«Vera amicitia praecipuum munus». Contributi di cultura medievale e umanistica per Enrico Menestò (= Fuori collana Fondazione Franceschini; 22), Firenze: SISMEL. Edizioni del Galluzzo 2018, VII + 237 S., 25 s/w-Abb., ISBN 978-88-8450-909-3, EUR 35,00
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Julia McClure: The Franciscan Invention of the New World, Basingstoke: Palgrave Macmillan 2017
Amir Dziri / Angelica Hilsebein / Mouhanad Khorchide u.a. (Hgg.): Der Sultan und der Heilige. Islamisch-Christliche Perspektiven auf die Begegnung des hl. Franziskus mit Sultan al-Kamil (1219-2019), Münster: Aschendorff 2021
Ruth Meyer (ed.): Alberti Magni Opera Omnia. Tomus XX, Pars I. Super Threnos. Super Baruch, Münster: Aschendorff 2019
Ein kleiner Kollegen- und Schülerkreis widmet Prof. Enrico Menestò zum 70. Geburtstag diese acht Studien aus tiefer Freundschaft. Sie stehen alle mit den editorischen Leistungen oder Vorhaben des Geehrten in Beziehung.
Mit einem Überblick, wie Jesus Sirach 6,14 und 16 im lateinischen Mittelalter zitiert und angewendet wird, beginnt Giuseppe Cremascoli, "Amicus fidelis protectio fortis, [...] medicamentum vitae". Sir 6, 14 e 16 nella latinità medievale (3-20). Das Buch Jesus Sirach charakterisiert in Kapitel 6 die wahre und die falsche Freundschaft und umreißt so das komplexe Bild der Vielfalt menschlicher Situationen und Beziehungen. Der Prediger ermahnt zur Vorsicht bei der Wahl der Freunde. Als solche können nur jene gelten, die sich in Schwierigkeiten bewährt haben. Eine klare Maxime lautet: "Wenn du einen Freund gewinnen willst, gewinne ihn durch Erprobung und vertrau ihm nicht zu schnell" (Sir 6,7). "Ein treuer Freund ist eine Arznei des Lebens" (Sir 6,16) steht bei Alred von Rivaulx im Zentrum seiner Schrift De spiritali amicitia, in der auch Gedanken Ciceros und Augustins anklingen. Um Schwierigkeiten und Beweise der Freundschaft geht es bei Lukas von Túy, Cyprian von Carthago, Thomas von Aquin und Bonaventura, der in seinem Kommentar zum Lukas-Evangelium die Mahnung Jesu: "Macht euch Freunde mit dem ungerechten Mammon, damit, wenn es zu Ende geht, ihr in die ewigen Wohnungen aufgenommen werdet" (Lk 16,9) im Rückgriff auf das Gesetz der treuen Freundschaft in Sir 6,14-16 erklärt. Insgesamt stellt Cremascoli bei den christlichen Interpreten eine Vertikalisierung der Freundschaft fest, insofern die beim Weisheitslehrer horizontal verstandene und gepriesene Freundschaft auf Christus als den wahren Freund hinausläuft, der sein Leben für uns gegeben hat, so bei Paulinus von Nola und Antonius von Padua. Der Aufsatz legt die Basis für weitere vergleichende Studien.
Im zweiten, auf Latein geschriebenen Beitrag spürt Antonius Placanica einer älteren Lebensbeschreibung (Vita) des hl. Syrus, Bischof von Genua, nach und ediert sie auf der Basis von sechs Textzeugen samt stemma codicum (49): Vita sancti Syri Genuensis episcopi antiquior (B.H.L. 7973) (21-81). Sie ist umso bedeutender, als Jacobus von Voragine in seiner Chronik Genuas von den Ursprüngen bis 1292 für die ersten Bischöfe zwar Namen, aber keine genauen Jahreszahlen nennen kann. Über die heiligen Bischöfe Genuas sind drei aus der Zeit vor Voragine stammende Werke auf uns gekommen und in den Acta Sanctorum veröffentlicht: eine Predigt über den hl. Valentin, ein Leben des hl. Romulus und ein Leben des hl. Syrus, das Boninus Mombritius aus einem unbekannten Exemplar und später Daniel Papebroech aus Mombritius sowie einer weiteren Handschrift veröffentlicht hat und das hier Gegenstand der quellengesättigten Untersuchung ist.
