Johannes Meier: Bis an die Ränder der Welt. Wege des Katholizismus im Zeitalter der Reformation und des Barock, Münster: Aschendorff 2018, 368 S., 50 s/w-Abb, 28 Kt., ISBN 978-3-402-13256-2, EUR 29,80
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Der Band bietet eine Überblicksdarstellung über die außereuropäische Christentumsgeschichte zwischen 1453 und 1789, die aus Vorlesungen und langjährigen Forschungen des Verfassers erwachsen ist. Er plädiert für eine stärkere Gewichtung der Missionsgeschichte bzw. der nichteuropäischen Kirchengeschichte in Forschung, Lehre und Weiterbildung. Diese ist eng mit der europäischen Expansion verbunden, aber nicht auf diese zu reduzieren.
Meier beginnt seine Darstellung mit der osmanischen Eroberung Konstantinopels, als deren Folge für Portugal die Umsegelung Afrikas und die Etablierung von Handelsrouten auf dem Seeweg nach Indien umso attraktiver wurde. Die Erschließung der Küste Afrikas war nicht nur mit Sklavenjagd und -handel, sondern auch mit missionarischen Erfolgen im Kongo und mit Verbindungen zum äthiopischen Königreich verbunden. Die Latinisierungsversuche der Portugiesen und Spanier dort führten schließlich im 17. Jahrhundert zu Widerstand und Abschottung. Hier deuten sich bereits Spannungspole an, die Meiers Darstellung der frühneuzeitlichen Missionsgeschichte bestimmen. Wirtschaftliche Interessen und Ausbeutung versus missionarisches Anliegen, Inkulturation versus rigide Europäisierung. Zunächst wird die Missionsgeschichte Indiens, Japans, Chinas und Südostasiens entfaltet. Die Anpassung an hinduistische Bräuche (Elemente des Kastensystems) durch Roberto de Nobili SJ (1577-1656) in der Maduraimission im Inneren Indiens war umstritten, wurde aber von Papst Gregor XV. 1623 gutgeheißen; später setzten Angriffe anderer Orden und päpstliche Verbote ein. Bereits der Jesuit Franz Xaver (1506-1552) war von der Kultur und Ethik Japans begeistert. Dort schien die Adaption an Zen-Mönche erfolgsversprechend; freilich wurde die Lage des Christentums fragil, als es mit Eroberungs- und Hegemonieabsichten Portugals bzw. anderer europäischer Mächte in Verbindung gebracht wurde; Verfolgung und Abschottung setzten seit 1614 ein, eine kleine christliche Minderheit überlebte bis zur erzwungenen Öffnung Japans im 19. Jahrhundert ohne Priester. Die China-Mission der Jesuiten setzte bewusst auf die vorrangige Bekehrung der Eliten, so dass man sich an konfuzianische Gelehrte anpasste und dabei Elemente der Ahnenverehrung und konfuzianische Begrifflichkeit übernahm. Hierfür stand vor allem Matteo Ricci (1552-1610). Gerade Bildung und mathematisch-technische Kenntnisse waren es, die den Jesuiten Ansehen und Zugang zum Kaiserhof brachten (förmliches Toleranzedikt dann 1692). Im einsetzenden Ritenstreit mit den Bettelorden, die die von den schließlich unterliegenden Jesuiten als rein bürgerlich interpretierten konfuzianischen Riten angriffen, ging es auch um die Missionsmethode, da die v.a. von den Philippinen eindringenden Mendikanten vor allem die einfachen Bevölkerungsschichten missionieren wollten. Während die Mission in Vietnam im 18. Jahrhundert mit dem Rückgang des portugiesischen Einflusses massive Rückschläge erlitt, etablierte sich die Kirche auf den Philippinen unter spanischer Herrschaft, getragen vor allem vom Ordensklerus, der vorchristliche Kulte aufgriff und christlich umformte.
