Rezension über:

Joshua Teplitsky: Prince of the Press. How One Collector Built History's Most Enduring and Remarkable Jewish Library, New Haven / London: Yale University Press 2019, XIV + 317 S., 34 s/w-Abb., ISBN 978-0-300-23490-9, USD 35,00
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Rezension von:
Julia Schneidawind
Historisches Seminar, Ludwig-Maximilians-Universität München
Redaktionelle Betreuung:
Sebastian Voigt
Empfohlene Zitierweise:
Julia Schneidawind: Rezension von: Joshua Teplitsky: Prince of the Press. How One Collector Built History's Most Enduring and Remarkable Jewish Library, New Haven / London: Yale University Press 2019, in: sehepunkte 20 (2020), Nr. 1 [15.01.2020], URL: https://www.sehepunkte.de
/2020/01/32979.html


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Joshua Teplitsky: Prince of the Press

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Die Bibliothek David Oppenheims (1664-1736) zählte nicht nur zu den beeindruckendsten Privatbibliotheken ihrer Zeit, sondern gilt noch heute mit ihren 4500 Bänden und etwa 1000 Handschriften als eine der wertvollsten Judaica- und Hebraica-Sammlungen überhaupt. Sie ist als Teil der Bodleian Library an der Universität Oxford erhalten geblieben.

Joshua Teplitisky stellt in seiner Monographie "Prince of the Press" die Entstehung dieser einzigartigen Sammlung und ihren Schöpfer in den Kontext der jüdischen Kulturgeschichte Europas in der Frühmoderne. Dabei zeigt er auf, wie diese Bibliothek auch als Instrument politischer, religiöser und kultureller Autorität verstanden werden kann. Die Sammlung erfuhr sowohl in jüdischen aber auch nicht-jüdischen Gelehrtenkreisen große Anerkennung. Sie stand im Zentrum eines transnationalen Netzwerks, in welchem sich Oppenheim als Schriftgelehrter, Landesrabbiner von Böhmen und Mähren, sowie als späterer Oberrabbiner von Prag für die Interessen der jüdischen Gemeinden einsetzte. Seine Bibliothek diente zum einen nach außen als Symbol seines Wissens und profitierte zum anderen von der ihm erwiesenen Wertschätzung, die sich nicht selten in Buchgeschenken äußerte und so zum steten Wachstum der Bibliothek beitrug. Sein über die Grenzen Europas bis in die Levante reichender Ruhm brachte Oppenheim schließlich auch den Beinamen "Prinz von Jerusalem" ein, der in den Titel der Publikation mit eingeflossen ist. Der Name selbst, Oppenheim, fehlt hingegen im Titel und Untertitel. In Anbetracht bisher fehlender Arbeiten zur Sammlung und sowie zu Oppenheim verwundert diese Auslassung ein wenig.

Die Monographie von Joshua Teplitsky gliedert sich in fünf Hauptkapitel, denen eine Einleitung voran- und ein Epilog nachgestellt werden.

Im ersten Kapitel stehen der familiäre Hintergrund und die Sozialisation Oppenheims im Vordergrund, der 1664 in Worms in eine wohlhabende jüdische Familie geboren wurde. Zudem werden seine Sammeltätigkeit, -strategien, -schwerpunkte und Bezugsquellen, sowie der erhaltene Katalog thematisiert, der eine wertvolle Quelle für diese Sammlung darstellt. Leider finden jedoch gerade die Buchhändlerkontakte Oppenheims nur kurze Erwähnung.

Das zweite Kapitel widmet sich der Sammlung mit Blick auf deren Bedeutung für Oppenheims Außenwirkung als Gelehrter und seine Handlungsspielräume. Dem Autor zufolge war es gerade die Sammlung, die ihm neben seinem sozialen Status, eine größere Handlungsfähigkeit ermöglichte: "Books traveled into Oppenheim's collection as a kind of currency that could be exchanged for favor, financing, and political appointment." (58) Der Austausch von Büchern als Ausdruck der Dankbarkeit, aber auch als Währung galt als gängige Praxis im Netzwerk jüdischer Gemeinden. Dies war vor allem im Spannungsfeld von Hof und Hoffaktoren ein probates Hilfsmittel zur Vertretung der jeweiligen Interessen, so der Autor.