Zur ältesten am gleichen Ort gebliebenen Bibliothek führt uns Massimiliano Bassetti, Da Pacifico a Raterio: scriptorium, biblioteca e scuola a Verona tra IX e X secolo (83-110 + XVII Tafeln). Es ist die 517 vom Lektor Ursicinus begonnene Sammlung an der Kathedralkirche zu Verona, heute Biblioteca Capitolare, mächtig gewachsen durch den Erzdiakon Pacificus, der ein scriptorium einrichtete und korrigierend überwachte, und durch den Bischof Rather, der "nasum semper tenet in libro" (105), nicht nur aus Wissbegierde, sondern auch, weil er, dreimal vom Bischofssitz in Verona vertrieben, in der Rechtstradition nach Leitlinien für sein Verhalten suchte.
Nachdem Stefano Brufani 2013 die größere Sammlung der Sprüche (Dicta) des Ägidius von Assisi kritisch ediert hat, nimmt er hier Le collezioni minori dei Dicta (111-148) unter die Lupe: eine mit dem Incipit Previde verba (14 Codices), die andere mit dem Incipit Ut possis assequi (4 Codices des Sacro Convento) und eine dritte präsent in Überlieferungen der Compilatio Avenionensis. Auf den Vergleich aller Textzeugen folgt die kritische Edition. Unsicher bleibt, ob es Bruder Leo war, der Ägidius' Dicta aufgeschrieben hat.
Einen Blick in das literarische Werk Jacopones von Todi wirft Lino Leonardi, La lauda della coscienza (149-160). Da Menestò 2015 die Verba in Prosa kritisch ediert hat und Leonardi selbst die Lauden-Dichtung noch zu edieren beabsichtigt, vergleicht er das Verbum VIII, De conflictu rationis et conscientiae, mit der Laude O conscientia mia und ediert sie auf der Basis von 19 Codices.
Mehrfach beschäftigte sich Menestò auch mit der Augustiner-Nonne Klara von Montefalco (gestorben 1308), deren Heiligsprechung unter Johannes XXII. scheiterte und erst 1881 zum Ziel gelangte. Ihrer prophetischen Mystik gewinnt Francesco Santi eine neue Seite ab: Chiara da Montefalco e la resurrezione in clausura (161-176).
Im vorletzten Beitrag begibt sich Emore Paoli Sulle tracce di Fra Elemosina: il Leggendario perduto del convento di S. Francesco di Gualdo Tadino e il dossier di san Facondino (177-209). Studien von François Dolbeau und Isabelle Heullant-Donat weiterführend, schreibt er das Legendar von S. Francesco in Gualdo Tadino dem Bruder Elemosina zu, der 1328 in jener Stadt gewirkt hat, und untersucht die Beziehungen des Dossiers (Ystoria und Legenda) des hl. Facondin, Bischof von Tadino, zu jenem Franziskaner.
Zum Schluss bietet Mauro Donnini Annotazioni sulla "Feltrias" del minorita perugino Ippolito Fantozzi Delfico (211-237). Dieser Humanist griff in seiner Dichtung auf Virgil, auf Träume, Mythen und alte Redefiguren zurück, die ihn anderen Dichtern ebenbürtig machten, sich aber kaum auf das umbrische Franziskanertum auswirkten.
Die in ihrer Kürze feine Presentazione (VII), wohl von Brufani verfasst, und die acht Studien von hohem Niveau machen das Buch auch ohne eine Bio-Bibliographie Menestòs zu einer Festschrift, die des Geehrten würdig ist. Seine Forschungsschwerpunkte wie Quellenkritik, handschriftliche Überlieferungen, kritische Editionen, Geschichte der Studien und Bibliotheken sind getroffen. Auch von deutscher Seite alle guten Wünsche zum achten Lebensjahrzehnt!
Leonhard Lehmann