Nadine Amsler: Jesuits and Matriarchs. Domestic Worship in Early Modern China, Seattle: University of Washington Press 2018, XIV + 258 S., 15 s/w-Abb., 2 Kt., ISBN 978-0-295-74380-6, USD 30,00
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Nadine Amsler legt eine besondere Art der Geschichte der chinesischen Jesuitenmission vor: Sie betrachtet katholische Frauen und ihre religiösen Netzwerke im frühneuzeitlichen China vor dem Hintergrund der dortigen Jesuitenmission. Amslers Blick auf nicht-europäische Frauen in der katholischen Kirche ist innerhalb der Forschung zur Missionsgeschichte relativ neu. Viel ist geschrieben worden zur weltumspannenden Missionstätigkeit der Jesuiten, viel ist auch gearbeitet worden zu ihrem Wirken in China. [1] Weit weniger bekannt sind die Perspektiven "der anderen", der jeweils einheimischen Bevölkerung auf das jesuitische Wirken, etwa die Blickwinkel von Frauen, konkret von Frauen im China der späten Ming- und beginnenden Qingzeit. Hier setzt die Autorin an und schließt eine wichtige Forschungslücke.
Amslers nun auf Englisch vorliegende Dissertationsschrift zeigt, wie der von den Jesuiten vermittelte Katholizismus auf chinesische Frauen der Oberschicht wirkte und von ihnen gelebt wurde. Der Fokus der Arbeit liegt auf dem Vorgehen der Jesuiten angesichts der besonderen Bedingungen vor Ort in China, etwa des Geschlechter-Rollen-Verständnisses, der Religion, etc. So liefert Amsler nicht nur einen Beitrag zur Geschichte der Jesuitenmission in China, sondern stellt vor allem auch jene vor, die - wie in der Zusammenfassung noch einmal konzise herausgearbeitet wird - sonst wenig zu Wort kommen: Frauen in der Geschichte des frühneuzeitlichen Katholizismus (156).
Das klug aufgebaute Buch umfasst neun Kapitel und schließt mit einer Zusammenfassung, an die ein ausführliches Quellen- und Literaturverzeichnis, ein chinesisches Glossar sowie ein Index anschließen. Zahlreich sind die herangezogenen Quellen, sie lassen auf Recherchen in diversen einschlägigen Archiven und Bibliotheken schließen. Nach einer Einleitung, die in Betrachtungsort und -zeit einführt, nimmt Amsler im ersten Kapitel die Leserschaft mit in jenes China, das jesuitische Missionare seit dem ausgehenden 16. und vor allem im 17. Jahrhundert vorfanden. Dabei erklärt sie in verständlicher und eingängiger Weise, auf welche Probleme die Jesuiten bei ihrer Missionstätigkeit dort stießen. Die Missionare hatten bald erkannt, dass es für ihren Zugang zur konfuzianischen Elite des Landes förderlich war, sich an sie anzupassen, zu allererst durch ihr Äußeres. So kleideten sich jesuitische Missionare nicht mehr wie zuvor in der Art buddhistischer Mönche, sondern wie chinesische Gelehrte, die die Lehren Konfuzius' befolgten. Als solche - so wird im zweiten Kapitel deutlich - konnten sie jedoch keinen direkten Kontakt mehr zu Frauen der Oberschicht aufnehmen (35). Ein wichtiges Phänomen, das alle Schichten der chinesischen Bevölkerung durchzog und sich insbesondere als bauliche Abtrennung expliziter Frauenbereiche in der Architektur widerspiegelte, war die räumliche Trennung der Geschlechter (33/34). Sie fand ihren Niederschlag auch in den Berichten der Missionare. Der Fokus der jesuitischen Beschreibungen lag vor allem auf Frauen aus adeligen und Gelehrtenfamilien und konzentrierte sich auf das konfuzianische Ideal. Auch wenn die Missionare erkannt hatten, dass die weibliche Abgeschlossenheit überwiegend ein Phänomen der Eliten war, so beschrieben sie mit Ausnahme eines Autors doch allesamt Frauen innerhalb dieser Schicht (44-46) und schilderten, dass diese Räume der Frauen eine Verehrung wie heilige Orte erfuhren. Der Jesuit Alvaro Semedo beschrieb die Frauenräume gar als "Gegenwelt" zu jener der Männer (42).
