James W. Pardew: Peacemakers. American Leadership and the End of Genocide in the Balkans, University Press of Kentucky 2018, XVIII + 400 S., 6 Kt., 32 s/w-Abb., ISBN 978-0-8131-7435-8, USD 39,95
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Pia Molitor: Partner in der Führung. Die Deutschlandpolitik der Regierung Bush/Baker als Faktor amerikanischen Machterhalts, Paderborn: Ferdinand Schöningh 2012
Ray Takeyh / Steven Simon: The Pragmatic Superpower. Winning the Cold War in the Middle East, New York: W.W. Norton & Company 2016
Charles Gati (ed.): Zbig. The Strategy and Statecraft of Zbigniew Brzezinski, Baltimore / London: The Johns Hopkins University Press 2013
Philipp Scherzer: Neoconservative Images of Europe. Europhobia and Anti-Europeanism in the United States, 1970-2002, Berlin: De Gruyter 2022
Mit dem Ende des Kalten Krieges wurden glänzende Zukunftsaussichten erwartet. Die Tür ins 21. Jahrhundert sollte aufgestoßen und "[e]in neues Zeitalter der Demokratie, des Friedens und der Einheit" [1] geschaffen werden, wie es in der "Charta von Paris" vom 21. November 1990 hieß. Das Ende der Ost-West-Konfrontation brachte jedoch auch neue Herausforderungen für die internationale Gemeinschaft mit sich. Vor allem Zerfallsprozesse in ehemaligen Ostblockstaaten zogen bewaffnete Konflikte nach sich. Die postjugoslawischen Kriege stehen beispielhaft für diese Entwicklung.
Wie diese schließlich beigelegt werden konnten, zeigt der ehemalige US-Offizier und Diplomat James W. Pardew bereits im Titel seines autobiografischen Buches auf: "American Leadership" sei letztendlich der Schlüssel des Erfolgs gewesen, so These und Schlussfolgerung des Autors. Erst das Engagement der USA ab 1995 hätte das Führungsvakuum bei der Bewältigung der Konflikte im ehemaligen Jugoslawien ausgefüllt. Aggressive Diplomatie, multilaterale Kooperation und der selektive Einsatz militärischer Gewalt hätten schließlich die humanitären Krisen auf dem Balkan beendet und den Staaten Südosteuropas eine Entwicklungsperspektive "in the European mainstream" gegeben. (346) Diese dominante amerikanische Sichtweise des Autors zieht sich durch sein Buch und führt zu Charakteristika, auf die später noch einzugehen ist.
Pardew macht von vornherein deutlich, dass es ihm darum geht, von seinen Erlebnissen als Diplomat, den Ereignissen, den beteiligten politischen Führern sowie den Entscheidungsprozessen im Zeitraum von 1995, dem Jahr des Abkommens von Dayton, bis zur Gründung des Kosovo im Jahr 2008, zu berichten. Obwohl ihm die Unterschiede und Unberechenbarkeiten der verschiedenen Konflikte bewusst sind, möchte er mit diesem Buch, in dem er die internationalen diplomatischen Bemühungen in Bosnien, im Kosovo und in Mazedonien untersucht, gemeinsame Themen und Techniken zur Bewältigung solcher Krisen identifizieren. Seine Tagebücher dienen ihm dabei als Grundlage für die Wiedergabe von Gesprächen, Treffen und Entscheidungen. Pardew verzichtet jedoch nicht gänzlich auf andere Belege. Vor allem Zeitungsartikel, aber auch veröffentlichte Quellen und etwas Literatur dienen als Nachweise. Von einer Kontextualisierung im Sinne einer wissenschaftlichen Methode kann allerdings keine Rede sein.
Das gut lesbare Buch verfügt über ein Register, einige Karten und vor allem über ein Abkürzungsverzeichnis, welches sich angesichts der vielen verschiedenen Akteure als sehr hilfreich erweist. Die Gewichtung der einzelnen Punkte wird im Inhaltsverzeichnis schnell sichtbar. Die ersten drei seiner insgesamt fünf Kapitel widmet Pardew Bosnien-Herzegowina, das vierte Kapitel setzt sich mit der Konfliktlösung im Kosovo auseinander, während sich das fünfte und letzte Kapitel dankenswerter Weise mit Mazedonien befasst. Durch Krieg, humanitäre Krisen und das massive internationale Engagement fokussieren andere Publikationen meist auf Bosnien und das Kosovo. Rasch wird dabei übersehen, wie instabil Mazedonien tatsächlich war. Dort gelang es der internationalen Gemeinschaft, vertreten durch die Sondervermittler François Léotard für die Europäische Union und James Pardew für die USA, den Ausbruch eines Bürgerkriegs zu verhindern und das Land schließlich langfristig zu stabilisieren.