Die Darstellung der Christentumsgeschichte Amerikas ist bereits in ihren Anfängen, den Entdeckungsreisen des Kolumbus, geprägt von der Spannung zwischen den wirtschaftlichen Interessen der Conquistatoren und den Missionsabsichten der christlichen Ordensgemeinschaften. Sehr früh setzten sich vor allem die Dominikaner für die Menschenrechte der Indios ein. Organisatorisch standen sich die Encomienda mit ihrem System der Zwangsarbeit und die Reduktionen gegenüber. Nicht nur die franziskanischen Missionare im Aztekenreich wurden zu Erforschern und schriftstellerischen Zeugen von indigenen Sprachen und Riten, da sie Götzendienst wirksam ausrotten und das Christentum kulturell fest verankern wollten. Ein weiteres Zentrum der spanischen Kolonialherrschaft wurde das Vizekönigreich (seit 1542) Peru. Auch dort gehörte der Klerus ganz überwiegend den Orden an, mehr als die Hälfte waren Franziskaner; und auch dort knüpfte man an vorchristliche Kulte an und wurde Geschichtsschreiber der altperuanischen Kultur (v.a. das Werk des Guamán Poma, der 1619 starb und die Konquistatoren anklagte). In Reduktionen versuchten vor allem die Jesuiten vielerorts die Ureinwohner - besonders bekannt wurden die Guaraní-Reduktionen in Paraguay - zu schützen, aber auch in Dörfer anzusiedeln und zu Arbeit und Vorratshaltung zu erziehen. Brasilien, das für die Kolonisatoren erst durch den Zuckerrohranbau interessanter wurde, war von Beginn an durch eine große Zahl schwarzafrikanischer Sklaven geprägt. Auch dort war die Seelsorge der Orden aufgeteilt in diejenige an den Indios und diejenige an der Kolonialgesellschaft. Sklaverei wurde nur teilweise, etwa verschiedentlich von Kapuzinern, verdammt, ansonsten aber als Folge von gerechten Kriegen hingenommen. Man drängte zu Seelsorge an den Sklaven und polemisierte gegen den Handel mit diesen. Ein letztes Kapitel behandelt die französische Mission in Kanada und Lousiana. Auch dort stand die friedliche, inkulturierende Huronenmission der Franziskaner und Jesuiten in Spannung zu den Gewinnabsichten anderer Europäer, hier vor allem der protestantischen Niederländer. Quebec wurde das Zentrum eines staatskirchlich geprägten französischen Katholizismus.
Im Gegensatz zum Katholizismus, wo sich bald die Theorie entwickelte, dass die Vorsehung außerhalb Europas den Abfall der protestantischen Gebiete kompensiere, spielte der Missionsgedanke im Protestantismus lange kaum eine Rolle; der Auftrag, das Evangelium zu allen Völkern zu tragen, sei von den Aposteln, denen er galt, bereits verwirklicht worden. So beschränkte man sich in den Handelsniederlassungen lange auf die Betreuung der eigenen Landsleute. Erst im Pietismus änderte sich dies, während dann im Gefolge der Aufklärung die Jesuiten aus den portugiesischen und spanischen Kolonien vertrieben wurden. Man kann sagen, dass gerade ihrem Wirken die Sympathie des Verfassers gehört. Ohne apologetische Intentionen zu verfolgen korrigiert er mit seiner kenntnisreichen Überblicksdarstellung viele Vorurteile. Gerade die Orden mit ihrer Missionstätigkeit haben sich vielfach als Schutzeinrichtungen für die indigenen Völker vor Ausbeutung, Zwangsarbeit und Habgier erwiesen. Das Bemühen um Inkulturation und die Sorge vor einem heidnischen Rückfall führte zu einer beispiellosen ethnologischen Beschäftigung mit den vorchristlichen Kulturen und Riten. Das Christentum der Orden war also eher ein Hemmnis für die Konquistatoren, als deren treibende Kraft. Freilich könnte man hier auch Gegenfragen stellen, besonders die, ob nicht Mission am ehesten dann nachhaltig erfolgreich war, wenn sie Teilhabe an einer zivilisatorisch und technisch überlegenen Kultur bot, also doch sich mit Hegemonie verband. Das komplexe Zusammenwirken dieser Faktoren lässt sich durch die Darstellung Meiers jedenfalls gut nachvollziehen.
Klaus Unterburger