysieren.
Bertram Triebel