Das dritte Kapitel behandelt den symbolischen Charakter einer Bibliothek als Hort des Wissens und der damit verbundenen Macht. Hier wird vor allem die physische Beschaffenheit der Sammlung in den Blick genommen. Teplitsky argumentiert, die Bibliothek habe gleichzeitig auch die Funktion eines Archivs erfüllt. Sie habe durch Aufnahme von diplomatischen und administrativen Materialien an Bedeutung gewonnen, die über die einer reinen Gelehrtenbibliothek hinausreichte. Da Oppenheim durch die politischen Verhältnisse und die Zensur unter dem Habsburger Einfluss im Osten des Heiligen Römischen Reiches seine Bibliothek gefährdet sah, verbrachte er die Bücher 1703 zu seinem Schwiegervater nach Hannover. Dort stand die Sammlung unter der Verwaltung von Bibliothekaren und gewann dadurch nochmal zusätzlich an Struktur und Außenwirkung. Zahlreiche Gelehrte suchten sie auf oder richteten sich mit Anfragen an ihren Besitzer. Oppenheim weilte als Rabbiner in Mähren, führte den Katalog der Sammlung jedoch stets bei sich und drückte damit den eigenen Besitzanspruch aus. Teplitsky meint, dass Oppenheims Prestige als Gelehrter vom Ruf seiner Sammlung und deren seltener Inhalte profitierte. Deshalb sei seine Meinung in halachischen Fragen besonders geschätzt worden. Besonders der Übergang einer privaten Sammlung in eine Art öffentlicher Wissensspeicher für verschiedenste Interessensgruppen ist hierbei interessant.

Im vierten Kapitel spürt der Autor der Frage nach, wie Oppenheims Aktivität in Bezug auf Produktion und Verbreitung von Manuskripten und Drucken zu bewerten ist. Vor allem fokussiert er dessen Entscheidungsgewalt in Bezug auf die Vervielfältigung seltener Handschriften, deren Verbreitung Oppenheim nicht immer befürwortete. Vielfach gewährte er nur direkt Einsicht in seiner Sammlung. Damit unterstrich er deren Exklusivität und seine eigene Autorität. Dennoch unterstützte er zahlreiche Drucke und deren Verfügbarmachung. Im abschließenden Teil widmet sich der Autor dem Buch als Machtinstrument und politisches Werkzeug. Zahlreiche Approbata (im Hebräischen haskamot, Zustimmungen), die als eine Art Leseempfehlung verstanden werden können und von Oppenheim für Bücher ausgestellt wurden, zeugen von Oppenheims Einfluss auf die Veröffentlichung und Verbreitung bestimmter Texte. Des Weiteren werden in diesem Kapitel die Auswirkungen der katholischen Zensur auf die Bibliothek und die Publikationen Oppenheims thematisiert.

Die Gliederung der Abschnitte in kürzere Unterkapitel und Zusammenfassungen am Ende eines jeden Kapitels geben dem Buch eine gute Struktur. Darüber hinaus profitiert die Publikation von der klar verständlichen Schreibweise. Damit wird das Buch auch jenseits der wissenschaftlichen Auseinandersetzung zu einer interessanten Lektüre. Die gut ausgewählten Illustrationen ermöglichen zudem einen visuellen Zugang zu den Inhalten aus der beeindruckenden Sammlung Oppenheims.

"Prince of the Press" bietet umfassenden Einblick in die jüdische Buchkultur der Frühmoderne auch über die Grenzen Europas hinaus. Es wird deutlich, wie eng Macht und Wissen seinerzeit verknüpft waren. Diese Feststellung gilt in besonderem Maße für die jüdische Gemeinschaft, die durch die verwehrte Gleichstellung und die Abhängigkeit von der Gunst der Herrscher von Grund auf benachteiligt war.

Diese Publikation unterstreicht vor allem, wie lohnend es ist, sich nicht nur mir der Zerstörung und Zerstreuung jüdischer Sammlungen auseinanderzusetzen. Gerade deren Entstehungsgeschichten fördern wertvolle Erkenntnisse über die jüdische Sammelkultur im Allgemeinen, sowie die bisher vernachlässigten Verbreitungswege und Netzwerke zu Tage.

Julia Schneidawind