Katherine Ludwig Jansen: Peace and Penance in Late Medieval Italy, Princeton / Oxford: Princeton University Press 2018, XXII + 255 S., 34 s/w-Abb., ISBN 978-0-691-17774-8, USD 39,95
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Am 18. November 2013 twitterte Papst Franziskus: "Unsere Sünden zu beichten, verlangt uns etwas ab, aber es bringt uns den Frieden." [1] In diesem Zusammenhang sind Begriffe wie Frieden und Beichte, und damit einhergehend auch Buße, wenig überraschend. Diesen Begrifflichkeiten und Konzepten widmet sich Katherine Jansen in ihrer Arbeit zu Bußkultur und Friedenssicherung in spätmittelalterlichen Stadtkommunen Italiens mit Schwerpunkt auf Florenz. Das Werk, das verschiedene historische Teil- und Nachbardisziplinen fruchtbar miteinander verquickt, reiht sich in die zahllosen Studien zur mittelalterlichen Friedensstiftung der letzten Jahrzehnte ein. Ausarbeiten möchte die Verfasserin, wie die laikale Welt der Kommunen mit ihren Akteuren und Institutionen von religiösen Ideen, insbesondere der Bußpraxis, mitgeformt wurde (4f.).
Nach einer das Thema umreißenden und die Florentiner Geschichte im 13. Jahrhundert skizzierenden Einleitung (1-21) werden in einem ersten Kapitel die Grundlagen und Ausformungen der Buß- und Friedenskultur Kommunalitaliens dargelegt (22-60). Folgenreich waren kirchliche Bestimmungen wie die 1215 im Vierten Laterankonzil festgeschriebene, jährlich abzulegende Beichte sowie die Verpflichtung zur Bußleistung (25f.). Der Aufgabe, Bußpredigten zu halten, die Beichte abzunehmen und Bußstrafen aufzuerlegen, nahmen sich im frühen Duecento die kurz zuvor entstandenen Mendikantenorden an. Die Bettelbrüder schickten sich unverzüglich an, die von Händel gespaltenen Kommunalgemeinschaften durch Predigt und Seelsorge zu befrieden. Frieden (pax) war und ist indes ein polyvalenter Begriff. Im Spätmittelalter griff man die Auslegung Augustinus' auf, der Frieden als "Ruhe der Ordnung" begriffen hatte. Man meinte, eine gestörte Ordnung durch das Sakrament der Buße wiederherstellen zu können (27-29) - auch deshalb kamen Buß- und Friedensbewegungen auf. Die wichtigsten dieser von Laien oder Predigerbrüdern angeführten Gruppierungen werden in chronologischer Abfolge in nuce abgehandelt (38-58): von der Halleluja-Bewegung von 1233 in Norditalien über die Flagellanten Perugias von 1260, die Piemonteser Battuti von 1310, die nach Rom gelangten Colombini von 1355, über die 1399 in Mittelitalien auftauchenden Bianchi bis hin zu Friedensbewegungen im frühen Quattrocento. Oftmals stehen freilich bloß hagiographische oder historiographische Texte zur Verfügung, um die Motivationen der Beteiligten und die von den Anführern gepredigten Ideale zu erschließen. Diese religiös motivierten Zusammenschlüsse besaßen indes nicht selten politische Auswirkungen, konnten sie in den Stadtkommunen doch mitunter Statutenrevisionen oder den Austausch von Führungspositionen nach sich ziehen.
Im zweiten Kapitel (61-86), das sich wie die beiden folgenden auf Florenz konzentriert, analysiert Jansen drei Werke - nämlich das Oculus pastoralis betitelte Podestà-Handbuch aus den 1220-30ern, den in den 1260er Jahren im französischen Exil verfassten Livre du tresor des Notars Brunetto Latini sowie die Predigten und Traktate des bei Thomas von Aquin ausgebildeten und um 1300 in seiner Heimatstadt Florenz wirkenden Dominikaners Remigio dei Girolami. Es handelt sich um Reaktionen auf die von Fehden, Parteienhader und Vendetten geprägte Umwelt der Urheber, die Einblick in das damalige Verständnis der durch Eintracht und Recht zu erreichenden Friedensdurchsetzung gewähren.
