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Jan Eike Dunkhase (Hg.): Reinhart Koselleck - Carl Schmitt. Der Briefwechsel, 1953-1983 und weitere Materialien, Berlin: Suhrkamp 2019, 459 S., 11 s/w-Abb., ISBN 978-3-518-58741-6, EUR 42,00
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Rezension von:
Thomas Meyer
Berlin
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Thomas Meyer: Rezension von: Jan Eike Dunkhase (Hg.): Reinhart Koselleck - Carl Schmitt. Der Briefwechsel, 1953-1983 und weitere Materialien, Berlin: Suhrkamp 2019, in: sehepunkte 20 (2020), Nr. 3 [15.03.2020], URL: https://www.sehepunkte.de
/2020/03/33929.html


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Jan Eike Dunkhase (Hg.): Reinhart Koselleck - Carl Schmitt

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119 erhaltene Briefe umfasst die von 1953 bis 1983 geführte Korrespondenz zwischen dem Historiker Reinhart Koselleck und dem Staatsrechtler Carl Schmitt. Der vorliegende Band bietet, neben ausführlichen Erläuterungen und Kommentaren sowie einem deutenden Nachwort des Herausgebers Jan Eike Dunkhase, noch weitere aufschlussreiche Materialien: Widmungstexte in Büchern und Sonderdrucken, zahlreiche Abbildungen, einen aussagekräftigen Brief Kosellecks an den Juristen Helmut Quaritsch von 1991 und ein unveröffentlichtes Interview des Historikers aus dem Jahr 1994. Dazu kommen zwei Entwürfe von Schmitts Besprechung der Dissertation Kosellecks, die 1959 unter dem Titel "Kritik und Krise" erschien. Schließlich finden sich zwei Briefe Schmitts an Kosellecks Ehefrau Felicitas.

Wohl 1949 kommt Koselleck erstmals mit dem Werk des 35 Jahre älteren Schmitt in Kontakt. Vier Jahre später setzt die Korrespondenz mit einem umfangreichen Brief des Heidelberger Doktoranden nach einem Besuch bei Schmitt in Plettenberg ein. Der Brief vom 21. Januar 1953 ist der Auftakt zu einer "asymmetrischen Korrespondenz" (Dunkhase). Darin und in weiteren Episteln entwirft Koselleck jenes an Schmitt orientierte antihistoristische und gegenaufklärerische Programm seiner Dissertation. Die vermeintliche, von der Forschung längst widerlegte Entdeckung und Bevorzugung des Moralischen gegenüber dem Politischen im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert war nicht zuletzt ein Kommentar zur eigenen Gegenwart. Darauf haben bereits die sehr unterschiedlichen, wie zugleich genau lesenden Rezensenten gleich nach dem Erscheinen von "Kritik und Krise" hingewiesen und die Grenzen der Arbeit mit Hinweis auf Kosellecks Verwendung von Schmitts Schriften deutlich gemacht. Der Philosoph und Remigrant Helmut Kuhn wies ebenso darauf hin wie der angeblich "liberale Nationalsozialist" (Christian Tilitzki) Kurt Schilling. Nicht anders urteilten der Pädagoge Hans Tietgens und ein weiterer Philosoph: Jürgen Habermas. [1] Im Rückblick ist die Debatte um das Buch eine, die ganz in die Phase der Suche nach tragfähigen Legitimationsnarrativen für die Zeit nach 1945 gehört. Das bestätigte Koselleck in seinem "Vorwort zur Taschenbuchausgabe" vom Oktober 1973 insofern, als er ausdrücklich auf politische Veränderungen hinwies, die, und das ist hier wichtig, eine andere Geschichtskonzeption erforderten. [2] Hierin liegt der wichtigste Grund für das fortdauernde Interesse an dieser Arbeit. Niemand hat das besser gesehen als Ivan Nagel, der Holocaustüberlende und enge (Studien-)Freund Kosellecks. Daher wird er zu Recht in Dunkhases "Nachwort" ausführlicher gewürdigt. Man könnte hier wiederum Helmut Kuhn nennen, der als erster die negative Geschichtsphilosophie Kosellecks mit jener der "Dialektik der Aufklärung" in einen Zusammenhang stellte: Denn für beide Seiten des politischen Spektrums taugten die vermeintlichen Versprechen der Aufklärung, wie Fortschritt und die Verbindlichkeit von Ethik und Vernunft, nicht länger für die Zeit nach dem "Traditionsbruch" (Hannah Arendt).