Die Stärke von Pardews Erzählung ist sicherlich der spannende Blick hinter die Kulissen internationaler Konfliktbewältigung. Indem der Autor ein detailliertes und lebendiges Bild vom Einfluss zwischenmenschlicher Beziehungen nicht nur unter den Akteuren verschiedener Staaten und Institutionen, sondern auch unter den Akteuren etwa derselben Regierung, zeichnet, vermag er manche Entwicklungen aus einem anderen Blickwinkel betrachten zu helfen. Schlaglichtartig erfährt der Leser, welchen Einfluss der Charakter eines solchen Akteurs, inner- und interstaatliche Netzwerke, aber auch Zufälle auf die internationale Sicherheitspolitik haben können. Außerdem gewährt das Buch bemerkenswerte Einsichten in den außenpolitischen Instrumentenkasten eines US-Diplomaten. Die oben erwähnte Dominanz der amerikanischen Perspektive lässt die Leserschaft gleichzeitig an dieser Sichtweise teilhaben. Auf diese Weise trägt die Studie zum besseren Verständnis US-amerikanischen Akteursverhaltens bei.
Die teilweise einseitige amerikanische Perspektive stellt gleichzeitig auch die wesentliche Schwäche des Buches dar. Zentrale Entwicklungen werden ausgeblendet bzw. nicht behandelt. Anscheinend weisen die Tagebücher des Autors den Weg des Erzählstrangs. Ein darüber hinaus reichender analytischer Orientierungspunkt ist nicht erkennbar. In der Folge oszilliert die Arbeit dann auch zwischen einer hochdichten Erzählung und großen Zeitsprüngen, in denen zum Verständnis des Konfliktbewältigungsprozesses wichtige Ereignisse übergangen werden. So widmet Pardew dem Zeitraum zwischen dem Ausbruch des Luftkriegs der NATO gegen Jugoslawien am 24. März 1999 bis zum Signal ernsthafter Belgrader Verhandlungsbereitschaft am 31. Mai 1999 kaum vier Seiten. Weder der von der deutschen Bundesregierung initiierte Friedensplan, die Verhandlungen über diesen Plan in NATO und EU noch der Washingtoner NATO-Jubiläumsgipfel Ende April 1999 finden überhaupt statt. Die Behauptung "Chernomyrdin, Ahtisaari und Talbott hammered out an agreement [...]. These conditions were accepted by the G8 foreign ministers [...] at their meeting in Germany in early May" (227) trifft so nicht zu. Tatsächlich brachte das Auswärtige Amt die fünf Kernelemente eines Friedensplans bereits Ende März 1999 in die Runde der fünf größten NATO-Staaten ein. Danach wurde der Plan verfeinert und innerhalb von NATO und EU abgestimmt. Anfang Mai erfolgte, vor allem auf deutsches Betreiben, die Einbindung Russlands über die G8 und Moskaus Zustimmung zum Friedensplan. Erst danach schlug der deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder, in seiner Rolle als EU-Ratspräsident, Martti Ahtisaari als drittes Mitglied der Sondervermittler-Troika vor. [2] Danach widmet Pardew die gleiche Seitenanzahl nur wenigen Tagen. Ursächlich dafür scheint seine eigene Beauftragung mit der Aushandlung eines Militärisch-Technischen-Abkommens (MTA) zu sein. Die Schilderung lässt aber völlig unerwähnt, dass die zentralen Bedingungen eines Waffenstillstands bereits seit Monaten auf höchster Ebene zwischen den NATO-Staaten verhandelt wurden. Vielmehr entsteht hier fast der Eindruck, der Autor selbst habe die Bedingungen für die Einstellung der Luftangriffe mit seinem jugoslawischen Gegenüber abgestimmt. Dieses Ungleichgewicht der Erzählung, die gelegentlich starke Verkürzung von Abläufen und die fehlende Kontextualisierung wichtiger Stationen des politischen Prozesses führt dann auch immer wieder zu Fehlern in der zeitlichen Abfolge und vermittelt ein verzerrtes Bild der geschilderten Ereignisse.
Im Kern ging es Pardew jedoch darum, seine eigenen beruflichen Erfahrungen und Erlebnisse im Rahmen einer autobiografischen Erzählung zu vermitteln. Mit bekannten Argumenten, die für eine amerikanische Führung in solchen Konflikten sprechen, wie etwa die Rolle der NATO und der Einsatz des US-Militärs, gibt er ein starkes Plädoyer für die amerikanische Perspektive ab. Zwar vermittelt das Buch keine grundlegend neuen Erkenntnisse hinsichtlich des amerikanischen Akteursverhaltens auf dem Balkan. Auch die bekannte Sichtweise auf die US-amerikanische Außen- und Sicherheitspolitik verändert sich nicht wesentlich durch dieses Werk, das freilich hilft, die amerikanische Perspektive und einige dafür wesentliche Mentalitäten besser kennen- und verstehen zu lernen.
Anmerkungen:
[1] KSZE-Gipfeltreffen in Paris (19.-21. November 1990). Die "Charta von Paris für ein neues Europa" vom 21. November 1990. Erklärung des Pariser KSZE-Treffens der Staats- und Regierungschefs. In: Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland. Dokumente von 1949 bis 1994, hrsg. vom Auswärtigen Amt, Köln 1995, Dok. 253, 757.
[2] Hans-Peter Kriemann: Der Kosovokrieg 1999, Ditzingen 2019, 77-80, 91-93.
Hans-Peter Kriemann