Pax konnte jedoch nicht nur das bezeichnen, was man unter Frieden verstand, sondern auch ein konkretes Rechtsinstrument. Die Auswertung dieser instrumenta pacis aus Florenz für den Zeitraum von 1257 bis 1343, die sich in den Notarsimbreviaturen des Fondo notarile Antecosimiano im Staatsarchiv Florenz befinden, bilden das Kernstück der Studie (87-158). Aus diesem knappen Jahrhundert haben sich 526 solcher, von 90 verschiedenen Notaren aufgezeichneter Friedensvereinbarungen erhalten, in denen sich Ideen der Buße und der kommunalen Rechtskultur manifestierten (87f.). Es handelt sich dabei um Abkommen zweier Konfliktparteien, mit denen man eine Rechtsstreitigkeit beilegte. Diese beschränken sich zumeist auf wenige Bestandteile wie Namen der Streitenden, gegenseitige Versprechen, Auflistung der Sanktionen bei Vertragsbruch sowie - in über 80% des Bestandes - die Angabe, dass ein Friedenskuss die Vereinbarung besiegelte. Wie zuletzt jüngere Studien [2] kann auch die Verfasserin überzeugend nachweisen, dass diese lange als "privat" bezeichneten und als eine Schwäche des kommunalen Rechtssystems ausgelegten Kontrakte vielmehr integraler Bestandteil eben jener Rechtsordnung waren. Treffend bezeichnet sie selbige daher als "infra-justizielle" Schlichtungsinstrumente (90f.). Diese Form der außergerichtlichen Konfliktbeilegung wurde vornehmlich zwischen Streitparteien gewählt, die in unmittelbarer Nachbarschaft lebten. In den meisten Fällen verzichtete man bewusst darauf, ein Schuldeingeständnis zu registrieren. Der Eigenart der Abmachungen ist es geschuldet, dass sie kaum Informationen über den Disput, das Zustandekommen oder die daran Beteiligten wie Petenten oder Prokuratoren liefern. Zahlreiche Vergehen ließen sich mit einer solchen Friedensvereinbarung wiedergutmachen, darunter Körperverletzung (57% aller Fälle), Diebstahl (26 Fälle) oder Ehebruch (2 Beispiele) (106-128). Wiederholungstäter sind selten, was für die Nachhaltigkeit des Instruments spricht. Sogar Fehden und Vendetten ließen sich mit ihnen beenden (34 Fälle), ebenso Verbannungen aufheben (76 Fälle) (129-151). Es war daher offenbar eine bewusste Taktik, einem Prozess fernzubleiben und schweren Strafen zu entgehen, um sich anstatt dessen außergerichtlich vor einem Notar günstigere Konditionen zu weitaus niedrigeren Kosten zu sichern.
Das Schlusskapitel widmet sich Ritualen und bildlichen Darstellungen von Friedensschlüssen (159-203). Während eine in San Gimignano gegen die Salvucci verhängte Strafe verdeutlicht, dass auch lang andauernde, in der Öffentlichkeit ausgetragene, zugleich als Buße begriffene Sanktionen als Mittel der Konfliktlösung dienten (173-184), ließen sich andere Unstimmigkeiten qua Heiratsallianzen beenden (184-188). Anhand künstlerischer Verarbeitungen aus Mittelitalien kann die Verfasserin aufzeigen, wie Friedensengel und Friedenskuss unverzichtbare Bestandteile der Ikonographie des Friedensschlusses darstellten (188-203).
Mit Hilfe eines kombinierten Personen-, Orts- und Sachregisters (243-253) lässt sich das Buch erschließen. Eindrucksvoll entfaltet Jansen unter Rückgriff auf zahlreiche Quellentypen, was man im spätmittelalterlichen Italien unter Frieden verstand, mit welchen Instrumentarien man diesen zu erreichen und bildlich darzustellen versuchte. Der Leser trifft auf vor Gewalt nicht zurückschreckende Diebe, Lebensmittel um sich werfende Frauen oder auch ruchlose Entführer in der Florentiner Gesellschaft. Dass die eine oder andere Frage unbeantwortet bleibt - etwa, ob ein qualitativer Unterschied zwischen den instrumenta pacis bestand, in denen der Friedenskuss registriert wird, und solchen, in denen dies nicht der Fall ist -, schmälert dabei keineswegs die Leistung der Autorin dieser lesenswerten Arbeit.
Anmerkungen:
[1] https://twitter.com/pontifex_de/status/402440745044279297 (22. Februar 2019).
[2] Etwa Glenn Kumhera: The Benefits of Peace. Private Peacemaking in Late Medieval Italy (= The Medieval Mediterranean; 109), Leiden 2017; Shona Kelly Wray: Instruments of Concord. Making Peace and Settling Disputes through a Notary in the City and Contado of Late Medieval Bologna, in: Journal of Social History 42 (2009), 733-760.
Giuseppe Cusa