Im vierten Kapitel gibt die Autorin Einblicke in chinesische Heiratskonventionen und weshalb sie eine große Herausforderung für den Missionserfolg der Jesuiten darstellten, bevor sie im fünften Kapitel wichtige Grundlagen für das Verständnis des Interesses chinesischer Frauen am Katholizismus legt. Die katholische Verehrung der Mutter Gottes, insbesondere das Gebet um Nachwuchs, war chinesischen Frauen nicht völlig fremd, hatte dieser Kult doch im "Son-Granting Guanyin" eine chinesische Entsprechung. Mit dem darauffolgenden Kapitel "Domestic Communities" nähert sich Amsler dem eigentlichen Schwerpunkt ihrer Untersuchung. Hier gibt sie Einblicke in den Alltag chinesischer katholischer Frauen, der sich deutlich von der religiösen Praxis ihrer europäischen Zeitgenossinnen unterschied. Ihre Glaubensausübung war, bedingt durch nur sehr unregelmäßige Besuche eines Priesters, anders ausgerichtet. So riefen die Frauen häusliche Kongregationen ins Leben, die sich auf den ersten Blick nicht allzu sehr von Versammlungen buddhistischer Prägung unterschieden (102). Die häufige Abwesenheit von Priestern war es auch, die die religiöse Autonomie und agency der Frauen förderte (112). Für die Ausübung ihres neu erworbenen Glaubens bildeten sie Netzwerke. In diesem Kapitel wird einmal mehr deutlich, dass sich weiblicher Katholizismus im frühneuzeitlichen China im häuslichen Bereich abspielte.
Um weibliche religiöse Netzwerke in den von ihnen ausgebildeten - realen wie metaphorischen - religiösen räumlichen Strukturen geht es auch im anschließenden Kapitel, wo Amsler das Beispiel der Frauen der Familie Xu aus Shanghai herausgreift. Diese einflussreichen Frauen wurden zu Kristallisationspunkten neuer katholischer Frauengemeinschaften, die - entgegen der chinesischen Tradition - auch nach ihrer Eheschließung in engem Kontakt zu ihrer Ausgangsfamilie blieben und so ein christliches Netzwerk auch über unterschiedliche Orte hinweg bildeten, wo sie ihrerseits durch Gründung häuslicher Oratorien und Kongregationen für eine Weiterverbreitung des katholischen Glaubens sorgten. Hier zeigt sich die Eigenschaft des chinesischen Katholizismus als vorwiegend familiäre Religion mit sehr starken matrilinealen Banden (117-122). Dies bildet die grundlegende Annahme von Amslers Studie, die die Frauen in ihrer Bedeutung für die Verbreitung und Etablierung des katholischen Christentums in China gewissermaßen neben die Missionare stellt, was sich bereits im Titel ausdrückt. Diese These unterstreichend eröffnet das letzte Kapitel noch einmal ein neues Feld: Eine besondere Art der materiellen Unterstützung der jesuitischen Missionsbemühungen durch chinesische Katholikinnen, die nicht nur in der angesehenen Aufgabe bestand, Kaseln und Antependien für den liturgischen Dienst zu besticken, sondern insbesondere in der finanziellen Unterstützung der Mission, konkret einzelner Jesuiten wie auch lokaler katholischer Gemeinden. Amsler zeigt anschaulich auf, dass ohne die Unterstützung einflussreicher adeliger Frauen der Erfolg der Jesuiten in China anders ausgefallen wäre - eine Tradition religiöser Patronage, auf die die Gesellschaft Jesu auch in Europa zurückgreifen konnte (144).
Für Untersuchungen zum Wechselspiel von Religion und Geschlechterbeziehungen im frühneuzeitlichen China ist die Arbeit grundlegend. Indem sie den Blick auf eine außereuropäische Region lenkt, leistet die Autorin einen Beitrag zur Missionsgeschichte und zeigt gleichzeitig, wie Fragen und Methoden der gender studies und der historischen Raumforschung fruchtbar gemacht werden können. Dass diese klug konzipierte, konzise Darstellung dabei durchweg in angenehmer Sprache gehalten ist, rundet das gelungene Werk ab.
Anmerkung:
[1] Zum Beispiel Claudia von Collani: Von Jesuiten, Kaisern und Kanonen. Europa und China - eine wechselvolle Geschichte, Darmstadt 2012.
Monika Frohnapfel-Leis