Koselleck wäre heute allenfalls noch ein interessanter Fall, wenn er der geblieben wäre, der bis etwa 1959/60 im Briefwechsel mit Schmitt auftritt. Denn danach löst sich Koselleck. Ohne dass es je zum Bruch kommt, erarbeitet der sich nach und nach etablierende Historiker gänzlich neue Felder: die Habilitation über das preußische Landrecht 1965, die Teilnahme an den Sitzungen der Gruppe "Poetik und Hermeneutik", die "Geschichtlichen Grundbegriffe", die geschichtstheoretischen Reflexionen. All das hat mit Schmitt nichts mehr zu tun. Im Gegenteil: Wenn es auf diesen Feldern im Briefwechsel zu inhaltlichen Auseinandersetzungen kommt, dann sind sie sporadisch. Wenn Schmitt später die geistige Nähe wiederherstellen möchte, lässt ihn Koselleck mal feinsinnig, mal ignorierend ins Leere laufen.

Eine bemerkenswerte, für die wachsende Distanz zwischen Schmitt und Koselleck stehende Episode findet sich in einem Brief des Ersteren von Anfang 1973: "Mit Conze über Demokratie weiß ich nichts anzufangen. Dass heute Liberalismus die Demokratie und eo pro die Demokratie [den Liberalismus] tötet, darf man nicht aussprechen." (242). Nichts charakterisiert mehr Schmitts geistiges Steckenbleiben in der Spätphase der Weimarer Republik, wo er den Kalenderspruch über das Verhältnis von Demokratie und Liberalismus immer und immer wieder in seinen Interventionen durchexerzierte. Koselleck reagiert darauf souverän, verlagert die Kritik an Conzes Artikel in den "Geschichtlichen Grundbegriffen" ins Unverbindlich-Allgemeine einer künftigen historischen Semantik. Und dann teilt er dem Staatsrechtler seine Lektüreeindrücke von Ernst Jüngers Textretuschen mit, die den Blut-und-Boden-Rassismus tilgen wollten. Koselleck setzt noch eine persönliche Erinnerung an die Jahreswende 1932/33 dazu, die ihm Jüngers Selbstrevision noch fragwürdiger erscheinen lässt: Gerade weil er die Schrecken des Ersten Weltkrieges nun "humanisiere", fälsche er das "Ereignis" und damit dessen Wahrheit. Hier spricht schon ein gänzlich anderer Koselleck, einer der, wie Jan Eike Dunkhase an anderer Stelle nachwies, sich dem Absurden widmete, einem historischen Existenzialismus, der sich nichts zurückwünschte. [3]

Doch Koselleck war nicht immer vor dem nostalgischen Blick zurück gefeit, wie der Anhang ausweist. Dass er glaubte, ausgerechnet Schmitts "Der Führer schützt das Recht"-Artikel vom 1. August 1934 erledige sich nicht durch eine moralische Lesart, irritiert. Schließlich wäre der Autor in jedem anderen Land wegen der Rechtfertigung der Röhm-Morde von der Justiz belangt worden. Aber dabei bleibt Koselleck nicht stehen und spricht deutlich und unmissverständlich über Schmitts Antisemitismus.

Mit der Edition des Briefwechsels zwischen Reinhart Koselleck und Carl Schmitt liegt eine bedeutende Quelle für Ideenhistoriker vor. Während der eine im Graben des eigenen Scheiterns sitzen bleibt, springt der andere hinaus und sucht neue Erkenntnisse. Der eine wird ein bedeutender Historiker, der andere historisiert sich schon zu Lebzeiten und wird zur bloßen Auskunftei alternder Jünglinge. Dunkhases souveräne Edition bringt all das deutlich zum Ausdruck. Sie sollte für die Schmitt-Editionen zum Maßstab werden.


Anmerkungen:

[1] Vgl. Helmut Kuhn, in: HZ 192 (1961), 666-668; Hans Tietgens, in: Neue Politische Literatur 5 (1960), 418-424; Jürgen Habermas, in: Merkur 14 (1960), 468-477; Kurt Schilling, in: Archiv für Sozial- und Rechtsphilosophie 46 (1960), 147-153.

[2] Reinhart Koselleck: Kritik und Krise. Eine Studie zur Pathogenese der bürgerlichen Welt, 2. Aufl., Frankfurt/Main 1973, Xf.

[3] Vgl. Jan Eike Dunkhase: Absurde Geschichte. Reinhart Kosellecks historischer Existentialismus, Marbach 2015.

Thomas Meyer